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Licht am Ende des Tunnels

© Adobe Stock - denisismagilov

Nachdem die Coronakrise bereits deutliche Löcher in zahlreichen Bilanzen hinterlassen hat, wird der Krieg in der Ukraine als „schwarzer Schwan“ gesehen. Steigende Energiekosten, die Inflation nahe dem oder im zweistelligen Bereich und steigende Zinsen bereiten vielen Unternehmen Kopfschmerzen. Kalkulationen, Businesspläne und teilweise ganze Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. Die drängendste Frage:  Wie entwickeln sich Energiepreise, Inflation und Zinsen?

Vor einigen Wochen äußerte sich ein Unternehmen in einem Kapitalmarktgespräch wie folgt: „Da wir Strom sparen müssen, wurde jetzt auch noch das Licht am Ende des Tunnels ausgeschaltet.“ Was man wegen der dramatischen Formulierung als Resignation bezeichnen kann, ist die tatsächliche Sorge um den Fortbestand des Unternehmens und die unternehmerische Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern.

Doch sind die Probleme tatsächlich so groß, wie sie aktuell empfunden werden? Die Älteren werden sich an den Ölpreisschock 1973/1974 und die Folgen sowie den „Volcker-Schock“ ab 1979 unter Jimmy Carter und später Ronald Reagan sowie an die Wirtschaftskrise 2008 erinnern.

Hohe Energiepreise, Unterbrechungen der Warenströme und Lieferketten sowie die steigende Inflation belasten die Unternehmen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Gros der Unternehmen in der Lage ist, diese Herausforderungen zu bewältigen, wenn die handelnden Personen tatsächlich handeln und nicht in Schockstarre verfallen.

Was bedeutet das für Unternehmen mit Kapitalmarktverpflichtungen oder -ambitionen in der aktuellen Situation?

Hier muss man zwischen Verpflichtungen und Ambitionen differenzieren. Was beide eint, ist die Notwendigkeit eines stabilen Geschäftsmodells. Umsatz und Ertrag unterliegen zu allen Zeiten Schwankungen, die unterschiedliche Ursachen haben können: Sei es eine zunehmende Konkurrenz, die Ausweitung des Geschäftsmodells und damit verbundene Investitionen oder notwendige und sinnvolle Ausgaben für Forschung und Entwicklung, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wertbeständigkeit von Anleihen stärker hinterfragt

Die größten Sorgen machen sich – das ergibt sich aus zahlreichen Gesprächen in den letzten Monaten – diejenigen Unternehmen, die ihre Kapitalmarktverbindlichkeiten in den nächsten 18 Monaten ablösen oder refinanzieren müssen. Die aktuelle Situation an den Börsen bekräftigt das Unbehagen, denn die Gläubiger sind zunehmend kritischer geworden und hinterfragen die Wertbeständigkeit der Anleihen in ihrem Depot deutlicher als noch zu Jahresbeginn.

Eine intensive Beobachtung und das Hinterfragen der Wertbeständigkeit einer Anlage ist nicht gleichbedeutend mit einer Trennung von derselben. Im Gegenteil: Die Abwägung der Risiko-Rendite-Korrelation führt zu höherer Qualität in den Portfolios der Investoren und bietet den Schuldnern, die ein stabiles Geschäftsmodell haben, neue Möglichkeiten – unabhängig davon, ob eine Tilgung der Anleihe oder eine Refinanzierung durch Begebung einer Folgeanleihe geplant war oder ist.

„Cash is King“

Bei einer ursprünglich vorgesehenen Tilgung stellen sich die meisten Emittenten heute die Frage, ob es klug ist, dem Unternehmen zweistellige Millionenbeträge an Liquidität zu entziehen, denn besonders in schwierigen Zeiten gilt bekanntlich „Cash is King“. Der vorsichtige Kaufmann wird versuchen, dies zu beherzigen, und über die mögliche Refinanzierung mittels einer Folge- oder Umtauschanleihe nachdenken; genauso wie all diejenigen Emittenten, die bereits mit einer Refinanzierung geliebäugelt haben.

