Loys AG: „Unterbeliebtheit, Unterinvestiertheit, Unterbewertung – genau das mögen wir“

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Die Unternehmeredition im Gespräch mit Dr. Christoph Bruns, Fondsmanager, Teilhaber und Vorstand der Loys AG, über seine aktuelle Bestandsaufnahme. Der Medienprofi und Anlageexperte ist bekannt für klare Kante und klare Meinungen – wir entlockten ihm ein Bekenntnis zum deutschen Mittelstand. INTERVIEW FALKO BOZICEVIC

Unternehmeredition: Herr Dr. Bruns, wie haben Sie das zweite Quartal dieses denkwürdigen Jahres erlebt und empfunden?
Dr. Christoph Bruns:
Wir haben nichts anderes als einen echten Börsencrash erlebt, und den aus gutem Grund. Und der Crash-Crash, also der Zusammenbruch des Crashs, war genauso vehement – mit Höchstständen an Börsen, wie wir gerade zusammen sprechen. Der Profi darf sich von so etwas nicht allzu sehr beeindrucken lassen, denn gerade in der Krise liegt bekanntlich auch die Chance.

Unternehmeredition: Haben Sie Veränderungen im Anlegerverhalten festgestellt? Falls ja: Ist da auch etwas drunter, das uns als Trend über die letzten Monate hinweg erhalten bleibt?
Dr. Christoph Bruns: Durchaus – ich habe einige Beobachtungen gemacht, die ich erwähnenswert finde. Wir haben im zweiten Quartal eine erstaunliche Anzahl von Depotneueröffnungen gesehen, ganz nach dem Motto: Wenn etwas plötzlich günstiger ist, dann kauft man mal mehr davon. Das ist nicht meine Idee, sondern schwäbisches Gedankengut. Und auch jüngere Leute – im Übrigen sind sie dabei auch gut beraten. Nominal und real sind die Zinsen schon länger negativ, und es könnte ja sein, dass sich hier langsam ein kleines Umdenken andeutet. Das ist neu, und es wäre für die deutsche Börsenkultur eine enorm positive Nachricht.

Unternehmeredition: Wie steht es mit der bekannten Flucht in Sachwerte? – Ein Thema, das jetzt zusätzlichen Rückenwind bekommen hat …
Dr. Christoph Bruns: Die Frage ist natürlich: Werden Aktien seit einigen Monaten vermehrt angesteuert, weil die Anlageklasse per se schon immer die rentierlichste Investition war – und auch bleiben wird –, oder ist sie nur eine Art Notlösung, da praktisch alles andere mehr oder weniger mittlerweile gar nichts mehr taugt? Die Deutschen investieren ja auch nicht groß in Immobilien, und darüber hinaus sind diese nun mal auch, was sie sind: immobil. Bei der Schlussfolgerung bin ich also noch etwas unsicher.

Unternehmeredition: Wie beurteilen Sie die neuen Höchststände bei Nasdaq und S&P in den USA?
Dr. Christoph Bruns: Hier muss man sehen, dass diese Titel eine ziemliche Kopflastigkeit besitzen. Und Unternehmen wie Amazon, Facebook und Apple kaufen zudem noch eigene Aktien an der Börse in Milliardenvolumen zurück – und zwar jährlich, unabhängig vom Kurs. Der Rückenwind ist also artifiziell. Genauso derjenige durch ETFs. Die fragen ja nicht, ob das Unternehmen günstig oder teuer ist, sondern schütten ihre Volumina nach Gießkannenprinzip aus, was die ohnehin schon hoch kapitalisierten Titel noch weiter befeuert. Das ist Börse im Autopilotmodus. Gute Titel dürfen zwar teuer sein, aber sie können auch zu teuer sein. Privat würde ich aktuell keinen Euro in diesen erwähnten kopflastigen Titeln investieren. Es ist ein bekannter Fehler jeder Hausse, dass das Thema Risiko in den Hintergrund tritt.

