“Man muss sich ein Konstrukt bauen”

Konstrukt Führungsstärke: Die NextGen orientiert sich weniger am klassischen Unternehmertypus.
Konstrukt Führungsstärke: Die NextGen orientiert sich weniger am klassischen Unternehmertypus.

Die nächste Generation, NextGen genannt, ist anders gestrickt als ihre Eltern. Im Interview erklärt Unternehmenscoach Sandra Happel, welche Eigenschaften die Generation ausmacht und warum klassische Tugenden wie Führungsstärke nicht mehr das Wichtigste im Unternehmen sind.

Unternehmeredition: Frau Happel, die NextGen will vieles anders machen als ihre Vorgänger-Generation. Welche Unterschiede fallen Ihnen dabei besonders auf?

Sandra Happel: Der entscheidende Unterschied ist, dass bei der jüngeren Generation das Privatleben und auch die eigene Persönlichkeit einen höheren Stellenwert haben. Viele sagen: Ich bin bereit, hart zu arbeiten, aber mir ist auch mein Leben wichtig. Die bitten dann um Hilfe, um beides zu organisieren.

Was ist aus Ihrer Sicht der Schlüssel für die jungen Unternehmer, um diese Balance zu erreichen?

Der Schlüssel ist, klar in der Führung zu sein: Bei welchen Themen muss ich präsent sein? Was muss ich jeden Tag in meiner Führungsarbeit im Blick haben, damit ich effizient arbeite? Es geht darum, sich nicht in operative Kleinstarbeiten zu verrennen und überall zu jedem Zeitpunkt sein zu wollen.  Das ist der Hauptunterschied zur alten Generation: Sie muss nicht mehr für jedes Thema der Experte sein. Dafür sind die Unternehmen heute auch zu komplex geworden.

Mit weniger Arbeitszeit ein komplexeres Unternehmen leiten – das klingt nach einem Spagat.

Genau. Deshalb fangen wir immer mit den Persönlichkeitsanalysen an. Es gibt nämlich keine Lösung, die für jeden passt. Es geht immer um das Team und darum, was die zusammen stemmen können. Gegebenenfalls muss man ein Konstrukt drumherum bauen.

So eine Persönlichkeitsanalyse ist ein diskretes Unterfangen. Wie bekommen Sie die Unternehmer dazu, sich dafür zu öffnen?

Entweder ist der Leidensdruck recht hoch oder der Unternehmer ist vom Nutzwert überzeugt, gerade die Jungen sind demgegenüber offener. Natürlich gehen wir dabei auch eine Verschwiegenheitsverpflichtung ein. Die größte Angst besteht aber oft nicht gegenüber dem Coach, sondern gegenüber dem Vater, weil vielleicht rauskommt, dass die Führungsstärke gar nicht so hoch ist wie erwartet.

Ergo braucht es heute nicht mehr in erster Linie Führungsstärke, um ein Unternehmen zu leiten?

Absolut. Viel wichtiger ist das Bewusstsein über die eigene Persönlichkeit, die eigenen Stärken und Schwächen. Man muss sich ein Konstrukt bauen, damit das Unternehmen funktioniert. Wenn einem selbst eine Kompetenz fehlt, holt man sie sich ins Unternehmen.

Für viele Junioren ist die Nachfolge nicht mehr die einzige Option. Macht das die Übergabe, wenn es dazu kommt, einfacher?

Nein, denn es treffen zwei Wertvorstellungen aufeinander. Für den Senior ist es eine Kränkung, wenn der Junior selbstbewusst sagt: Ich bin zwar bereit, aber nicht zu jedem Preis. Auch wenn viele Unternehmer die Nachfolge heute nach außen hin offenlassen, sind sie doch meist sehr enttäuscht oder gar beleidigt, wenn der Junior hadert. Die Vernunftseite passt oft nicht zur emotionalen Seite.

Es stehen in nächster Zeit sehr viele Nachfolgen im Mittelstand an. Muss man sich Sorgen machen?

Nein, das ist zu schwarz gemalt. Die meisten Unternehmen werden mit Sicherheit über das Thema stolpern, aber sie werden nicht daran zugrunde gehen. Dafür sind Unternehmer und Nachfolger zu besonnen. Je früher sich die Beteiligten mit den Optionen und auch sich selbst auseinandersetzen, desto einfacher wird der Prozess. Es wird dann vielleicht nicht die Lösung des Einen oder des Anderen geben – aber es wird eine Lösung geben.


Kurzprofil Sandra Happel

Geboren: 24. Januar 1972

Beruf: Geschäftsführerin und Gründerin „Die Helikopter Strategie GmbH“, ein Strategie- und Trainingsunternehmen für Unternehmer, Geschäftsführer und Führungskräfte

Hobbys:  Reisen, Neues Lernen, meine Familie, gutes Essen und mit Freunden Zeit verbringen

Größte Erfolge: Alle beendeten Aufträge, bei denen die Kunden mit Freude, Motivation wieder ihr Unternehmersein genießen

www.die-helikopterstrategie.de

 

 

 

Autorenprofil

Als Redakteur bei der Unternehmeredition leitet Volker Haaß die Online-Aktivitäten sowie die Sonderpublikationen der Plattform. Dazu gehört unter anderem die FuS – Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie.

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