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„Ihr habt keine Phantasie“

True Fruits war der erste Smoothie-Hersteller in Deutschland und ist heute Marktführer. Die drei Gründer setzen auf Kompromisslosigkeit, sowohl bei der Qualität als auch beim Marketing, das bewusst die Grenzen des guten Geschmacks auslotet. Die extrovertierte Haltung zahlt sich bislang aus.

Wer sich mit True Fruits beschäftigt, kommt um ihren Humor nicht herum. Zwei Kostproben: In einer Facebook-Nachricht beschwert sich eine Userin, dass sie keine Lust hat auf sexistische Sprüche, die True Fruits verbreiten würde. Der Vorwurf wird prompt gekontert: „Dann mach es dir doch selbst – also den Smoothie.“ Apropos Sexismus: Den meisten Konsumenten fallen wohl als Erstes die Flaschentexte ein, wenn sie an die Marke denken. „Fruchtfetisch – mangogeil oder Lust auf ´ne schöne Pulle. Eigentlich ist es uns ziemlich egal, warum du diesen Smoothie gekauft hast. Hauptsache, du schließt deine Augen beim Trinken und stöhnst danach verführerisch.“

So eine Außendarstellung ist entweder geschäftsschädigend oder der große Wurf. Aber in der Regel wird sie von Profis in PR-Abteilungen entworfen und strategisch inszeniert. Bei True Fruits ist das der feine Unterschied zu anderen Marken: Es gibt keine Presse- oder Werbeagentur, das polarisierende Marketing geht ungefiltert raus in die Welt. Einfache Produkte, ehrliche Kommunikation – so lautet das Credo. Dabei macht True Fruits fast nur Werbung über eigene Kanäle. Als im vergangenen August dann doch mal eine Plakatkampagne finanziert wurde, gab es regelrechten Aufruhr und eine Diskussion darüber, ob die anzüglichen Sprüche nun sexistisch seien oder ironisch. In München wurden einige Motive sogar verboten.

Die Gründer und ihr 23-köpfiges Team wollen spontan und auch ein bisschen unprofessionell bleiben. Entscheidend ist nicht, ob die Texte und Postings bestimmten Konventionen der Werbung entsprechen. Die Inhalte sollen vielmehr genauso sein wie eine Unterhaltung unter Freunden. Eigensinn und Nonsens spielen dabei eine wichtige Rolle: „Wir sind in unserer Wortwahl vielleicht ungeschliffen, dafür aber authentisch. Everybody´s Darling ist Everybody´s Arschloch“ – so lautet der oft wiederholte Leitspruch von Nicolas Lecloux, Mitgründer und zuständig für das Marketing.

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True Fruits war der erste Smoothie-Hersteller in Deutschland und ist heute Marktführer. Die drei Gründer setzen auf Kompromisslosigkeit, sowohl bei der Qualität als auch beim Marketing, das bewusst die Grenzen des guten Geschmacks auslotet. Die extrovertierte Haltung zahlt sich bislang aus.

Produktentwicklung im Standmixer

Auch bei der Entwicklung neuer Produkte, sprich Smoothies, vertraut True Fruits auf die eigenen Instinkte. Am Firmensitz in Bonn-Beuel, auf dem alten Gelände einer Teppichfabrik, hat True Fruits im dritten Stock seine Büroräume. In der Küche steht ein Standmixer, in dem neue Mischungen ausprobiert werden. In die Produktion geht das, was den Mitarbeitern schmeckt. Markforschungsinstitute sind bislang tabu, auch hier gilt die Devise, dem eigenen Geschmack zu vertrauen. Die Abfüllung hat True Fruits dagegen ausgelagert an einen sogenannten Lohnabfüller nahe Stuttgart.

Auch sonst ist der „Spirit“, wie sie ihn nennen, weiter der eines typischen Start-ups. Die Mitarbeiter sind leger gekleidet, alle duzen sich. Neben der Küche steht ein großer Esstisch, an der Wand hängen Beutel mit Müslipackungen: „Es ist wie eine WG. Jeder kennt hier jeden“, erklärt Fee Surges, zuständig für die PR. Vor dem Großraumbüro hängt eine Tafel, die den Stand der Facebook-Freunde dokumentiert – aktuell sind es mehr als eine halbe Million. Im Büro selbst werden Einkauf, Vertrieb und das Marketing organisiert. Im hinteren Teil ist ein kleines Wohnzimmer integriert, in dem einmal im Monat eine Redaktionskonferenz für die Flaschentexte stattfindet. Der Konferenzraum nebenan ist indes ein kleines True-Fruits-Museum: Von der Decke baumeln Flaschen-Rohlinge, der Tisch ist mit Daten der jungen Unternehmensgeschichte markiert. An der Wand hängen Gemälde der drei Gründer, ein befreundeter Künstler hat sie geschenkt. Wer hier drin sitzt, der spürt, dass die Firmenchefs sich auch selbst verwirklichen: „Wir nehmen die Firma als Person wahr“, sagt Lecloux.

„Gesundheitsversprechen sind lächerlich“

True Fruits gibt es seit 2006, als Lecloux zusammen mit seinen Studienkollegen Inga Koster und Marco Knauf entschied, aus der Begeisterung für püriertes Obst und Gemüse, gemischt mit Direktsaft und möglichst schonend haltbar gemacht, eine Firma zu machen. Damit führten sie gleichzeitig ein neues Produkt in den deutschen Saftmarkt ein. Die drei teilten sich von Anfang an die Aufgaben. Knauf entwickelt die Produktideen und die Strategie, Koster kümmert sich um die Umsetzung und die Zahlen, Lecloux ist der Markenbotschafter.

