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Klein und gefragt – Teil 2

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

Lust auf mehr Privatleben

Doch warum sollte ein Mittelständler sein Unternehmen in fremde Hände legen? „Ein Grund ist oft ein fehlender Nachfolger“, sagt Stephan Jansen, Geschäftsführender Gesellschafter des deutschen Standortes der international tätigen M&A-Beratung Beyond the Deal (BTD) in Frankfurt. So wie im Fall der Alber-Brüder und AAT. Zuweilen kann es aber auch einfach der Wunsch nach mehr Privatleben sein – wie bei Frank Sommerfeldt, dem Inhaber des alteingesessenen Kölner Reifen-Großhändlers Reifen Schäfer „Ich wollte gern mehr reisen, mich stärker um meine Familie kümmern“, sagt Sommerfeldt. Daher entschloss er sich, den Bereich Reifen- und Autoservice zu verkaufen. Gemeinsam mit Willi Issel und Jörg Ortmann von der Beratung für Unternehmensverkauf Avandil aus Düsseldorf machte er sich auf die Suche nach einem Käufer. Schon nach relativ kurzer Zeit fanden Issel und Ortmann  den Großkonzern Pirelli, der den Geschäftsbereich in der ersten Jahreshälfte 2017 übernahm.


„Ich wollte gern mehr reisen, mich stärker um meine Familie kümmern“

Unternehmer, Reifen Schäfer


Sommerfeldt ist mit dem Kaufpreis sehr zufrieden. „Ich denke, es war die richtige Entscheidung, einen Teil der Firma zu veräußern“, sagt er. Den Betrieb ganz aufzugeben, sei für ihn noch kein Thema gewesen. „So bleibe ich Unternehmer und habe gleichzeitig mehr Freiraum“, erklärt er. 2018 möchte er erst einmal über den Jakobsweg pilgern.

So leicht wie Frank Sommerfeldt trennen sich allerdings nicht viele Lenker kleiner mittelständischer Unternehmen. Angesichts der hervorragenden Konjunktur sind sie meist auch nicht dazu gezwungen. Die im Schnitt guten Erträge, die sich derzeit gerade im Technologiesektor oder im E-Commerce erwirtschaften lassen, möchten sie selbst mitnehmen. Hinzu kommt ein weiterer ganz wesentlicher Grund dafür, dass die Firmenchefs eher verkaufsunwillig sind: Ist das Unternehmer veräußert, stehen die ehemaligen Inhaber vor demselben Problem wie die Finanzinvestoren: Das Kapital aus dem Verkauf muss gut angelegt werden. Doch da mangelt es eben an Anlageformen, die adäquate Renditen bringen.

Mittelständler treiben selbst die Preise

So sind es nicht zuletzt die Mittelständler selbst, die mit ihrer Unlust am Verkauf die Preise für die Firmen nach oben treiben, die schließlich doch übernommen werden. „Stabile Unternehmen im Mid-Cap-Bereich, sogenannte Primaries, die bei Investoren enorm gefragt sind, haben im Moment extrem viele Angebote“, weiß von Alten. Noch können sie es sich leisten, auf den Käufer ihrer Wahl zu warten und eine stattliche Summe zu verhandeln. Gut für kleine Firmen, für die das Preisniveau damit indirekt ebenfalls nach oben gezogen wird.

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

„Mittelständler, denen bewusst ist, dass sie als kleiner Wettbewerber keine Chance gegen große Player in ihrer Branche haben, können von dem derzeit positiven Verkäufermarkt profitieren“, sagt Experte Schmidl. Gerade die Industrie 4.0 treibe Unternehmer dazu, ihre Firmen lieber an einen schlagkräftigen großen Konkurrenten abzugeben, als sie langfristig schließen zu müssen. „Und in Zukunft werden voraussichtlich immer mehr Mittelständler dem Tempo und dem technologischen Transformationsdruck, den die Industrie 4.0 hervorruft, nicht mehr standhalten können“, vermutet Schmidl.

So erging es auch der Sahlberg GmbH & Co. KG. Das Unternehmen mit Sitz in Feldkirchen bei München ist ein technischer Händler und Spezialist für Arbeitsschutz, Gummi und Kunststofferzeugnisse. In Bayern ist Sahlberg führend, doch der technische Handel befindet sich im Umbruch. Wettbewerber aus anderen europäischen Ländern drängen nach Deutschland, versuchen sich mit Firmenkäufen hier ihre Position zu sichern. „Das führt dazu, dass sich immer größere Handelsstrukturen bilden“, sagt Bernd Quade, der bei Sahlberg 2014 als externer Geschäftsführer die Firmenleitung von der Unternehmerfamilie übernommen hat.

