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Klein und gefragt – Teil 1

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ist keine einfache Sache. Thomas Alber ist es gelungen. Über 20 Jahre lang hatten er und sein Bruder Markus an der Spitze der AAT Alber Antriebstechnik GmbH mit Sitz im schwäbischen Albstadt gestanden. Beide hielten 50 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das flexible Treppensteigsysteme sowie Zusatzantriebe für die Rehabilitations- und Transporttechnik herstellt.

Mehr als zwei Jahrzehnte führten die Alber-Brüder ihr Unternehmen, das zuletzt mit knapp 80 Mitarbeitern 18 Mio. Euro Umsatz erzielte. „Aber wenn man wie ich 60 Jahre alt ist, wird es Zeit, sich Gedanken über die Nachfolge zu machen“, sagt Thomas Alber. Seine Kinder wollten die Firma nicht übernehmen, beim Nachwuchs des Bruders sah es ebenso aus. „Wir hätten auch einen Geschäftsführer einstellen können, aber der Markt ist aufgrund zunehmender Regulierung sehr schwierig geworden“, berichtet Alber. Daher, dachten die Firmeninhaber, sei es nicht verkehrt, sich einen großen Bruder zu suchen. Ein größeres, gut aufgestelltes Unternehmen also, das AAT übernehmen würde.

Unternehmen heiß begehrt

Finanzinvestoren wie Vermögensverwalter, Family Offices und allen voran Private-Equity-Fonds sowie -Gesellschaften stehen in Zeiten eines dauerhaft niedrigen Zinsniveaus und hoher Aktienbewertungen unter Anlagedruck. Beteiligungen an vielversprechenden Unternehmen sind daher heiß begehrte Assets. Zudem drängen Strategen aus Europa, Nordamerika und China auf den Markt. Ganz gezielt suchen sie nicht nur nach großen Unternehmen, sondern vermehrt nach Mittelständlern. Der Grund: Sie wollen sich die gut ausgebildeten Fachkräfte, den Kundenstamm oder das Know-how deutscher Firmen sichern. Oder sich einen Zugang zum hiesigen Markt verschaffen. Waren es in den vergangenen Jahren aber vor allem mittlere und große Mittelständler mit Umsätzen zwischen 50 und 250 Mio. Euro oder gar mehr, so rücken kleine Unternehmen langsam ins Visier der Investoren oder sie gehen selbst auf die Suche.

Als die Verkaufsentscheidung gefallen war, wandte sich AAT-Chef Alber an die Münchner Aquin & Cie. AG, die Unternehmen bei Firmenkäufen, -verkäufen und Fusionen (Mergers & Acquisitions, kurz: M&A) berät. Bereits seit zehn Jahren bestand zwischen Aquin-Vorstand Jürgen Kuttruff und Alber ein guter Kontakt. „So gingen wir 2016 gemeinsam daran, einen geeigneten Käufer für AAT zu finden“, berichtet der ehemalige Firmenchef. Das Projekt lief zügig an, bald schon hatte Alber mehrere Angebote auf dem Tisch. „Auf unserer Short List landeten zwei potenzielle Käufer, mit denen wir Gespräche führten“, erzählt Alber. Ein Finanzinvestor war dabei – und die Reac AB, die wie AAT unter anderem in der Rehabilitationstechnik unterwegs ist.

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

Sie gehört zur schwedischen Industrieholding Latour. Dass hinter dem strategischen Käufer seines Unternehmens eine Beteiligungsgesellschaft steht, stört Alber nicht. „Latour hält ihre Beteiligungen extrem lange, und unsere Ansprechpartner von der Reac waren uns von Anfang an sehr sympathisch“, berichtet er. Schnell hatten die Alber-Brüder das Gefühl, ihre Firma in gute Hände geben zu können. Nachdem sie sich mit den potenziellen Käufern über wesentliche Punkte wie Preis und Mietvertrag einig waren, gingen die Due Diligence, die Prüfung des Zielunternehmens auf Herz und Nieren sowie die weiteren Verhandlungen rasch über die Bühne.

Freuen sich über den gelungenen Firmenverkauf: Thomas Alber, Jürgen Kuttruff und Markus Alber (v.l.n.r.)

