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Julius Brink: „Es ist immer ein Vorteil, Teams divers aufzustellen“

Die glücklichen Goldmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen in London 2012: Jonas Reckermann (li.) und Julius Brink (re.); Foto: © Hoch Zwei

Julius Brink braucht man wohl den wenigsten vorstellen. Spätestens nachdem er 2012 zusammen mit seinem Beach-Partner Jonas Reckermann die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in London gewann, kennt ihn fast jeder. Als erster europäischer Beachvolleyballer nennt er zudem drei WM-Medaillen sein Eigen – wir haben ihn befragt.

Unternehmeredition: Wie erleben Sie als ehemaliger Leistungssportler das Leben danach?

Julius Brink: Als Leistungssportler hat man meist die Chance, nacheinander zwei ganz unterschiedliche Berufe auszuüben. Das Leistungssportlerleben ist schon sehr intensiv, man versucht, sich mit der Lupe in einer Nische breit zu machen. Wenn man sich anschaut, was wir da im Sportlichen erreicht haben, so haben wir uns mit den zehn Besten gemessen.

Oft misst man sich im späteren beruflichen Leben nicht mehr mit den zehn Besten seiner Branche. Leistungssport ist ein ganz besonderer Beruf. Danach findet etwas völlig anderes statt, das weniger glamourös ist und sich oft auch mehr im Privaten abspielt. Allerdings ist es auch nicht so, dass ich vorher nur Erfolg gehabt hätte. Von den zwei Malen, die ich an den Olympischen Spielen teilgenommen habe, habe ich einmal gewonnen und einmal als letzter abgeschnitten. Oft wird vergessen, dass Misserfolg zum Erfolg dazu gehört.

Sie waren einer der, wenn nicht der erfolgreichste deutsche Beachvolleyballspieler aller Zeiten. Wie kam es zu diesem Erfolg?

Wichtige Faktoren sind Leidenschaft und Leistungsbereitschaft. Und das gilt meines Erachtens unabhängig vom Talent, das man mitbringt. Talent ist zwar gut, es hat ein bisschen die Funktion eines Brandbeschleunigers, aber man kann auch ohne Benzin Brände auslösen, um mal im Bild zu bleiben.

Aber so ein Feuer muss in einem lodern, damit man am Ende erfolgreich ist. Es trägt einen auch durch schwierigere Phasen, die meiner Ansicht nach zu jeder Entwicklung und zum Erfolg dazugehören.

In meinem konkreten Fall kam hinzu, dass ich sehr gute Partner an meiner Seite hatte, die mich besser gemacht haben. Zum einen ist es im Beachvolleyball oftmals so, dass die Spielpartner wie Puzzleteile ineinander greifen. Aber ich spreche auch vom Team drumherum. Beispielsweise haben Jonas Reckermann und ich, ohne auf charakterliche Dinge zu achten und den harmonischeren Weg zu gehen, unser Beraterteam so zusammengestellt, dass wir rein von der Qualität her einen Wettbewerbsvorteil erzielen konnten. Wir waren nämlich körperlich eigentlich nicht ebenbürtig mit den athletischeren Teams aus Brasilien oder den USA. Im Sinn der Trainerqualität waren wir die Nummer Eins, spielerisch sicher nicht. Beachvolleyball ist eine sehr athletische, körperliche Sportart. Mit 1,86 Metern Größe war ich einer der kleinsten Medaillengewinner überhaupt. Da hat man dann einfach Nachteile und muss viele Dinge sehr viel innovativer und risikofreudiger angehen, um Vorteile zu erzielen.

Worauf kommt es beim Zusammenspiel der Partner beim Beachvolleyball an?

