Ingenieur Dräger pocht auf Forschung
In vielen Bereichen sind die Lübecker Weltmarktführer, etwa bei Anästhesie- und Beatmungsgeräten. Um das neue Pulmovista-System, mit dem die Atmung am Patientenbett in jeder Region der Lunge sowohl aktuell als auch im Verlauf vergangener Tage analysiert werden kann, beäugen die Wettbewerber dieses sogenannte Patientenmonitoring mit einem gewissen wohlwollenden Neid. Dräger ist hier stark, auch und vor allem dank der hohen Ausgaben für Forschung und Innovation. Darauf pocht Ingenieur Stefan Dräger beharrlich. Eine Strategie, die sich durchaus lohnt, denn in den Nischen fährt Drägerwerk dicke Gewinne ein. So vermarkten die Norddeutschen sehr erfolgreich ein Tauchgerät, das stundenlanges Abtauchen ermöglicht. Auch bei Gasüberwachungssystemen, die etwa im Bergbau eingesetzt werden, ist Drägerwerk der Konkurrenz überlegen. Dass die Stammaktien der Norddeutschen überhaupt an der Börse notieren, ist einer Kapitalerhöhung geschuldet – die der Refinanzierung eines für Dräger wichtigen Geschäfts mit Siemens diente: Der Münchener Konzern hielt zuvor 25% an der Medizintechnik-Tochter – diesen Anteil kauften die Lübecker 2009 für etwa 250 Mio. EUR zurück. Das Joint Venture war 2003 mit dem Ziel gegründet worden, den Markt für Patientenmonitoring aufzurollen. Doch die Partnerschaft brachte kaum Vorteile.
Führung in fünfter Generation
Die Lübecker „Drägerwerk Verwaltungs AG“, die Stefan Dräger in der fünften Generation führt, existiert seit fast 125 Jahren. Den Grundstein der
„Dreagermen“ retteten Leben am Ground Zero
Feuerwehrleute in Berlin streifen sich Dräger-Atemschutzgeräte bei Häuserbränden über, „Smokejumper“ in den USA gehen damit gegen Waldbrände vor und Bergarbeiter auf der ganzen Welt haben sie für den Fall eines Grubenunglücks immer griffbereit. Das Vertrauen, das die Technik der Hanseaten weltweit genießt, spiegelt sich auch in „Draegermen“ wider. „Das Wort steht sogar im Wörterbuch und ist der offizielle Begriff für die Grubenwehren, die seit über 100 Jahren mit Atemschutz von Dräger ausgestattet sind“, berichtet Dräger-Pressesprecherin Melanie Kamann.
„Schutz vor Torheit der Eigentümer“
Stefan Drägers Onkel Theo ging mit seinem Unternehmen an die Börse, und diese „Doppelnatur als börsennotiertes Familienunternehmen“ bereitet dem heutigen Unternehmenslenker immer noch Freude. „Sie schafft Möglichkeiten für die Finanzierung von weiterem Wachstum. Und gleichzeitig können wir langfristig agieren, ohne unsere Energie auf die Abwehr von feindlichen Übernahmen zu verschwenden. Und diese doppelte Governance-Struktur schützt das Unternehmen besser vor einer möglichen Torheit seiner Eigentümer“, sagt Stefan Draeger gegenüber der „Unternehmeredition“. Von der positiven Unternehmensentwicklung profitiert künftig auch die Belegschaft. Dräger spendiert für jeweils drei vom Mitarbeiter am Markt erworbene Aktien eine Bonusaktie.
Viele Weg zum Glück
Ob eines oder mehrere seiner drei Kinder das Unternehmen fortführen wollen und können, weiß der Dräger-Chef noch nicht – und auch nicht sein Nachwuchs. „Ich wusste mit 18 Jahren auch noch nicht, was ich werden wollte. Nur diese Freiheit hat es mir ermöglicht, letztlich freiwillig diesen Weg zu gehen. Fällt diese bei meinen Kindern anders aus, wird es eine andere Lösung geben für das Unternehmen. Das ist ja das Schöne im Leben: Es gibt beliebig viele Weg zum Glück oder auch zum unternehmerischen Erfolg“, formuliert Stefan Dräger. Er bestärke die Kinder aber, Verantwortung übernehmen zu wollen. Deutschland ohne Familienunternehmen wäre jedenfalls so, „wie es schon einmal in einem Teil von Deutschland war. Es ist immer eine Abwägung zwischen den beiden Werten Gleichheit und Freiheit. Die Freiheit, etwas zu unternehmen und das auf unterschiedliche Weise zu tun, ist auch eine Form von Glück. Eine Voraussetzung dafür ist, dass es so etwas wie Eigentum gibt.“
Thomas Grether
redaktion@unternehmeredition.de
Kurzprofil: Drägerwerk AG & Co. KGaA
Gründungsjahr: 1889
Branche: Medizin-, Sicherheits- und Tauchtechnik
Unternehmenssitz: Lübeck
Umsatz 2012: 2,3 Mrd. EUR
Mitarbeiterzahl 2012: 12.500
Internet: www.draeger.de