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Leasing in Gefahr?

Einige Leasingverpflichtungen müssen Unternehmen künftig in der Bilanz ausweisen. Allerdings nur, wenn die IFRS-Regeln in europäisches Recht übernommen werden. Die negativen Effekte auf das Leasing werden allerdings schon vorher spürbar sein. 

Am 13. Januar 2016 hat der International Accounting Standards Board (IASB) mit IFRS 16 das lange andauernde, aber nicht von jedermann ersehnte Großprojekt zur Reform der Leasingbilanzierung nach IFRS abgeschlossen. Weitreichende Änderungen ergeben sich insbesondere für die bilanzielle Abbildung von Leasing- und Mietverhältnissen aus der Perspektive des Leasingnehmers. Eine bislang noch mögliche Behandlung von Leasingtransaktionen (sogenanntes Operating Lease) als schwebendes Geschäft, welche sich nicht in der Bilanz niederschlagen, sondern nur zu Aufwand bei Zahlung der Leasing-/Mietrate führen, scheidet künftig aus. Für die bilanzielle Abbildung beim Leasinggeber werden die bestehenden Regeln fortgeführt. Es kommt zum Nebeneinander konzeptionell sich nicht vertragender Vorgaben.

Ausnahmen für kleinere Unternehmen

Seit 2005 verfolgt der IASB – mit dem Argument des höheren Informationsgehalts – die Absicht, für alle Leasingverträge von Leasingnehmern eine Ansatzpflicht zu schaffen. Global betrachtet betragen die Leasing- und Mietverpflichtungen kapitalmarktorientierter Unternehmen ca. 3,3 Bio. US-Dollar. Davon sind als Verbindlichkeit – als Konsequenz einer Klassifizierung als Finance Lease als Gegenteil zum Operating Lease – lediglich 15 Prozent passiviert, erscheinen also mit einem korrespondierenden Vermögenswert „on balance“. Für 85 Prozent der vertraglich begründeten Verpflichtungen findet sich hingegen im Einklang mit den bestehenden Vorgaben zur Leasingbilanzierung weder eine Verbindlichkeit noch ein Vermögenswert, es erfolgt eine Behandlung als schwebendes Geschäft.

Die reformierten Vorgaben zur bilanziellen Abbildung von Leasingverhältnissen schließen eine Fortführung off balance aus. Alle Miet- und Leasingverhältnisse mit einer Laufzeit, die einen Zeitraum von zwölf Monaten übersteigt, schlagen sich – als Nutzungsrecht (Right of Use Asset) und Verbindlichkeit – in der Bilanz des Leasingnehmers nieder. Ein Vorsitzender des IASB wird daher künftig nicht in einem Flugzeug fliegen müssen, welches bilanziell nicht abgebildet ist. Neben den kurzfristigen Leasingverhältnissen sind – wahlweise – nur solche Vereinbarungen von den neuen Vorgaben ausgenommen, die eine Nutzungsüberlassung von Vermögenswerten mit geringem (Anschaffungs-)Wert vorsehen. Als Anhaltspunkt nennt der IASB einen (Neu-)Wert von 5.000 US-Dollar, Leasingvereinbarungen über Mobiltelefone, PCs und ausgewählte Büroausstattung sollen auch künftig off balance bleiben können. Die Erleichterung soll insbesondere kleinen und mittelgroßen Unternehmen zugutekommen. Da die Vorgaben auf einzelne Leasingvereinbarungen ausgerichtet sind, können auch künftig durchaus wesentliche Verpflichtungen, etwa 2.000 angemietete Laptops mit einem Einzelwert von 2.000 Euro, die zu einer Leasingverpflichtung von 4 Mio. Euro führen, bilanziell unberücksichtigt bleiben.Einige Leasingverpflichtungen müssen Unternehmen künftig in der Bilanz ausweisen. Allerdings nur, wenn die IFRS-Regeln in europäisches Recht übernommen werden. Die negativen Effekte auf das Leasing werden allerdings schon vorher spürbar sein. 