Smoothies gab es damals noch nicht in Deutschland. Heute sind sie zum Synonym für gesunde Ernährung geworden. Doch gerade dieses Verkaufsargument findet sich bei der True-Fruits-PR überhaupt nicht: „Wir sind nicht die Firma, die sagt: Trink diesen Smoothie und du wirst stärker, schöner und kommst besser durch den Winter. Wir finden diese Gesundheitsversprechen lächerlich“, unterstreicht PR-Frau Surges.

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True Fruits war der erste Smoothie-Hersteller in Deutschland und ist heute Marktführer. Die drei Gründer setzen auf Kompromisslosigkeit, sowohl bei der Qualität als auch beim Marketing, das bewusst die Grenzen des guten Geschmacks auslotet. Die extrovertierte Haltung zahlt sich bislang aus.

Vielleicht findet man deshalb True Fruits nicht wie erwartet in Bioläden, sondern im konventionellen Handel. Dabei ist es der Anspruch, vor allem Qualitätsführer zu sein. Die Zutaten – ob Mangos und Bananen, aber auch Grünkohl, Rhabarber oder pinke Drachenfrucht – sind hochwertiger als in herkömmlichen Säften. Zusammen mit der Glasverpackung und der Keramikschrift sind die Smoothies mit einem Literpreis von 7,75 Euro teurer als die Konkurrenzprodukte, ein Luxusartikel unter den Saftmarken. Die Produkte sollen gleichzeitig puristisch sein und Begehrlichkeit wecken: „Wir wollten vor allem unserem Impuls folgen, den geilsten Smoothie zu machen“, unterstreicht Lecloux.

Provokantes Auftreten: True Fruits möchte mehr als ein braver Smoothie-Hersteller sein.

Leidenschaft und Naivität

Heute ist eine von Lecloux´ Hauptbeschäftigungen, die Entstehungsgeschichte des Start-ups auf Kongressen und in Hörsälen zu erzählen, gewürzt mit Pointen und jeder Menge Selbstironie. Dabei betont er, wie leidenschaftlich und gleichzeitig naiv die drei an die Sache rangegangen sind. Vor allem die kritischen Phasen erzählt er mit blumigen Anekdoten. Beispielsweise hat es vier Anläufe gebraucht, um den Bistro-Chef einer Tankstellenkette überhaupt für ein Gespräch zu gewinnen, während die drei Gründer schon auf zwei Millionen Glasflaschen saßen und ihre Investoren zufriedenstellen mussten.

Nachdem die erste Hürde genommen war, folgten weitere Listungen in Supermärkten. Spätestens mit der Einführung der Green Smoothies 2014, die neben Obst auch püriertes Gemüse enthalten, war der Durchbruch geschafft und True Fruits ein etablierter Lieferant im Lebensmittelhandel. Bis heute ist Lecloux überzeugt, dass ein gutes Unternehmen vor allem durch den eigenen Impuls und weniger durch eine ausgefeilte Strategie aufgebaut wird. Deshalb ist er kein Freund von Lehrbüchern oder Experten: „Damals herrschte eine Billiger-billiger-billiger-Attitüde. Das fanden wir aber nicht geil. Heute kann ich diesen Leuten nur sagen: Ihr habt einfach keine Phantasie.“

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True Fruits war der erste Smoothie-Hersteller in Deutschland und ist heute Marktführer. Die drei Gründer setzen auf Kompromisslosigkeit, sowohl bei der Qualität als auch beim Marketing, das bewusst die Grenzen des guten Geschmacks auslotet. Die extrovertierte Haltung zahlt sich bislang aus.

Flaschen als Seifenspender und Salzstreuer

Im vergangenen Jahr machte True Fruits einen Umsatz von rund 40 Mio. Euro. Der Marktanteil liegt bei rund 25 Prozent, unter den Markenherstellern sogar bei knapp 60 Prozent. Der größte Wettbewerber ist derzeit Innocent, hinter dem die Firma Coca Cola steht. Der Gesamtumsatz von Smoothies steigt weiter stark, die Zeichen stehen also auch für True Fruits auf Wachstum. Mit Flaschenaufsätzen wie Seifenspendern oder Verschlusskappen als sogenannte Upcycling-Produkte ist True Fruits dabei, das Portfolio zu erweitern.

Wachsender Markt: Smoothies werden in Deutschland beliebter.

Auch Beteiligungen an anderen Firmen sind denkbar. Wichtig ist den Gründern, dass sie ihr Profil behalten. Die True-Fruits-Story soll die nächsten Jahre weitergehen, unter der Regie der drei Studienfreunde. Ein Verkauf steht bislang nicht zur Debatte. Im Jubiläumsheft zum zehnjährigen Bestehen von True Fruits hat Lecloux auf die Frage, wie viel man ihm bieten müsste, um zu verkaufen, offen geantwortet und 100 Mio. Euro angegeben. Heute, ein Jahr später, scheint ihn das nicht mehr zu beschäftigen: „Für eine Milliardenbewertung müssen wir noch zehn, zwanzig Jahre arbeiten“, sagt Lecloux. Bei dieser Aussage erkennt man an seinem Gesichtsausdruck allerdings nicht, wie viel Humor darin steckt.

 


Zu den Personen

 

 

 

 

 

 

 

Der Rheinländer Nicolas Lecloux (l.) gründete bereits während seines BWL-Studiums an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zusammen mit seinen Kommilitonen Inga Koster und Marco Knauf den Smoothie-Hersteller True Fruits und verantwortet seitdem das Marketing. Seit 2011 gibt es die Smoothies in Glasflaschen in allen größeren Städten. Im vergangenen Jahr expandierte die Marke in die Schweiz und nach Österreich. Der Umsatz der GmbH liegt derzeit bei rund 40 Mio. Euro.

www.true-fruits.com

 

 

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