Schlechte Noten für Geldgeber (Ausgabe 2/2009)

Ergebnisse einer exklusiven Umfrage zur Finanzierung im Top-Mittelstand von Compamedia und UnternehmereditionDer globale Konjunktureinbruch, die Bankenkrise und die Verwerfungen an den Kapitalmärkten gehen auch am deutschen Mittelstand nicht spurlos vorüber: Rund 70% der Unternehmen beurteilen die gegenwärtige Finanzierungssituation als “mittelmäßig”, rund 25% sogar als “schlecht”.

Der globale Konjunktureinbruch, die Bankenkrise und die Verwerfungen an den Kapitalmärkten gehen auch am deutschen Mittelstand nicht spurlos vorüber: Rund 70% der Unternehmen beurteilen die gegenwärtige Finanzierungssituation als “mittelmäßig”, rund 25% sogar als “schlecht”. Insbesondere die Banken scheinen den Geldhahn immer weiter zuzudrehen. Die aktuelle Kreditvergabebereitschaft der Finanzinstitute bewertet fast die Hälfte der Mittelständler (47,2%) als “mittelmäßig”, die andere Hälfte (44,4%) als “schlecht”. Dies sind Hauptergebnisse einer Umfrage zum Thema “Finanzierung im Top-Mittelstand”, die die Compamedia GmbH im März 2009 in Kooperation mit der Unternehmeredition durchgeführt hat.

Umfrage und Teilnehmer
Die Studie richtete sich an 581 Geschäftsführer (ca. 90%) und Finanzierungsexperten (ca. 10%) mittelständischer Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen, die zwischen 2005 und 2008 das Gütesiegel “Top Job” für vorbildliches Personalmanagement oder “Top 100” für ihre herausragende Innovationskraft erhalten haben (siehe Info-Kasten auf Seite X). Bei einer Rücklaufquote von mehr als 13% beteiligten sich 73 Unternehmen an der Umfrage. Ziel ist es, mehr über das aktuelle Finanzierungsverhalten des “Top-Mittelstands” zu erfahren.

Genutzte Finanzierungsformen
In Bezug auf die aktuell am stärksten genutzten Kapitalressourcen zeigen die befragten Mittelständler zunächst ein klassisches Bild. Jeweils zwei Drittel von ihnen setzten derzeit auf Leasing und Bankkredite, knapp die Hälfte auf Gesellschafterdarlehen. Im konjunkturellen Abschwung gehen mit den Umsätzen auch die Erträge zurück, deswegen können aktuell nur knapp 40% der Unternehmen einbehaltene Gewinne zur Finanzierung verwenden – etwas mehr als staatliche Fördermittel und Lieferantenkredite. Die Aufgeschlossenheit der befragten “Top 100” und “Top Job”-Firmen gegenüber innovativen Finanzierungsformen scheint jedoch größer zu sein als im Gesamtdurchschnitt des deutschen Mittelstandes. Immerhin nutzen knapp 10% Factoring, knapp 7% Mezzanine, und knapp 3% sind börsennotiert oder haben eine Private Equity-Gesellschaft an Bord. Dagegen sind Anleihen und die Privatplatzierung von Schuldscheinen kaum ein Thema für die befragten Unternehmer.

Diese Finanzierungsformen nutzt der “Top-Mittelstand”
Rang / Finanzierungsform / Anteil der Unternehmen

1. Leasing 71,2%
2. Bankkredite 69,9%
3. Gesellschafterdarlehen/-einlagen 47,9%
4. Gewinnthesaurierung 39,7%
5. Staatliche Fördermittel 37%
6. Lieferantenkredite 35,6%
7. Factoring 9,6%
8. Mezzanine-Kapital 6,8%
9. Börsengang 2,7%
10. Private Equity 2,7%
11. Anleihen 1,4%
12. Privatplatzierung von Schuldscheinen 1,4%
13. Kapitalerhöhung (bei börsennotierten Unternehmen) 0%