Anfang 2017 war der Deal unter Dach und Fach. Über den Preis bewahrt Thomas Alber Stillschweigen, er ist jedoch zufrieden: „Vielleicht hätten wir sogar eine noch höhere Summe erzielen können, wenn wir noch fünf Jahre gewartet hätten“, sagt er. Schließlich hätten er und sein Bruder operativ aber nicht wesentlich länger im Unternehmen bleiben wollen. „Ich denke, wir haben für den Verkauf wirklich einen guten Zeitpunkt erwischt“, so Alber.

 

Heiße Phase im M&A-Markt

Mit seiner Einschätzung liegt der ehemalige AAT-Chef, der in den Beirat wechseln wird, sobald ein neuer Firmenlenker gefunden ist, durchaus richtig. Der Markt für M&A im deutschen Mittelstand floriert, die Preise, die im Durchschnitt gezahlt werden, liegen noch einmal höher als im bisherigen Boomjahr 2016. Die Stimmung ist so angeheizt, wie es zuletzt kurz vor der Finanzkrise der Fall war. Manche M&A-Experten beschwören bereits eine neue Blase herauf, während andere das Ende der Fahnenstange noch längst nicht sehen.

„Natürlich finden gerade Finanzinvestoren noch immer mittelgroße Unternehmen großartig, die einen Umsatz von gut 50 Mio. Euro erwirtschaften, deren Betriebsergebnis vor Steuern bei 20 Prozent des Umsatzes liegt, die jedes Jahr um 20 Prozent wachsen und auch schon eine zweite Managementebene eingezogen haben“, sagt Aquin-Vorstand Jürgen Kuttruff. Das Problem dabei sei nur: Solche Mittelständler sind aktuell nur sehr selten zu haben. Entweder sind sie in den Jahren, seit der M&A-Markt nach der Finanzkrise wieder angezogen hat, bereits veräußert worden. Oder ihre Inhaber sehen überhaupt keinen Anlass für einen Verkauf. Und sollte dies doch der Fall sein, so werden, ebenso wie bei großen Unternehmen, enorm hohe Preise aufgerufen. „Daher ist bei Finanzinvestoren, aber auch bei Strategen in jüngster Zeit ein Trend zu kleineren Firmen mit Umsätzen unter 50, sogar unter 20 Mio. Euro Umsatz zu erkennen“, erklärt Kuttruff.

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

Die Zahlen für das erste Halbjahr 2017 des renommierten Anbieters für internationale Firmeninformationen Bureau van Dijk sprechen für diese Entwicklung. So ist die Anzahl aller Firmenkäufe in der DACH-Region im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zu 2015 von 2.530 auf 2.880 geklettert. In der ersten Jahreshälfte 2016 lag sie auf ähnlich hohem Niveau wie in diesem Jahr. Auch der Gesamtwert der Übernahmen kletterte von 109 Mrd. auf 161 Mrd. Euro im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2016. Bei der Zahl der Transaktionen landet Deutschland nach Großbritannien auf Rang zwei.

Deutlicher Preisanstieg

Die Preisentwicklung ist in der Tat beträchtlich. „Im vergangenen Jahr haben die Summen, die Investoren für deutsche Unternehmen zu zahlen bereit waren, gegenüber 2015 noch einmal um fünf bis zehn Prozent angezogen“, sagt Sebastian Göring von der Unternehmensberatung Euroconsil aus Stuttgart. Dabei hatten M&A-Experten bereits das erste Halbjahr 2015 als „All Time High“ ausgerufen. Je nach Branche belief sich die Kaufsumme für große Mittelständler mit Umsätzen über 250 Mio. Euro im Gesamtjahr 2016 gängigen Datenbanken zufolge auf EBIT-Multiples von bis zu zehn. Das bedeutet: Käufer legten im besten Fall das Zehnfache des Geschäftsergebnisses vor Zinsen und Steuern hin. Inzwischen sind Investoren bereit, das Zwölffache zu zahlen. Im mittleren Segment, also für Mittelständler, die Umsätze zwischen 50 und 250 Mio. Euro schreiben, lassen sich EBIT-Multiples von bis zu zehn erzielen. Da ist es kein Wunder, dass Firmenkäufer sich verstärkt kleinere Unternehmen anschauen, bei denen sich die Multiples noch zwischen fünf und acht bewegen.