Es ist ja im Beachvolleyball immer so, dass es zwei Allrounder sind, die die Sportart zusammen ausführen. Weil das Anforderungsprofil eben sehr groß und breit ist im Gegensatz zum Hallenvolleyball, wo sechs Individualisten orchestriert werden müssen. Im Beachvolleyball müssen zwei Protagonisten alle Techniken beherrschen. Jonas Reckermann und ich waren aber charakterlich und auch in der Art und Weise der Lebensführung komplett verschieden, was wir letztendlich kaum beeinflussen konnten. Ohne uns zu verstellen, hatten wir in vielen Dingen ein großes Maß an Diversität. Und das haben wir sehr bewusst herausgestellt und gesagt, okay, trotzdem glauben wir, dass wir das beste deutsche Team sein können.

Zu der Zeit war es so, dass eher zwei Typen zusammengespielt haben, die sich gut verstehen. Wir waren sehr verschieden und haben auch nicht versucht, eine große Freundschaft daraus zu machen. Vielmehr haben wir unsere Energie in die Prozesse miteinander gesteckt, sei es beispielsweise, um Kritik zu äußern und Kritikfähigkeit zu erlernen, also klassische Dinge, die auch im Unternehmertum eine sehr wichtige Rolle spielen. Dafür haben wir uns einen Teampsychologen als Coach ins Team geholt.

Ich bin ein sehr emotionaler Typ, Jonas Reckermann ist ein sehr kühler, rationaler Mensch. Somit haben wir per se unterschiedliche Sichtweisen auf Spielszenen, Drucksituationen und Rückschläge. Ein emotionaler Typ braucht nach einer Niederlage länger, um wieder ins Rationale zurückzukommen, während der Partner das ziemlich schnell wieder kann.

Was waren ihre größten Momente?

Das waren natürlich die Erfahrungen rund um die Olympischen Spiele in London 2012, der Gewinn der Goldmedaille. Auch das Gefühl, das uns während des ganzen Turniers getragen hat: Das war so ein Zustand, den man als Flow bezeichnen kann, in dem man eine Unbeschwertheit fühlt, Schlüsselmomente hat und ein Gefühl von Unbesiegbarkeit in sich spürt, in dem man einfach Freude und Genugtuung darüber empfindet, was man gerade macht. Man ist im hier und jetzt und vollkommen bei sich. Das war ein sehr schöner Moment, den wir weder vorher noch nachher so jemals erlebt haben.

Gab es Rückschläge und welche Lehren konnten sie daraus ziehen?

Die Erfahrungen rund um die Situation meiner ersten Olympischen Spiele in Peking 2008. Das war zu einer Zeit, in der ich eigentlich glaubte, sehr weit gekommen zu sein. Ich hatte da etwa zwei Drittel meiner aktiven Zeit hinter mir.  Weit über ein Alter von 30 Jahren dauert so eine Karriere ja nicht an. Mein größter Traum war es ursprünglich, einmal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Das allein hat mich damals sehr befriedigt. Und das war wohl auch das Problem, denn wenn man per se schon mit einem Erfolg hinfährt, gibt es nichts zu gewinnen. Mit meinem damaligen Partner Christoph Dieckmann sind wir dann deutlich unter unseren Möglichkeiten geblieben.

Das hat mir gezeigt, dass ich in gewissen Dingen meine Grenze erreicht habe und einen anderen Weg, einen neuen Zugang benötige.  Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich jemand gewesen, der glaubte, mit sehr viel Elan alles aus sich rausholen zu können. Nun erkannte ich, dass es sich lohnt,  Fähigkeiten zu erlernen, wie beispielsweise ein Teamplayer zu sein, Kritik zu üben und einzustecken oder sich selbst und dem Partner gegenüber Schwächen zu offenbaren. Innovativ zu sein, Dinge zu riskieren, Zeit in etwas zu investieren, von dem man gar nicht weiß, ob es Erfolg versprechend ist, das Tal der Tränen zu durchlaufen und nicht wegzurennen, sondern Niederlagen sachlich zu analysieren. Das alles waren Auslöser für meinen späteren Erfolg.

Warum Beachvolleyball?