Unternehmeredition: Sie warnen? Das kennt man von Ihnen aber doch eher weniger.
Dr. Christoph Bruns: Ich erinnere nur mal an das Thema Wirecard: Das kam für die meisten Beteiligten aus dem Nichts. Es steht in keinem Drehbuch, dass dies bei amerikanischen Titeln nicht auch mal wieder übel enden könnte – und historische Beispiele gibt es ja einige. Man darf auch nicht vergessen, dass sich viele Größen mittlerweile selbst ins Gehege kommen: Amazon, Netflix, Apple, Disney mit ihren Streamingdiensten. Die Wachstumsaussichten finde ich nicht ganz so rosig, wie sie an der Börse aktuell gespiegelt werden.

Unternehmeredition: Und die US-Wahl: Non-Event oder möglicher Game Changer?
Dr. Christoph Bruns: Die Berichterstattung zeigt praktisch täglich, und das seit 2017, ein Bild von Donald Trump. Das zeigt, wie wichtig der US-Präsident offenbar ist – nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Wirtschaftswelt. In Japan finden auch Wahlen statt – und Japan ist nicht gerade ein Niemand. Trump ist ein Disrupteur, der Dinge radikal verändert – das gab es so die letzten vier Jahrzehnte nicht bei US-Präsidenten. Natürlich ist die US-Wahl eine wichtige Richtungsentscheidung. Aktuell versuchen Merkel und Macron, den derzeitigen US-Präsidenten auszusitzen – einen Besuch in Deutschland, oder auch die Einladung dazu, hat es bisher nicht gegeben. Die Hoffnung auf Rückkehr zur Kontinuität der letzten fünf Jahrzehnte dürfte der Hintergrund sein. Falls Trump wider Erwarten noch einmal die Wahl gewinnen sollte, kann Europa aber nicht erneut vier Jahre Schockstarre dulden. Vielleicht würde man darüber nachdenken, sich mit Russland oder China eingehender zu beschäftigen als mit dem bis Trump besten Vertrauten seit Ende des Weltkriegs.

Unternehmeredition: Die Unternehmeredition ist für Unternehmer. Die haben ja auch Privatvermögen, sind also gleichzeitig „privat“ wie auch etwas vermögender. Was würden Sie – Stand heute – einem Unternehmer für sein Privatvermögen raten?
Dr. Christoph Bruns: An der Stelle möchte ich erwähnen, dass es inzwischen an den Börsen wie zuvor besprochen eine Art Large Cap-Prämie gibt – das ist historisch einmalig. Bisher waren es stets die Mittelständler und Familienunternehmen, die für Mobilität und schnelleres Wachstum standen und daher große Indextitel häufig out-performt haben, à la longue. Dieses Segment ist aktuell stark vernachlässigt und zeigt eklatante Unterbewertungen, speziell im Vergleich zu den Überbewertungen bei Facebook & Co. Gerade im Mittelstand und gerade in Sektoren, die zuletzt stark gebeutelt wurden, finden Sie aktuell einmalige Chancen: Maschinenbau, Touristik, Hotellerie, Fluglinien. Beim Investieren geht es doch um eine Vieljahresperspektive – und da finden Sie genau das, was wir Fondsmanager mögen: Unterbeliebtheit, Unterinvestiertheit, Unterbewertung. Da müsste das Geld von heute hin.

Herr Dr. Bruns, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre überaus interessanten Einblicke!


ZUR PERSON

Dr. Christoph Bruns ist seit Januar 2005 Fondsmanager, Teilhaber und Vorstand der Loys AG. Loys ist ein Spezialist für wertorientiertes, aktives Aktienfondsmanagement mit Hauptsitz in Oldenburg und Fondsmanagement in Chicago und Frankfurt am Main. www.loys.de

 

 

 

Dieser Beitrag ist erschienen in der Unternehmeredition 3/2020.

Autorenprofil

Falko Bozicevic ist Chefredakteur des GoingPublic Magazins sowie des Anleihe-Portals BondGuide. Seine Schwerpunkte liegen vor allem auf makroökonomischen Themen sowie Investment-Fragen rund um IPOs, Anleihen und Fonds.

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