Hinter dem Anstieg der Kaufpreise steht der immer weiter zunehmende Appetit in- und ausländischer Investoren auf den deutschen Mittelstand. „Wir sehen derzeit sowohl Finanzinvestoren als auch Strategen quasi aus aller Herren Länder“, sagt Florian von Alten, Vorstand der M&A-Beratung Oaklins Angermann AG in Hamburg. Zwar sei die Zahl der Transaktionen mit deutscher Beteiligung im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum etwas zurückgegangen. Deutlich häufiger haben dagegen deutsche Unternehmen im Ausland zugeschlagen. „Der Markt in Deutschland läuft aber immer noch hervorragend“, ist von Alten überzeugt. „Wir werden ein sehr aktives zweites Halbjahr 2017 sehen.“

Der Markt für Firmenübernahmen im deutschen Mittelstand floriert. Strategische Käufer und Finanzinvestoren stehen Schlange und treiben mit ihren Angeboten die Preise in die Höhe. Weckten bisher größere Mittelständler ihr Interesse, stehen nun immer öfter auch kleine Unternehmen auf der Einkaufsliste. Firmenchefs, die verkaufen möchten, sollten nicht zu lange warten.

Erhöhte Risikobereitschaft

Den klaren Verkäufermarkt treiben zum einen Finanzinvestoren. Gut betuchte Privatanleger und Family Offices, die das Geld ihrer sehr vermögenden Kunden verwalten, suchen nach renditeträchtigen Anlageformen. „Da Anleihen kaum noch Zinsen abwerfen und Aktien vielfach überwertet sind, schauen sie sich immer öfter nach Sachwerten um“, weiß Euroconsil-Experte Göring. Mittelständische Unternehmen erscheinen hier bestens geeignet. „Die gute Konjunktur hat dazu beigetragen, dass auch viele kleinere Firmen in den vergangenen Jahren ihre Umsätze kontinuierlich gesteigert haben“, erklärt Göring. Das erhöht auf Investorenseite die Risikobereitschaft. „Zusammen mit dem Leitzins der Europäischen Zentralbank, der angesichts der überaus robusten Wirtschaftslage für Deutschland viel zu niedrig ist, lassen sich mit Unternehmensbeteiligungen oder -käufen natürlich sehr positive Renditen erzielen“, sagt Göring.

Private-Equity-Fonds, die viel Geld am Markt eingesammelt haben, stehen noch stärker unter Anlagedruck als die Vermögensverwalter. Ihren Investoren gegenüber sind sie dazu verpflichtet, ihr Kapital innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, oft binnen fünf Jahren, deutlich zu mehren. Und nicht zuletzt sind auch kleinere Private-Equity-Gesellschaften, hinter denen kein Fonds-Modell steht, auf der Suche nach Unternehmensbeteiligungen, die sich lohnen.

Neben den Finanzinvestoren tummeln sich schon seit einigen Jahren zunehmend Strategen auf dem M&A-Markt für deutsche Mittelständler. „Neben den niedrigen Zinsen haben hier auch chinesische Unternehmen dafür gesorgt, dass die Preise stark gestiegen sind“, sagt Patrick Schmidl, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Deutsche Mittelstandsfinanz GmbH in Frankfurt. Ihr Interesse habe bislang eher größeren Firmen gegolten, mit deren Übernahme sie sich vor allem interessante Technologien, den Zugang zum deutschen und europäischen Markt sowie zu Kunden sichern wollten. „Kleine Mittelständler kamen weniger infrage, solche Transaktionen waren in der Umsetzung einfach zu kompliziert“, erläutert Schmidl. Denn: Je kleiner das Zielunternehmen, desto stärker muss der Käufer nach dem Erwerb das Management austauschen und eigene Führungskräfte vor Ort einsetzen. Im Endeffekt kann sich der Kraftaufwand lohnen, der nötig ist, um kulturelle Unterschiede zu überwinden.

„Wenn chinesische Unternehmen eine bestimmte Technologie oder ein für sie wichtiges Know-how unbedingt wollen, dann ist ihnen die Größe eines Unternehmens egal, und sie zahlen außergewöhnliche Preise“, erklärt Schmidl. Das habe zu den gestiegenen Multiples beigetragen. „Es ist auch möglich, dass sich Investoren aus dem Reich der Mitte künftig mehr auf kleinere Firmen konzentrieren werden“, sagt Schmidl. Die Regierung prüft bei großen Transaktionen derzeit genau, ob sie einen deutlichen Nutzen für die chinesische Volkswirtschaft bringen. Auf diese Weise möchte sie Devisenabflüsse ins Ausland verringern. „Kleine Firmenübernahmen rutschen in einem Genehmigungsverfahren leichter durch.“

Lesen Sie morgen Teil 2 der Titelgeschichte.

 

 

 

 

 

 

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