Ich habe mit sieben Jahren angefangen, wie mein älterer Bruder Hallenvolleyball zu spielen und alle Jugendmannschaften durchlaufen. Dabei zeigte sich, dass es für mich aufgrund meiner körperlichen und spielerischen Voraussetzungen keinen Weg gab, mich im Hallenvolleyball für Olympia zu qualifizieren. Hallenvolleyballer sind wie schon erwähnt Individualisten, die in einem Orchester zusammenspielen. Ich aber war Allrounder, konnte alles ein bisschen. So war schnell klar, dass Beachvolleyball die deutlich bessere Sportart für mich war. Denn ich wollte unbedingt zu den Olympischen Spielen gelangen und das war für mich nur über den Beachvolleyball zu erreichen.

Sie arbeiten regelmäßig als Moderator, halten Talks und Vorträge oder treten bei Showwettkämpfen auf. Wie wird man vom Sportler zum Entertainer?

Beides hat ein verbindendes Element: die Öffentlichkeit. Man tut das, was man gerne macht, in der Öffentlichkeit. Als Leistungssportler unterhält und entertaint man ja auch, aber in erster Linie geht man seiner Profession nach. Ob das dann gefällt, entscheiden Zuschauer, ist für den sportlichen Erfolg aber nebensächlich.  Wenn ich jetzt Vorträge halte, bin ich das also gewohnt. Ich habe ein gesundes Verhältnis zur Öffentlichkeit und betrachte es als normal oder sogar als schöner, wenn Zuschauer da sind. Zuschauer haben mir immer Kraft gespendet. Deswegen ist es für mich naheliegend, weiter in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich bin auch bereit, fast jeden Spaß mitzumachen. Allerdings würde ich mich nicht der Lächerlichkeit Preis geben. Als Vater möchte ich meinen Kindern (Junge 6, Mädchen 2) nicht peinlich sein.

Was ist Ihnen bei ihren Auftritten wichtig?

Was mir sehr viel Spaß macht, sind die Anfragen aus der Wirtschaft. Ich liebe es, Brücken zu schlagen zu den Erfahrungen, die ich als Beachvolleyballer auch in meiner Rolle als Unternehmer gesammelt habe,  darunter Erfahrungen eines diversen Teams, mit Gleichberechtigung oder im Umgang mit Chefs mit unterschiedlichen Stärken. Es geht dabei um den Diversity-Faktor, für den Jonas Reckermann und ich – wenn auch ganz unbewusst – standen, weil wir einfach gesagt haben, wir kümmern uns nicht darum, ob wir gleich sind. Es macht mir Spaß, im Austausch mit einem Unternehmen an genau diesen Punkten anzusetzen und die Prozesse und Situationen abzugleichen.

Ich glaube, es ist immer ein Vorteil, Teams divers aufzustellen, ausgerichtet am Anforderungsprofil, das sie zu lösen haben, und dann in deren Betreuung zu investieren. Das ist genau das, was wir mit Jonas Reckermann hatten. Wir waren in der Lage, Antworten auf die Fragen zu geben, die an diverse Teams gestellt werden. Das ist besser als nur zu fragen, wer mit wem gut kann.

Welche Bedeutung hat für Sie eine Karriere als Unternehmer?

Das Unternehmerische ist ja etwas, das unsere Sportart mit sich bringt. Als Hallenvolleyballer bin ich Angestellter in einem Verein, habe einen ganz klaren Auftrag, was meine Arbeitszeiten angeht, und einen Trainer, der mir Dinge vorgibt, die ich zu tun habe. Im Beachvolleyball ist es genau das Gegenteil: Ich bin mein eigener Herr und treffe Entscheidungen selbst. Ich muss Gehälter an meine Trainer bezahlen und Reisekosten kalkulieren. Man gründet sogar eine GbR. In erster Linie geht es um den sportlichen Erfolg und nebenher ist man unternehmerisch tätig und nutzt Wettbewerbsvorteile dahingehend, um sportlichen Erfolg zu begünstigen. Das hat mir nach der Karriere sehr geholfen, weil ich schon Erfahrung in vielen solchen Dingen hatte, zum Beispiel wusste ich, wie man Budgetpläne aufstellt, was ein Kostenkorridor ist, welche Gehälter man zahlen muss, wie man jemanden entlässt oder Mitarbeitergespräche führt.

