Wirtschaftsprognosen: Weiter schlechte Nachrichten

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Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bleibt düster. Der ifo Geschäftsklimaindex ist weiter gesunken. Seit Mai dieses Jahres geht es stetig bergab. Mit dieser schlechten Nachricht beginnen wir die Übersicht über aktuelle Wirtschaftsprognosen.

Nach den heute vom Münchener ifo Institut veröffentlichten Zahlen waren die Unternehmen in Deutschland mit ihren laufenden Geschäften weniger zufrieden. „Die deutsche Wirtschaft steht vor einem schweren Winter“, erklärte Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts. Die kleine positive Nachricht besteht darin, dass sich der Ausblick der Unternehmen geringfügig verbessert hat. Im verarbeitenden Gewerbe seien laut ifo-Auswertung die Auftragsbücher zwar weiterhin voll, aber es kämen immer weniger neue Aufträge hinzu. Auch im Dienstleistungssektor sind die Zahlen nicht wesentlich besser, auch wenn die Aussichten „etwas weniger pessimistisch“ seien. Im Handel bleiben die Geschäftserwartungen düster – vor allem im Einzelhandel. Weiter steil bergab geht es in der Baubranche.

S&P: Beschleunigte Talfahrt

Die Talfahrt der deutschen Wirtschaft hat sich im Oktober nach Aussage des Informationsdienstleisters S&P Global weiter beschleunigt. Ausschlaggebend für den vierten Rückgang der Wirtschaftsleistung in Folge seien laut den Umfrageteilnehmern die negativen Auswirkungen der hohen Energiepreise auf die Kosten und die Nachfrage. Auch die Erwartungen würden wegen der Sorge über den anhaltend starken Inflationsdruck, die steigenden Zinsen und Rezessionsängste „ausgesprochen pessimistisch“ bleiben. Der S&P Global Flash Deutschland Composite Index Produktion sank auf den tiefsten Wert seit den ersten Corona-Lockdowns Anfang 2020. Besonders stark sei die Industrieproduktion zurückgefahren worden – eine Folge der hohen Energiekosten. Auch bei den Auftragseingängen geht es laut S&P weiter bergab. Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P Global Market Intelligence, kommentiert: „Die Composite-PMI-Flashes zeigen, dass sich die Talfahrt der deutschen Wirtschaft zu Beginn des vierten Quartals 2022 beschleunigt hat und die Anzeichen für eine bevorstehende Rezession in der größten Volkswirtschaft der Eurozone zugenommen haben. Angesichts beschleunigter Schrumpfungsraten sowohl bei der Industrieproduktion als auch bei der Geschäftstätigkeit im Servicesektor und rapide sinkender Neuaufträge zeigte sich die Schwäche auf breiter Front.”

Der ZEW-Indikator weiter im Minus

Die ZEW-Konjunkturerwartungen steigen in der aktuellen Umfrage vom Oktober 2022 geringfügig um 2,7 Punkte an. Aber die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland geht jedoch abermals stark zurück. Damit hat sich der Konjunkturausblick für Deutschland, trotz des leichten Anstiegs der Erwartungen, deutlich verschlechtert. „Die ZEW-Konjunkturerwartungen steigen im Oktober geringfügig an. Allerdings wird die aktuelle wirtschaftliche Situation abermals deutlich schlechter eingeschätzt als im Vormonat. Die Wahrscheinlichkeit für einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes im Laufe der nächsten sechs Monate ist zudem erheblich angestiegen. Insgesamt hat sich der wirtschaftliche Ausblick somit erneut verschlechtert“, kommentiert ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach die aktuellen Ergebnisse. Die Inflationserwartungen für die Eurozone sinken im Oktober recht stark.

Kreditzugang verschlechtert

Im dritten Quartal ist die KfW-ifo-Kredithürde für kleine und mittlere Unternehmen steil angestiegen. 27,9% der befragten Mittelständler, die sich in Kreditverhandlungen befanden, stufen das Verhalten der Banken nunmehr als restriktiv ein. Das ist ein deutlicher Zuwachs Die Kredithürde für den Mittelstand hat damit ein neues Rekordhoch seit Einführung der aktuellen Befragungsmethodik im Jahr 2017 erreicht. Über Schwierigkeiten beim Kreditzugang klagten die Dienstleistungsanbieter am häufigsten, gefolgt vom Verarbeitenden Gewerbe, dem Bauhauptgewerbe und dem Handel. „Angesichts der drohenden Rezession, der massiven Energieverteuerung und steigender Zinsen war mit mehr Vorsicht seitens der Banken und einer Eintrübung der Finanzierungsbedingungen zu rechnen“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, zu den aktuellen Zahlen.

