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„Irgendwann wird die Gurke Feinkostartikel sein“

Die Gurke gehört zum Spreewald wie die Weißwurst zu München. Doch das saure Original ist in Gefahr: Der Mindestlohn macht Bauern und Herstellern zu schaffen. Das Familienunternehmen Rabe aus Lübbenau produziert in der fünften Generation Gürkchen und andere regionale Köstlichkeiten. Die Preissteigerung zwingt es zum Umdenken.

Unternehmeredition: Herr Belaschk, was hat sich seit der Einführung des Mindestlohns bei Ihnen verändert?

Belaschk: Mich als Betrieb stört der Mindestlohn ja gar nicht so sehr – den habe ich meinen Angestellten sowieso schon gezahlt. Direkt betroffen ist die Landwirtschaft, weshalb sich die Rohwarenpreise stark verteuert haben. Bei einem handgepflückten Produkt wie der Gurke ist der Lohnkostenanteil am Endprodukt sehr hoch. Und da wir im Spreewald sind und Spreewaldgurken herstellen, können wir jetzt nicht einfach die Gurken von irgendwo anders billig aus dem Ausland zukaufen.

Das heißt für Sie konkret?

Für uns bedeutet das natürlich eine Verminderung der Konkurrenzfähigkeit – wir haben ja nicht nur Wettbewerber im Inland, die auch dem Mindestlohn unterliegen. Wir konkurrieren auch mit Importen aus dem Ausland, also mit Gemüsekonserven aus der Türkei, Vietnam, Indien und Osteuropa. Die haben natürlich keinen Mindestlohn, und ja: Der Deutsche möchte sein Gemüse eben sehr preiswert einkaufen. Das macht uns natürlich zu schaffen.

Sie rechnen mit einer 60-prozentigen Verteuerung der Rohware, das wirkt sich auch auf Ihre Preise aus – wie kommt das bei den Kunden an?

Wir müssen die Kostensteigerung irgendwie durchreichen. Die Handelsketten sind unsere größten Kunden, und die legen das auf den Verbraucher um. Letztendlich entscheidet er, ob es ihm wert ist, das deutsche, regionale Produkt zu kaufen. Das Problem ist, dass die Schere zwischen dem Preiseinstieg und der deutschen Markenproduktion immer größer wird. Irgendwann ist ein Teil der Verbraucher nicht mehr bereit, diesen Mehrpreis zu bezahlen und greift dann doch eher zum Billigprodukt – selbst wenn die Qualität der deutschen Produkte besser ist.

Zu behaupten, der Mindestlohn kam komplett aus dem Nichts, wäre falsch – war die Branche schlecht vorbereitet?

Den Preis im Vornherein langsam zu erhöhen ist nicht möglich. Die Handelsketten üben einen großen Preisdruck aus. Wir kalkulieren ja nicht nur im Cent-, sondern im Zehntel-Cent-Bereich. Mit den Handelsketten wird wirklich bis aufs Messer verhandelt – die sind allmächtig, gerade gegenüber so einem kleinen Mittelständler wie uns. Unsere Marktmacht ist minimal – wir können zufrieden sein, wenn wir überhaupt noch schwarze Zahlen schreiben.Die Gurke gehört zum Spreewald wie die Weißwurst zu München. Doch das saure Original ist in Gefahr: Der Mindestlohn macht Bauern und Herstellern zu schaffen. Das Familienunternehmen Rabe aus Lübbenau produziert in der fünften Generation Gürkchen und andere regionale Köstlichkeiten. Die Preissteigerung zwingt es zum Umdenken.

Das bedeutet für die Spreewaldgurke: Hoch im Preis und eine neue Nische anpeilen?

Richtig. Wenn das so weitergeht, wird sie irgendwann Feinkostartikel sein…

Denken Sie darüber nach, das Gurkengeschäft als Feinkostproduktion an den Rand zu stellen und stattdessen den Fokus auf andere Lebensmittel zu legen?

So in etwa. Die Spreewaldgurke wird es schon noch geben – sie wird sich behaupten können. Aber die Menge wird geringer. Bereits jetzt sind die Absatzmengen aller Gurkenbetriebe im Spreewald rückläufig. Wir müssen uns entweder gesund schrumpfen oder neue Produkte suchen. Die findet man aber nicht von heute auf morgen und muss sie langsam aufbauen.

Welchen Weg wollen Sie einschlagen?

Wir produzieren heute schon Spreewald-Meerrettich – bei ihm wirkt sich der Mindestlohn nicht so stark aus, weil er größtenteils maschinell geerntet wird. Hier gibt es zwar auch eine Preissteigerung, weil Putz- und Sortierarbeit per Hand gemacht werden, aber nicht von 60 Prozent wie bei der Gurke.

Wie weit müsste es kommen, dass Sie den Familienbetrieb schließen und sich neu orientieren?

In schlechten Momenten stellt man sich manchmal schon die Frage, ob man nicht ein einfacheres Leben hätte haben können (lacht). Aber letztendlich macht mir die Arbeit Spaß und ich möchte nicht die Generation sein, die den Betrieb schließt. Da ist einfach auch ein bisschen Idealismus dabei .Den Betrieb zu schließen ist sicherlich die letzte Variante. Wir versuchen eher, uns umzuorientieren und über neue Produkte dafür zu sorgen, dass es weitergeht.

Herr Belaschk, vielen Dank für das Gespräch.


Zur Person

(© Privat)

Martin Belaschk führt die Rabe Spreewälder Konserven GmbH & Co. KG in fünfter Generation. Im Unternehmen ist er schon sein halbes Leben beschäftigt: Erst als Ferienarbeiter, dann festangestellt nach dem Studium 2001. Ab 2005 teilte er sich die Geschäftsführung mit seinem Vater, seit zwei Jahren ist er alleiniger Chef. Mit seinen Spreewald-Spezialitäten erwirtschaftet Belaschk acht Mio. Euro Umsatz. Von den 75 Mitarbeitern sind 15 Saisonkräfte. www.rabe-gmbh.de

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