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“Man muss die Grundentscheidung aus absoluter Überzeugung heraus treffen”

Das 1839 in München gegründete Familienunternehmen Roeckl entwickelte sich vom Königlich Bayerischen Hoflieferanten zum Marktführer in Europa mit 23 eigenen Einzelhandelsgeschäften.

Unternehmeredition: Frau Roeckl, wie wichtig ist für Sie die Einheit von Familie und Unternehmen?
Roeckl:
Das Wort “Familienunternehmen” zeigt bereits, wie verwoben alles ist. Die Identifikation mit der Firma ist mir wichtig. Um ein Unternehmen erfolgreich zu führen, braucht es ein volles “Ja”, weil man sonst die Kraft nicht aufbringen kann. Fünf Generationen vor mir haben ihre Lebensenergie, Lebenszeit und ihr Vermögen dafür eingesetzt, das Unternehmen aufzubauen, das ich heute führe. Das ist wesentlicher Grundstock und Basis der Firma Roeckl. Dieses Erbe und die Verantwortung für die Zukunft verpflichten zum Erfolg sowie zum achtsamen und respektvollen Umgang damit, insbesondere mit den Mitarbeitern. Und es gibt auch die Verpflichtung, das 170 Jahre alte Unternehmen in die Zukunft zu führen.

Unternehmeredition: Wie verlief Ihr Weg ins Familienunternehmen?
Roeckl:
Ich bin mehr oder weniger zufällig dazu gekommen, obwohl das aus dem Mund eines Unternehmerkindes zunächst überraschend klingt. Ich bin kurz nach der Schule mit 21 Mutter geworden und habe dann meine Ausbildung im väterlichen Betrieb begonnen, als mein Sohn alt genug war, um in den Kindergarten zu gehen. Das waren ganz pragmatische Gründe. In der Firma war ich zu Beginn eine Mischung aus Praktikantin und Tochter, und das noch dazu in Teilzeit. Das war nicht einfach. Ein wichtiges Schlüsselerlebnis hatte ich, als meine Mutter, die die Werbung geleitet hatte, durch einen Unfall plötzlich ausfiel und ich dann für sie eingesprungen bin. Da hatte ich plötzlich eine wichtige Aufgabe und Verantwortung. Damals saß ich im Büro meiner Mutter, das im historischen Archiv lag, und war plötzlich mittendrin in der Welt von Roeckl. Da hab ich gemerkt: Das ist interessant, unsere Lederhandschuhe sind sehr hochwertige und ästhetische Produkte.

Unternehmeredition: Was bedeutet es für Sie, sich dem Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne immer wieder neu zu stellen?
Roeckl:
Die Tradition konnte nur entstehen, weil die Lenker früherer Zeiten auch wandlungsfähig waren. Wenn Roeckl heute noch so wäre wie vor hundert Jahren, würden wir binnen einer Woche unsere Existenzberechtigung verlieren. Wichtig ist, das Gute weiterzuführen und das Schlechte aufzugeben. Prinzipen wie Qualität kann man ganz klar fortsetzen, man darf aber die Dinge nicht statisch in die Zukunft tragen. Man muss sie immer wieder anpassen. Als Jugendliche fand ich Traditionen noch verstaubt und unattraktiv. Eine bedeutende Weichenstellung vollzog mein Vater, als er vor 20 Jahren die Produktion in Deutschland geschlossen und in Rumänien aufgebaut hat. Das war eine sehr weise Entscheidung, denn in Deutschland als globalem Höchstlohnland hätte das nicht mehr lange funktioniert. So verfügt Roeckl nach wie vor über eine eigene Produktionsstätte und hat so unmittelbaren Durchgriff auf die Qualitätssteuerung. Das ist sehr wichtig. Wir sind kein reines Handelshaus, sondern haben bis heute die gesamte Wertschöpfungskette im Unternehmen, von der Produktion bis hin zum Vertrieb über unsere eigenen Filialen. Ich habe dieses Erfolgsprinzip auch bei der Erweiterung der Produktgruppen übernommen. Wir haben vor zwei Jahren eine Handtaschenkollektion am Markt eingeführt. Ich habe mich auch in diesem Fall für eine eigene Taschenproduktion in Rumänien entschieden.