Daher suchte Quade nach einem passenden großen Käufer, der Sahlberg fortführen könnte. Schließlich entdeckte er die österreichische Haberkorn Gruppe, die ihre Hauptsitze in Wolfurt im Bundesland Vorarlberg und in Wien hat. Das Unternehmen führt die Branche des technischen Handels in Österreich an. Der Deal kam zustande. Für Sahlberg hat der Verkauf den Vorteil, dass das Unternehmen im Verbund mit Haberkorn eine Größe erreicht, die eine Digitalisierung der Verkaufsstrukturen ermöglicht. Darum käme ein technischer Händler im Zuge der Industrie 4.0 auf die Dauer nicht herum. „Die notwendigen Investitionen können kleinere Unternehmen allein einfach nicht stemmen“, sagt Quade.

Quelle: Bureau van Dijk

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

Sahlberg schrieb vor dem Verkauf immerhin einen Umsatz von knapp unter 50 Mio. Euro und zählt damit nicht zu den echten Small Caps. Gerade Inhabern kleiner Unternehmen rät Experte Schmidl jedoch, einen Verkauf nicht zu lange hinauszuzögern, falls die Situation ihn erforderlich macht. Stattdessen sollten sie die gute Marktlage nutzen. Das gilt auch für Firmenchefs, die sich in naher Zukunft in den Ruhestand verabschieden möchten.

Warten kann Preis drücken

„Wer sich eigentlich über einen Verkauf aus der Firma zurückziehen will, diesen Wunsch aber nicht in die Tat umsetzt, handelt oft nicht mehr unternehmerisch“, sagt Schmidl. Dann werden Investitionen auf die lange Bank geschoben, und das Unternehmen verliert technologisch den Anschluss. Damit sinkt der Firmenwert. „Kommt es in einigen Jahren letztlich doch zum Verkauf, lässt sich oft bei Weitem nicht mehr der Preis erzielen, der heute möglich wäre“, mahnt der Experte. Ex-AAT-Chef Thomas Alber bereut es zumindest nicht, dass er Anfang 2017 den Absprung geschafft hat.


Gründe, die für einen Verkauf sprechen

 Nachfolge
Findet sich kein geeigneter Nachfolger, der das Unternehmen fortführen kann und möchte, sollten die Inhaber kleinerer mittelständischer Unternehmen in der aktuell günstigen Marktlage über einen Verkauf nachdenken. Selbst Firmenlenker, für die eine Übernahme durch einen Investor bisher keine Option war, sollten diese aufgrund der hohen Preise jetzt ernsthaft in Erwägung ziehen. Wer sich noch nicht für einen Verkauf entscheiden kann, sollte die Firma mit Unternehmergeist fortführen, bis die Nachfolge geregelt ist. Bleiben etwa Investitionen und technische Neuerungen aus, kann der Firmenwert sinken – und damit der Kaufpreis.

 Teilweiser Ausstieg
Es muss nicht immer gleich ein kompletter Verkauf sein. Wer derzeit lediglich einen bestimmten Geschäftsbereich oder aber Anteile am Unternehmen veräußern möchte, sollte ebenfalls nicht zu lange zögern. Auch daran besteht bei Strategen und Finanzinvestoren großes Interesse.

 Wachstumssprung
Ist es nicht möglich, Wachstum, das der Markt durchaus hergeben würde, aus eigener Kraft zu finanzieren, kann ein Firmenverkauf oder die Veräußerung von Anteilen aktuell durchaus sinnvoll sein.

 Technologischer Anschluss
Wer nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um das eigene Unternehmen technologisch auf den neuesten Stand zu bringen, sollte überlegen, ob ein Verkauf nicht die bessere Lösung ist. In Zeiten der Industrie 4.0 laufen gerade kleine Mittelständler Gefahr, hinter dem technologischen Fortschritt zurückzubleiben und den Anschluss zu verlieren. Unter dem Dach einer Unternehmensgruppe etwa lässt sich dieses Risiko verringern.

 Marktkonsolidierung
In Branchen wie der IT, der Telekommunikation, in der Medizintechnik oder im Bereich der Automobilzulieferer findet derzeit eine Konsolidierung statt. Wer erkennt, dass er als Einzelkämpfer zwischen immer größeren Playern kaum noch überleben kann, sollte die Chancen nicht übersehen, die ein Unternehmensverkauf zu akzeptablen Preisen bietet.

 

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