Branchen unterschiedlich stark betroffen

Die Auswirkungen der neuen Bilanzierungsregeln sind umstritten. Insofern die Erleichterungen nicht in Anspruch genommen werden können, ergibt sich für die Unternehmen ein erheblicher Aufwand. Vorgesehen ist eine retrospektive Anwendung der Vorgaben, die nach aktuellem Recht noch nicht bilanziell erfassten Leasingverhältnisse sind allesamt neu zu beurteilen. Es sind somit zwangsläufig Beurteilungen anhand von Informationen erforderlich, die bislang nicht pflichtweise zu erheben waren. Mit der – nun pflichtweisen – Aufbereitung aller Informationen geht aber ein Mehr an Informationen einher, zumindest für den Leasingnehmer. Für die Adressaten der Rechnungslegung gibt es auch mehr, insbesondere mehr Bilanzsumme.

Die Auswirkungen der neuen Vorgaben auf die Bilanzen der Leasingnehmer schwanken in Abhängigkeit von den Branchen. Erheblich betroffen sind Unternehmen, die im Handel tätig sind, da Verkaufsflächen in den meisten Fällen angemietet werden. In einer eigens angefertigten Studie geht das IASB von einer Ausweitung der globalen Bilanzsummen der kapitalmarktorientierten (Handels-) Unternehmen um rund 21 Prozent aus. Gleichzeitig soll sich der Verschuldungsgrad um 48 Prozent auf 126 Prozent erhöhen. Der Ausgleich der Differenz, die der retrospektiven Anwendung der neuen Vorgaben geschuldet ist, schlägt sich im Eigenkapital nieder. Hier gibt es auf jeden Fall nicht mehr. Ähnliche Auswirkungen sind für Unternehmen, die Flugzeuge anmieten, die Reise- und Freizeitindustrie sowie das Transportwesen zu erwarten.Einige Leasingverpflichtungen müssen Unternehmen künftig in der Bilanz ausweisen. Allerdings nur, wenn die IFRS-Regeln in europäisches Recht übernommen werden. Die negativen Effekte auf das Leasing werden allerdings schon vorher spürbar sein. 

Negative Folgen für das Leasing

Durch die künftige pflichtweise Erfassung von Verpflichtungen on balance kann – auch nach Auffassung des IASB – das Leasing als Finanzierungsform an Bedeutung verlieren. Ohne Bewerbung der Vorteile von Leasingvereinbarungen werden gegebenenfalls klassische Kreditvereinbarungen, über die ein Kauf von bislang geleasten Vermögenswerten erfolgt, mehr nachgefragt werden. Die Auswirkungen – insbesondere die massive Erhöhung der Finanzschulden – sollen nach Auffassung des IASB die Finanzierungskonditionen der Leasingnehmer grundsätzlich nicht verschlechtern. Seitens der Analysten und Finanzierungsgeber seien die bestehenden Verpflichtungen aus Off-balance-Miet-und-Leasingverhältnissen bereits eingepreist. Die Pflicht zur bilanziellen Abbildung schafft daher keine neuen Fakten, sondern soll nur bestehende Unsicherheiten bei der Analyse beseitigen. Das IASB verweist darauf, dass ausstehende Leasingverpflichtungen von Ratingagenturen und vielen Banken und Finanzinstituten bereits jetzt in ihren Analysen berücksichtigt werden. Die künftige Darstellung innerhalb der Bilanz anstatt außerhalb in den Erläuterungen dazu beseitige nur Unsicherheiten bei der Analyse.

Fazit

Die sich aufdrängende Frage nach der Notwendigkeit der Reform der Leasingbilanzierung, wenn die Informationen zu den nicht bilanzierten Verpflichtungen bereits vorhanden sind, lässt sich nicht abschließend beantworten. Die Gleichung „Mehraufwand + Mehrbilanzsumme = Mehrinformation“ geht für den IASB daher auf.

Es bleibt aber ein (Rest-)Risiko, also eine weitere Unbekannte für die Gleichung. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen entfalten die IFRS-Regeln nur Wirkung, wenn diese formal in europäisches Recht (Endorsement) übernommen werden. Der IASB sieht als verpflichtendes Anwendungsdatum den 01.01.2019 vor, der europäische Übernahmeprozess ist noch nicht angestoßen worden. Die Auswirkungen der neuen Bilanzierungsvorschriften auf den Leasingmarkt und die Reichweite der negativen Effekte werden schon vorher zu spüren sein.


Zur Person

(© BDO AG)

Dr. Jens Freiberg ist Wirtschaftsprüfer, Partner und Leiter der Zentralabteilung Rechnungslegung bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. BDO zählt mit über 1.900 Mitarbeitern an 26 Standorten zu den führenden Gesellschaften für Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Advisory Services. www.bdo.de

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