Schulnoten für Finanzierungsformen
“Bei welchen Finanzierungsformen können Sie derzeit Schwierigkeiten feststellen? Bei welchen läuft es gut?” – in den Antworten zu diesen Fragen konnten die Unternehmen Schulnoten von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) vergeben. Das Urteil fiel hart aus: Keine Geldquelle erhielt im aktuell stürmischen Finanzumfeld die Bestnoten “sehr gut” oder “gut”. Mit einer Durchschnittsnote von lediglich 2,5 teilen sich Gesellschaftsdarlehen-einlagen und Leasing den Spitzenplatz – gefolgt von Gewinnthesaurierung (2,6), Factoring (2,9) und staatlichen Fördermitteln (3,0). Das Mittelfeld führt immerhin noch der Bankkredit (3,1) an, der die Nase knapp vor dem Lieferantenkredit (3,2) hat. Schlechter als befriedigend schneiden dagegen Mezzanine-Kapital (3,5), Anleihen (3,7), Private Equity (3,7) und die Privatplatzierung von Schuldscheinen (3,9) ab. Das absolute Schlusslicht stellt der Börsengang (5,1) dar – angesichts des aktuell desaströsen Kapitalmarktumfeldes kein Wunder.

Aktuelle Schulnoten für Finanzierungsformen (1-6)

Rang / Finanzierungsform / Durchschnittsnote
1. Gesellschaftsdarlehen/-einlagen (2,5)
1. Leasing (2,5)
2. Gewinnthesaurierung (2,6)
3. Factoring (2,9)
4. Staatliche Fördermittel (3,0)
5. Bankkredit (3,1)
6. Lieferantenkredit (3,2)
7. Mezzanine-Kapital (3,5)
8. Anleihen (3,7)
8. Private Equity (3,7)
9. Privatplatzierung von Schuldscheinen (3,9)
10. Börsengang (5,1)

Fazit:

Unternehmen des bei den Arbeitgeber- und Innovations-Wettbewerben “Top Job” sowie “Top 100” ausgezeichneten “Top-Mittelstandes” zeigen sich auch in Finanzierungsfragen dynamisch. Auch wenn derzeit kein Finanzierungsinstrument wirklich gut abschneidet, so nutzen mehr als der Durchschnitt des deutschen Mittelstandes Private Equity, Mezzanine oder den Börsengang. Angesichts der sinkenden Kreditvergabebereitschaft der Banken dürfte die Bedeutung dieser und anderer alternativen Geldquellen in den kommenden Jahren weiter zunehmen.

Benchmarking im Mittelstand: “Top 100” und “Top Job”

Die Compamedia GmbH hat sich auf die Organisation von Benchmarkingprojekten für den Mittelstand spezialisiert. Seit 1993 ermittelt das Unternehmen aus Überlingen am Bodensee Jahr für Jahr bundesweit die 100 innovativsten Mittelständler und zeichnet sie mit dem Gütesiegel “Top 100” aus. Schirmherr von “Top 100” ist Lothar Späth, wissenschaftlicher Leiter Prof. Dr. Nikolaus Franke, Wirtschaftsuniversität Wien (siehe Interview Seite X). 2002 folgte das Projekt “Top Job – Die 100 besten Arbeitgeber im Mittelstand”, das unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Heike Bruch, Universität St. Gallen, und der Schirmherrschaft von Wolfgang Clement die Qualitäten der Unternehmen im Personalmanagement unter die Lupe nimmt. Ferner startete Compamedia 2005 zusammen mit Mentor Ulrich Wickert die Initiative “Ethics in Business”. Weitere Informationen unter: www.topjob.de, www.top100.de, www.compamedia.de

Markus Hofelich
markus.hofelich@unternehmeredition.de

Autorenprofil
Vorheriger ArtikelMehr Bürokratie für Unternehmen (Ausgabe 1/2009)
Nächster ArtikelWegweiser durch die Krise