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„Man kann eine Bohrinsel verlieren“

In schweren Zeiten helfen auch 40.000 PS Zugleistung nichts: Die Reederei Harms Bergung Transport & Heavylift musste mehrmals umstrukturiert werden. Heute ist sie der führende Dienstleister für Offshore-Schleppleistungen. Geschäftsführer Michael Albrecht erklärt warum. 

Unternehmeredition: Ihr Unternehmen ist mit 220 Millionen Euro in acht Schiffe investiert und will nun zwei neue Schiffe kaufen. Was macht Ihr Unternehmen genau?

Michael Albrecht: Wir sind eine auf Hochseeverschleppungen spezialisierte Reederei. Unsere Kunden heute sind vor allem große Ölgesellschaften wie Shell, BP, Total oder Esso. Wir verschleppen Bohrinseln, die oft eine Milliarde Dollar wert sind und in Korea, Singapur, Japan gebaut werden, von der Werft zu den Einsatzgebieten oder auch von einem Einsatzgebiet zum anderen. Die größte Bohrinsel, die wir aktuell verschleppen, ist 470 Meter lang und 70 Meter breit.

ein teures Geschäft, oder?

Die etwa zweimonatige Verschleppung einer Bohrinsel von Singapur nach Angola kostet ungefähr zehn Millionen Euro. Unsere Schlepper sind relativ klein und kompakt, haben aber eine Zugleistung von bis zu 40. 000 PS und Antriebsanlagen, die größer sind als bei so manchen großen Frachtschiffen. Sie ziehen dann mit einem massiven Drahtseil von ca. zehn Zentimeter im Durchmesser und einer Länge von bis zu 2.000 Meter die Bohrinseln mit teilweise 300 Leuten an Bord.

Was passiert bei massivem Seegang, wenn das Seil reißt?

Man kann bei außergewöhnlich schlechtem Wetter eine Bohrinsel verlieren. Dann muss man mit hoher Expertise die Bohrinsel wieder einfangen. Das haben wir bisher immer geschafft.

Was machen Sie besser als Ihre Wettbewerber?

Der eine Wettbewerber in Holland hat fünf, der andere in Singapur hat vier Schiffe. Wir haben acht, darunter die leistungsfähigsten der Welt. Wir haben sie komplett selbst konzipiert als Kombination aus Langstreckenverschleppung und vollwertigem Ankerzieher. Die Schiffe der Wettbewerber hingegen sind reine Langstreckenschlepper. Wir haben Zusatzeinrichtungen an Bord, die die Wettbewerber nicht bieten. Wenn wir mit der Bohrinsel im Fördergebiet ankommen, können wir gleich verankern und installieren. Ein normaler Langstreckenschlepper braucht dafür die Unterstützung durch Ankerziehschlepper, die die Positionierung durchführen. Die Kosten für so ein Schiff liegen schnell zwischen 70.000 und 100.000 Dollar am Tag. Wir erledigen das mit unserem Schiff direkt und sparen dem Kunden so erhebliche Kosten.In schweren Zeiten helfen auch 40.000 PS Zugleistung nichts: Die Reederei Harms Bergung Transport & Heavylift musste mehrmals umstrukturiert werden. Heute ist sie der führende Dienstleister für Offshore-Schleppleistungen. Geschäftsführer Michael Albrecht erklärt warum. 

Ihr Unternehmen wurde immer wieder umstrukturiert. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Man muss mit den Markterfordernissen gehen. Als wir Harms Bergung 2001 vom holländischen Unternehmen Smit samt einem großen Schwimmkran und mehreren kleinen Schleppern kauften, war es vor allem im Wasserbau und der Bergung tätig. Wir haben dann einen größeren Schlepper für die Öl- und Gasförderungsindustrie hinzugekauft, zu einer Zeit, in der die Industrie noch fest in skandinavischer, englischer und holländischer Hand war. Wir haben uns unseren Platz erobert und nach und nach acht neue Schiffe gebaut. Unsere Schiffe sind dabei nach dem deutschen KG-Modell finanziert, also durch eine Vielzahl von Kommanditisten, zu denen wir selbst auch zählen.