Wie wichtig ist es für Sie gewesen, mit ihrer sportlichen Tätigkeit Geld zu verdienen?

Als Beachvolleyballer ist man sich im Klaren darüber, dass man, wenn man diesen Berufsweg einschlägt, finanziell niemals so wie andere Leistungssportler für seine Entbehrungen entschädigt werden wird. Was die Arbeitszeit angeht, da gibt es keine Mindestlohnaspekte. Und das darf und sollte auch niemals der erste Treiber sein, um etwas zu tun.

Ich bin zuletzt gottseidank in eine Situation gekommen, dass ein gewisses Preisgeldniveau herrschte und nach den Wettkämpfen die eine oder andere wirtschaftliche Möglichkeit bestand. Wenn man das jedoch aufwiegt gegen den frühen Karrierestart, das Hintenanstellen von Schule und Ausbildung etc., dann steht das in keinem Verhältnis.

Wo sehen Sie Ihre Zukunft?

Ich habe für mich entschieden, dass ich es sehr genieße und es mir sehr viel Kraft und Freude gibt, viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Es dient für mich als Gegenpol zum Reisestress, den ich als Sportberater immer noch habe, auch wenn ich kein klassisches Büroleben führe.

Mir macht es sehr viel Spaß, unsere Sportart im Digitalen weiterzuentwickeln und in der Berichterstattung aufzutreten, und das möchte ich auch gerne so fortsetzen. Es erfüllt mich mit Freude, anderen Menschen meine Sportart zu erklären und ihnen deren Schönheit vor Augen zu führen. Diese Sportart ist sehr pur, die Regeln sind recht einfach. Es gibt eine 2,43 Meter hohe Schnur und zwei Menschen auf 64 Quadratmetern, die drei Kontaktmöglichkeiten haben. Das Ganze am Strand und in der Sonne. Das ist ein sehr familientauglicher Sport, ob Mann oder Frau, Alt oder Jung, Männer können mit Frauen auf hohem Niveau spielen, ohne dass sich vom Körperbau her unbedingt Vorteile ergeben müssen, es ist eine sehr gute „Wiedereinstiegsportart“, um auch im etwas gehobenen Alter wieder Sport zu treiben, integrativ, verbindend, weltweit gespielt, der also auch Antworten auf die Probleme unserer Zeit geben kann.


ZUR PERSON

Foto: © Camp David

Julius Brink ist ein ehemaliger deutscher Beachvolleyballspieler und Olympiasieger. Bereits im Alter von sieben Jahren begann er mit dem Volleyball spielen und gewann in verschiedenen Jugendklassen diverse Meister- und Vizemeistertitel. 2005 schaffte er den internationalen Durchbruch: Bei der Beachvolleyball-Weltmeisterschaft in Berlin gewann er mit seinem Team die Bronze-Medaille. Mit Teamkollege Jonas Reckermann wurde er 2009 Weltmeister. 2012 holten sie bei den Olympischen Spielen in London Gold. 2014 musste Julius Brink seine Karriere als Profi-Beachvolleyballer verletzungsbedingt beenden. Heute ist er als Keynote-Speaker bei Workshops und Vorträgen sowie in seinem eigenen Web-TV-Format „Gold trifft Goldhoffnung“ zu sehen.


KURZPROFIL

Geboren: 1982 in Münster

Beruf: Ehemaliger Olympiasieger im Beachvolleyball, Unternehmer, Keynote Speaker, TV-Experte, Student Sportbusiness Management

Hobbys: Oldtimer, Gärtnerei, Sport

Größte Erfolge: 5x deutscher Meister, 3x Europameister, 1x Weltmeister, 1x Olympiasieger

www.brinkreckermann.de

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