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Das Prinzip Schmetterling

Die Mawa GmbH ist seit jeher Innovationsführer für Kleiderbügel und wird in der Haute Couture geschätzt. Doch 2005 muss das Unternehmen Insolvenz anmelden. Die neue Eigentümerin Michaela Schenk krempelt den unsichtbaren Zulieferer zu einer Marke um, indem sie dem Allerweltsgegenstand Kleiderbügel eine poetische Ausstrahlung verleiht.

Ein gewisser Trotz liegt in der Stimme Michaela Schenks, wenn sie über ihre Kleiderbügel spricht: „Es hat sich außer mir niemand zugetraut, noch mal gegen die Chinesen anzutreten.“ Die Gefahren, die im Jahr 2005 Mawa in die Knie gezwungen haben und fast den Knockout bedeutet hätten, sind gleich geblieben. China produziert nicht nur billiger, sondern kopiert skrupellos alle Neuheiten: „Meine chinesischen Konkurrenten sagen mir, sie würden nur die Besten kopieren“, erzählt Schenk mit ironischem Unterton.

Auf den ersten Blick ist Mawa ein Produktionsbetrieb alten Schlags. Der Standort im beschaulichen Pfaffenhofen nördlich von München besteht vor allem aus Produktionsmaschinen. Im Erdgeschoss befindet sich die sogenannte Taucherei. Die Luft ist von Brenngas geschwängert, direkt hinter dem Eingang steht ein Grill, auf dem die Rohlinge erhitzt werden, bevor sie in ein Farbbad abtauchen und als bunte Kleiderbügel wieder hochkommen. In der Nebenhalle werden Gebinde verpackt, auf jedem fertigen Paket klebt in knalligem Rot das Etikett „Original“, zusammen mit dem Mawa-Emblem. Im Souterrain biegen klobige, verzweigte Maschinen den Bandstahl und die Drähte zu Klammern, Bögen und Haken. Vor 2005 hätte man den traditionsreichen Maschinenpark als Herzstück des Unternehmens bezeichnet, das, was Mawa am Leben hält. Doch heute kommen die wichtigen Impulse aus schlichten Büroräumen direkt neben den Produktionshallen. Das ist der entscheidende Unterschied zu früher.

Lebenswelt Kleiderschrank

Als Michaela Schenk Mawa 2007 kauft, findet sie einen Betrieb vor, der nach eigenen Worten „wirklich heruntergekommen war“. Bereits zwei Jahre wird das Unternehmen von einem Insolvenzverwalter über Wasser gehalten. Schenk möchte nach Jahren als Führungskraft bei verschiedenen Medienunternehmen selbstständig werden. Sie sieht ihre Kernkompetenz in der Vermarktung und verfolgt von Anfang an das Ziel, aus dem produktionsverliebten Betrieb, der unter anderem 1955 den Hosenspanner erfand, eine Marke zu entwickeln.

Beispielhaft für diese Metamorphose stehen die „Butterflies“. Schmetterlinge sind in der Mawa-Sprache sehr dünne Kleiderbügel mit drehbarem Haken und Antirutschbeschichtung, die sich für Hemden, Kleider oder leichte Jacken eignen. Eine typische Mawa-Innovation, die übrigens von den Chinesen bisher nicht kopiert werden konnte. Das Produkt gibt es schon lange bei Mawa, nur versieht es die neue Geschäftsführerin Schenk mit einer sogenannten Storyline, einer Markengeschichte. In einem Prospekt schreibt sie: „Butterflies sind viel mehr als Kleiderbügel. Butterflies sind der Ausdruck eines Lebensstils: jung, modern, großstädtisch.“ Auch die anderen vielen Modelle im Sortiment wandeln sich von Funktionsträgern zu sinnlichen Assoziationen: „Ich verkaufe Lebenswelten. Diese Lebenswelt heißt Kleiderschrank.“

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Die Mawa GmbH ist seit jeher Innovationsführer für Kleiderbügel und wird in der Haute Couture geschätzt. Doch 2005 muss das Unternehmen Insolvenz anmelden. Die neue Eigentümerin Michaela Schenk krempelt den unsichtbaren Zulieferer zu einer Marke um, indem sie dem Allerweltsgegenstand Kleiderbügel eine poetische Ausstrahlung verleiht.

Mit diesem Selbstverständnis geht Michaela Schenk seither auf internationale Reisen, besucht Messen. Zielstrebig sucht sie den Kontakt zu Distributoren, Händlern und Labels, die sie mit ihren poetischen Produktgeschichten begeistern kann. Mawa vertreibt seine Kleiderbügel in Europa, den USA und Asien. Pro Geschäftsjahr sollen zwei neue Absatzmärkte dazukommen, in diesem Jahr sind das China und der indische Subkontinent.