Eine neue Anleihe birgt besonders in herausfordernden Zeiten einige Risiken und ist zudem teuer und zeitaufwendig. Das größte Risiko neben den nicht unerheblichen Kosten ist das Platzierungsrisiko. Auch wenn das Geschäftsmodell in Krisenzeiten stabil ist, wird der eine oder andere Gläubiger über eine Rückzahlung erfreut sein, aber nicht wieder neu investieren. Sich allein auf das Gelingen einer Refinanzierung zu verlassen, kann existenzgefährdend sein, wie sich an der Insolvenz der Joh. Friedrich Behrens AG tragisch verfolgen ließ.

Empfehlenswert: Prolongation bestehender Anleihen

Eleganter und sicherer ist die Prolongation einer bestehenden Anleihe unter Zuhilfenahme des Schuldverschreibungsgesetzes. Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht um eine negativ belegte Restrukturierung, sondern um die Anpassung der Anleihebedingungen an die aktuellen Gegebenheiten des Kapitalmarkts. Eine Fachpublikation beschrieb es treffend mit den Worten: „Wirtschaftlich entspricht die Anpassung der Emission einer neuen Anleihe mit neuer Laufzeit und neuen Konditionen.“

Die größten Vorteile sind:

Mit einer guten Vorbereitung und einem sinnvollen Angebot ist der Erfolg nahezu garantiert. Zwar muss in der (zweiten) Gläubigerversammlung ein Quorum von mindestens 25,0% erreicht werden und eine qualifizierte Mehrheit (mindestens 75,0%) den Beschlussvorschlägen zustimmen. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass die Anleihegläubiger akzeptable Konditionen mit den notwendigen Quoren und Mehrheiten annehmen.

Krisensicheres Geschäftsmodell entscheidend

Anders stellt sich die Situation dar, wenn ein Unternehmen das erste Mal den Gang an den Kapitalmarkt mit einer Anleihe beabsichtigt. War dies mit einem interessanten Geschäftsmodell und einer guten Bond-Story vor zwölf bis 18 Monaten noch relativ problemlos möglich, haben sich die Zeiten seitdem deutlich geändert.

Heute muss das Geschäftsmodell krisensicher und nachvollziehbar solide sein. Außerdem bedarf es zwingend einer vernünftigen Antwort auf die Frage, warum man in einer schwierigen Phase den Schritt an den Kapitalmarkt wagt. „Weil wir das Geld brauchen“ ist hier definitiv unangebracht. „Weil sich gerade jetzt Opportunitäten auftun, die wir nutzen möchten“ stößt hingegen auf offene Ohren und kann zum Erfolg führen.

In fast jeder Unternehmungsplanung gibt es Bestrebungen und Pläne, energieeffizienter, ökologischer und nachhaltiger zu wirtschaften. Es gilt daher unbedingt zu prüfen, ob diese Ziele sich mit der Emission eines Sustainability-Linked Bond oder eines Green Bond vereinen lassen. Während beim Green Bond die Mittelverwendung zweckgebunden ist, ist das Unternehmen bei der Verwendung der Mittel aus einem Sustainability-Linked Bond frei. Hier besteht die Besonderheit, dass vorher definierte ESG-Ziele in einem festgelegten Zeitraum umzusetzen sind, da sonst der Kupon ansteigt.

Die Ansätze für ESG-Anleihen sind vielfältig und Unternehmen wissen häufig nicht, wie viele der definierten Punkte sie bereits umsetzen oder durch kleine Anpassungen im Betrieb umsetzen könnten. Hier bedarf es, wie in den oben geschilderten Fällen auch, einer eingehenden Beratung.

FAZIT

Ist ein Unternehmen solide aufgestellt, ist es weniger von Belang, ob Umsatz und Ertrag weiter steigen. Entscheidend sind nachvollziehbare Stabilität und die Leistbarkeit von Zins und Tilgung.

Das Licht am Ende des Tunnels ist nicht erloschen. Es leuchtet hell, zumindest bei genauer Betrachtung. Um es mit den Worten von Warren Buffett zu sagen: „Seien Sie ängstlich, wenn die Welt gierig ist, und seien Sie gierig, wenn die Welt ängstlich ist.“

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Unternehmeredition-Magazinausgabe 4/2022.

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