Unternehmeredition: Wann haben Sie sich dazu entschieden, das unternehmerische Erbe anzutreten?
Roeckl:
Mein Vater hat sich gegenüber mir und meinen drei Brüdern immer sehr zurückgenommen, hat nie Druck ausgeübt. Dadurch konnte ich meinen eigenen Zugang finden – unter Zwang hätte ich mich schwer getan. Vor dieser Großzügigkeit meines Vaters habe ich auch ganz großen Respekt, auch vor seinem Vertrauen bei der Übergabe. Als er mir die Firma übergeben hat, war er gerade einmal 64 Jahre alt, noch gesund und fit. Zudem hat er ganz konsequent übergeben: Gesellschaftsanteile, Geschäftsführung, operative Tätigkeit. Eine Zeit lang hat er sich noch um die eigene Produktion in Rumänien und den Ledereinkauf gekümmert. So konnte ich erst einmal in die Geschäftsführung des deutschen Betriebs hineinwachsen. Diese Übergangsphase war für uns beide sehr gut.

Unternehmeredition: Ihr Bruder Stefan führt heute die Sparte Sporthandschuhe als eigenes Unternehmen. Wie kam es zu dieser Aufteilung?
Roeckl:
Mein Vater hatte immer zu uns gesagt, wenn mehr als einer von uns in die Firma gehen will, dann wird er sie teilen, weil er der Überzeugung ist, ein Unternehmer muss allein Entscheidungen fällen können. Statistisch gesehen gehen viel mehr Unternehmen an familiären Konflikten zugrunde als an wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Er sagte: Selbst wenn ihr euch gut versteht, was ist mit euren Ehepartnern, euren Kindern? Als mein Bruder sich 1999 entschlossen hatte, ebenfalls in die Firma zu gehen, beschloss mein Vater, ihm den Bereich der Sporthandschuhe zu übertragen. Sport- und Lederhandschuhe, das ist eine sinnvolle Trennungslinie, es sind jeweils in sich geschlossene Geschäftsbereiche. Es war kein einfacher Weg, ein erfolgreich gewachsenes Ganzes zu trennen und zwei neue Erfolgsmodelle daraus zu entwickeln – aber im Endeffekt erwies es sich als nachhaltig und weise.

Unternehmeredition: Hatten Sie Berater in den Generationswechsel eingebunden?
Roeckl:
Ja, das halte ich für sehr wichtig. Auch da möchte ich meinen Vater zitieren, der gesagt hat: Einen Generationswechsel macht man nur einmal im Leben, und er ist ein äußerst kritischer Punkt in der Unternehmensgeschichte. Deswegen ist es sinnvoll, Experten mit an Bord zu holen, die damit schon Erfahrungen gemacht haben. Wir hatten ja eine doppelte Herausforderung zu meistern, mit dem Generationswechsel und der Trennung in zwei Firmen. Da sind steuerliche, organisatorische und psychologische Aspekte mit im Spiel. Wir hatten sogar mehrere Berater: von einem Unternehmensberater über einen Steuerberater bis hin zu einem Coach, der uns im Dialog geholfen hat. Häufig wird in Familienunternehmen gerade über diese wesentlichen Dinge nicht gesprochen, da ist die Übergabe ein Tabuthema. Das war bei uns anders, mein Vater war da sehr offen. Natürlich gab es auch Ängste, Zweifel, Wünsche – und da ist es gut, wenn es einen Dritten gibt, der hier moderiert und unterstützend eingreift.

Unternehmeredition: Was ist Ihr wichtigster Rat an Unternehmer und deren Töchter oder Söhne in Bezug auf die Nachfolge?
Roeckl:
Das Wichtigste ist in meinen Augen Offenheit. Aber auch Großzügigkeit und Toleranz anderen Meinungen gegenüber. Jeder sieht die Dinge anders, und dafür muss Raum sein. Und sich Unterstützung zu holen. Mein Rat an potenzielle Nachfolger: Man muss es aus Überzeugung und gerne tun. Es gibt keinen Job, der immer Spaß macht, aber man muss die Grundentscheidung aus absoluter Überzeugung heraus treffen.
Unternehmeredition: Frau Roeckl, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Annette Roeckl
Annette Roeckl ist geschäftsführende Gesellschafterin der Roeckl Handschuhe & Accessoires GmbH & Co. KG. Nach der Übernahme der Geschäftsführung 2003 baute sie die Accessoires-Linien Tuch, Strick, Taschen- und Kleinlederwaren aus und gründete 2009 eine eigene Taschen-Manufaktur. www.roeckl.com

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