Große Veränderung in kleinen Schritten

Mawa im Einzelhandel: Rund fünf Millionen Kleiderbügel werden jährlich über Haushaltswarengeschäfte vertrieben.

Um die Kunden von der Professionalität des Mittelständlers zu überzeugen, leitet Michaela Schenk nach der Übernahme einen Kulturbruch ein. Es geht dabei um die Lieferfähigkeit. Während vor der Insolvenz ein Auftrag angenommen und bearbeitet wurde, um ihn dann zu verschicken, gibt Schenk nunmehr folgende Losung aus: Jeder Artikel aus dem Standardsortiment, der bis 14 Uhr bestellt wird, soll noch am selben Tag in den Versand. Anfangs begehren die Mitarbeiter auf, Schenk geht abends schon mal frustriert aus dem Büro. Doch sie hält an ihrem Ziel fest und stellt die internen Prozesse Schritt für Schritt um: Das Sortiment wird in die Warengruppen A, B und C aufgeteilt, um zwischen Cashcows, Standardware und Sonderanfertigungen zu unterscheiden. Ein Lager wird installiert. Nach einem Jahr ist die betriebsinterne Revolution geschafft. Auf einer Betriebsversammlung sind die Mitarbeiter überrascht, dass sie nun tagtäglich schaffen, was sie zwölf Monate zuvor noch für unmöglich gehalten haben. Für Michaela Schenk ist es der Beweis, dass große Veränderungen in kleinen Schritten ablaufen müssen: „Sie müssen die Torte in kleinen Häppchen servieren. Wenn die Mitarbeiter die ganze Torte auf einmal gegessen hätten, hätten sie Magenschmerzen bekommen.“

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Die Mawa GmbH ist seit jeher Innovationsführer für Kleiderbügel und wird in der Haute Couture geschätzt. Doch 2005 muss das Unternehmen Insolvenz anmelden. Die neue Eigentümerin Michaela Schenk krempelt den unsichtbaren Zulieferer zu einer Marke um, indem sie dem Allerweltsgegenstand Kleiderbügel eine poetische Ausstrahlung verleiht.

Prominente Kunden

Drei Kundengruppen bedient Mawa heute mit seinen Kleiderbügeln. Jeder zweite produzierte Bügel landet über Haushaltswarengeschäfte im Kleiderschrank der Endverbraucher. Ein kleiner Teil wird von Hotels geordert. Knapp die andere Hälfte findet sich in Edelboutiquen und Schaufenstern wieder – sie sind nur für die Präsentation der Kleider gedacht. Hier schlummert ein ziemliches Potenzial, denn eigentlich könnten die Geschäfte die Qualitätsbügel den Kunden mitgeben oder sogar separat anbieten. Doch die Händler sträuben sich in einem Wettbewerb, der mit immer kleineren Margen zu kämpfen hat – ein Preisaufschlag von fünf Euro kann da schon zu teuer sein. Michaela Schenk bleibt aber optimistisch: „In Schuhgeschäften gab es früher auch keine Schuhcreme und kein Imprägnierspray. Das hat sich geändert.“

Dafür hat das Unternehmen prominente Kunden aus der Modebranche und damit beste Multiplikatoren: Claudia Schiffer bestellt ihre Bügel genauso bei Mawa wie Victoria Beckham, Sonderaufdruck inklusive. Neue Modelle werden zusammen mit Designern entworfen, um die Ästhetik und Reputation der Marke weiter zu steigern. Und auch der harte Wettbewerb in der Modebranche bietet einen Vorteil. Wenn immer mehr günstige Kleidung gekauft wird, braucht es platzsparende Bügel, um alles im Kleiderschrank unterzubringen. Die dünnen, leichten Schmetterlinge scheinen da den Zeitgeist zu treffen. Sie sind heute einer der Bestseller von Mawa.


Zur Person

Michaela Schenk stammt aus einer Unternehmerfamilie, ihre Eltern betrieben früher einen filialisierten Textilhandel. Mehr als zwanzig Jahr lang arbeitet sie für verschiedene Medienunternehmen. In dieser Zeit sammelt sie auch Erfahrungen in Restrukturierungen. Über einen Asset Deal erwirbt sie 2007 die insolvente Mawa GmbH und ist seitdem Geschäftsführende Gesellschafterin. Mawa verkauft pro Jahr mehr als zehn Millionen Kleiderbügel aus Metall sowie Holz in über 60 Länder und sieht sich als Innovationsführer.
www.mawa.de

 

 

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