Also weniger Bergung, hin zum Schleppen?

Zum Schleppen und ganz gezielt zu einer Dienstleistung für die Offshore- Öl- und Gasindustrie. Das war eher eine Neuorientierung als eine Restrukturierung. Restrukturierungen gab es dann 2009 bis 2011 wegen der Schifffahrtskrise. Damals haben die großen Ölgesellschaften ihre Investitionen praktisch über Nacht auf null gedreht, was bei uns zu Liquiditätsproblemen führte. Wir hatten unsere Liquidität immer dazu verwendet, Darlehen – die Schiffe sind ja zum größten Teil über Bankdarlehen finanziert – vorzeitig zurückzuführen. Zum Glück konnten wir die Liquiditätsprobleme innerhalb unseres KG-Gesellschafterkreises, dem die Schiffe ja gehören, über Vorzugskapital lösen. Diese Darlehen haben wir bereits 2013 vollständig zurückgezahlt.

Was sind Ihre unternehmerischen Lektionen aus dieser Zeit?

Eine gute Gegenwartslage nicht für die Zukunft zu nehmen, kritisch bleiben. Und, wichtig: Bei finanziellen Nöten muss in jedem Fall die Kommunikation mit den Banken perfekt sein. Heute bekommen unsere Banken alle vier Wochen von uns ein perfektes Reporting samt Liquiditätsplanung, sie wissen jederzeit, wie die einzelnen Schiffsgesellschaften dastehen.

Wie rüsten Sie sich angesichts Ihrer Erfahrungen für Zeiten, in denen die Aufträge vielleicht wieder einmal enger werden?

Wir haben unsere Abteilung, die die Schiffe mit Aufträgen versorgt, verstärkt. Wir haben die Qualitätssicherung perfektioniert, hier sind die Anforderungen der Öl-Majors sehr hoch. So betreiben wir eine hausinterne Trainingseinrichtung, unsere   Schiffsführer trainieren dort Krisensituationen und lernen unsere Firmenphilosophie. Deshalb haben wir auch kaum Fluktuation, wir sind ein wenig wie eine große Familie.

Gibt es von Harms Bergung technische Innovationen?

Ja, auf allen Feldern, also bei Sicherheit und Umweltschutz, aber auch für eine hohe Betriebssicherheit durch redundante Systeme, damit wir pünktlich ankommen. Eine Bohrinsel zu bauen, dauert vielleicht fünf Jahre. Wenn sie produziert, erwirtschaftet sie 20 Millionen Dollar pro Tag. Der Verlust jeden einzelnen Tages ist also erheblich. Was die Umwelt betrifft: Nichts aus dem Schiff wird außer Bord gepumpt. An der Außenhaut sitzen keine Öltanks mehr. Selbst bei Kollision oder Bodenberührung könnte kein Öl austreten.

Zum Schluss zu Ihrem Verfahren wegen Untreue und Korruption seit 2009. Der Vorwurf dazu lautete, Sie und Ihr Partner hätten beim Bau von drei Schiffen Geld für Leistungen berechnet, die sie gar nicht erbracht hätten. Deshalb wurden Sie 2012 in erster Instanz wegen Untreue verurteilt. Was davon ist geblieben?

Der Vorwurf stimmt nicht, das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof zwischenzeitlich vollständig aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen, und zwar nicht nur aus formalen Gründen. Dieser neue Prozess in Augsburg läuft gerade, und ich hoffe hier auf Sorgfalt und Gerechtigkeit.

 

Zur Person

Harms Bergung Transport & Heavylift ist führender Anbieter von Offshore-Schlepp-Dienstleistungen. Die 1851 gegründete Reederei operiert mit einer Flotte von acht Hochseeschleppern, die in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen entwickelt wurden. Die Reederei ist seit 2001 unabhängig und befindet sich zu 100% in Familienbesitz. Geführt wird das Unternehmen von Michael Albrecht und seinem Sohn Tim. www.harms-bergung.de

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