Einen ähnlichen Trend stellte auch das Münchener ifo Institut fest. Aktuell würden 24,3% der Unternehmen in Kreditverhandlungen von einer Zurückhaltung der Banken berichten. Laut der ifo-Experten sei das der höchste Wert seit 2017. „Die aktuell ungünstige wirtschaftliche Entwicklung lässt die Banken vorsichtiger werden. Für manche Unternehmen könnte das wirtschaftliche Überleben ohne neue Kredite schwierig werden“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen.  Besonders stark sei die Zurückhaltung bei Dienstleistungsunternehmen, der chemischen Industrie und bei Automobilherstellern. Bei Kleinstbetrieben und Soloselbstständigen beklagen sogar rund die Hälfte der Unternehmen, dass es derzeit schwierig sei, Kredite zu kommen.

„Pulverdampf“ über dem Mittelstand

Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise hat sich die Stimmungslage im deutschen Mittelstand deutlich verschlechtert. Die aktuelle Herbstumfrage der Creditreform Wirtschaftsforschung zeigt einen markanten Rückgang des Geschäftsklimaindex (CGK). Der Einbruch war laut der Analyse ähnlich stark wie im Coronajahr 2020. Die Berechnung des Creditreform Geschäftsklimaindex basiert auf einer Befragung von gut 1.200 kleinen und mittleren Unternehmen. „Der Mittelstand befindet sich seit fast drei Jahren in einer Ausnahmesituation bisher ungekannten Ausmaßes. Die Wirtschaft leidet massiv unter dem Energiepreisschock und der Verteuerung anderer Rohstoffe. Die Eskalationsspirale in Osteuropa verhindert die notwendige Erholung der deutschen Unternehmen nach der Corona-Zeit“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Die Auftrags- und Umsatzlage im Mittelstand zeige bereits unverkennbar Krisenanzeichen. Dabei sei der Energienotstand noch keineswegs vollumfänglich auf die Geschäftslage der Unternehmen durchgeschlagen. Noch stärker als die Lageeinschätzungen haben sich laut Creditreform die Geschäftserwartungen im Mittelstand verschlechtert. Vielfach blicken die befragten Unternehmen pessimistisch in die Zukunft. „Die kurze Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Corona-Zeit dürfte nicht ausgereicht haben, um die damaligen Einschnitte bei Kapitalrücklagen und Eigenkapitalquoten wieder auszugleichen“, erläutert Hantzsch.

Betriebe leiden unter den Energiekosten

Seit Kriegsbeginn in diesem Frühjahr hat sich die Stimmung in den Unternehmen erheblich eingetrübt. Dabei sind die stark gestiegenen Energiepreise für die kleinen und mittleren Unternehmen der Unsicherheitsfaktor Nummer Eins. In einer Nachbefragung zum KfW Mittelstandspanel aus dem September 2022 nennen 62% der Mittelständler dies als Belastung für ihr Unternehmen. Energiekosten auf sehr hohem Niveau dürften nach der Erhebung für einen längeren Zeitraum wahrscheinlich sein. Eine knappe Mehrheit der Mittelständler gibt an, damit auch langfristig zurande zu kommen. Bei weiteren rund 13% aller Mittelständler fallen die Energiekosten kaum ins Gewicht, die Frage nach der Tragbarkeit stelle sich daher nicht. Für ebenfalls rund 13% aller Mittelständler seien die hohen Energiekosten dagegen eine erhebliche Mehrbelastung, die sie auf die Dauer finanziell überfordern würden. „Vor allem für energieintensive Unternehmen des mittelständischen Verarbeitenden Gewerbes ist die Belastung hoch“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Hier würden sich Preissteigerungen auch viel stärker bemerkbar machen. Damit sei ein Teilsegment des Mittelstands von den aktuellen Entwicklungen betroffen, dessen gesamtwirtschaftliches Gewicht mit Blick auf Beschäftigung, Umsätze oder Investitionen beträchtlich über ihrem reinen Anteil an der Anzahl der Unternehmen liege. Wenn eine Vielzahl gerade dieser Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geriete, wären nach Einschätzung der KfW-Experten die Auswirkungen entsprechend überproportional.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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