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„Mit Investitionen die Zukunft gestalten”

Wie Pilze schießen dm-Filialen aus dem Boden. Allein im abgelaufenen Geschäftshalbjahr hat die Drogeriemarktkette in Deutschland 42 neue Märkte eröffnet. Doch der Markt ist stärker umkämpft denn je. Im Interview spricht Geschäftsführer Erich Harsch über Konkurrenten, Kollegen und eine prägende Besprechung unter Geschäftsführern.

Unternehmeredition: Herr Harsch, Sie haben im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Umsatzplus von 6,5 Prozent gemacht. Auf der anderen Seite haben Sie immer auch hohe Erwartungen an die Unternehmensentwicklung. Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Situation?

Harsch: Die Entwicklung der dm-Märkte ist konstant gut. Natürlich gab es eine Sonderkonjunktur seit 2012, als mit Schlecker der größte Anbieter in der Drogeriebranche vom Markt verschwunden ist. Dieser kleine Boom ebbt nun langsam ab. Unabhängig davon sind wir mit den letzten 20 Jahren zufrieden, seit wir von Lockangeboten und Aktionspreisen Abstand genommen und den dm-Dauerpreis eingeführt haben. Derzeit liegen wir bei einem Umsatzplus von sechs Prozent jährlich.

Von Gründer Götz Werner geprägt: schon seit 35 Jahren arbeitet Erich Harsch bei dm. (©dm – Alex Stiebritz)

Sie haben gerade den Fall Schlecker angesprochen. Welche Lehren hat dm aus diesem Negativbeispiel gezogen?

Für uns war schon lange klar, dass die Geschäftsstrategie von Schlecker nicht funktionieren kann. Mit Unproduktivität und dem Verzicht auf Investitionen kann man auf Dauer kein Unternehmen führen. Das hat unser Gründer Götz Werner bereits weit vor der Insolvenz in einem offenen Brief an die Lebensmittelzeitung vorausgesehen. Während Schlecker das Sparen zur unternehmerischen Maxime erklärt hat, sind es für uns umgekehrt die Investitionen, mit denen wir die Zukunft gestalten wollen.

Im Umkehrschluss heißt das, dass Sie Ihre Gewinne zum Großteil reinvestieren. In welche Strukturen stecken Sie Geld, um auch morgen genauso wettbewerbsfähig wie derzeit zu sein?

Im Durchschnitt wird jede unserer Filialen innerhalb von zehn Jahren komplett modernisiert. Bei momentan 1.800 Filialen bedeutet es, dass wir allein in diesem Jahr zwischen 150 und 180 Läden komplett überarbeiten. Jeder Relaunch kostet uns dabei zwischen 500.000 und 600.000 Euro. Wenn man das hochrechnet, kennt man ungefähr unser Investitionsvolumen.

Wie Pilze schießen dm-Filialen aus dem Boden. Allein im abgelaufenen Geschäftshalbjahr hat die Drogeriemarktkette in Deutschland 42 neue Märkte eröffnet. Doch der Markt ist stärker umkämpft denn je. Im Interview spricht Geschäftsführer Erich Harsch über Konkurrenten, Kollegen und eine prägende Besprechung unter Geschäftsführern.


“Was Sie in unserer Branche vor allem brauchen, ist situative Geistesgegenwart.”

Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung bei dm


Neues Produkt: seit dem Bruch mit Alnatura setz dm auf die Eigenmarke dmBio. (© dm)

Seit einem Jahr führen Sie einen Online-Shop. Wie zufrieden sind Sie mit diesem Geschäftsfeld?

Die Ergebnisse liegen leicht über unseren Erwartungen, aber man muss auch zugeben, dass in unserer Branche die Kunden die Atmosphäre im stationären Handel nach wie vor bevorzugen. Uns geht es beim Online-Handel, wie übrigens auch in anderen Sparten, nicht um eine Zielmarke, sondern darum, den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.

Das klingt weniger nach Vision als vielmehr nach Pragmatismus…

Was Sie in unserer Branche vor allem brauchen, ist situative Geistesgegenwart. Natürlich prüfen wir auch bestimmte Szenarien und denken darüber nach, welches Rüstzeug wir dafür brauchen. Aber wir orientieren uns nicht an fixen Zielen, die wir nach einigen Jahren wieder korrigieren müssten. Ein gutes Beispiel ist der Fotodruck. Als sich die digitale Fotografie vor einigen Jahren durchgesetzt hat, haben wir den Fotodruck stark ausgebaut und konnten dadurch zum größten Anbieter Europas werden.

Ein anderes Beispiel für situatives Handeln war der Rechtsstreit mit dem Bio-Lebensmittelhändler Alnatura. Seit eineinhalb Jahren führen Sie nun eine Eigenmarke im Sortiment. Haben Sie die Herausforderung bestanden?

Ich bin außerordentlich zufrieden mit den Ergebnissen. Das war für alle Beteiligten ehrlich gesagt keine schöne Situation. Ich hatte großen Respekt davor, wie wir den Wegfall der Alnatura-Produkte und damit die Veränderung im Sortiment gestalten würden. Nun können wir festhalten, dass wir im Bereich Gesunde Lebensmittel sehr gut aufgestellt sind. Viele Kunden haben unsere Eigenmarke dmBio für sich entdeckt, die teilweise von denselben Produzenten kommt, die auch Altnatura beliefern. Außerdem können wir nun auch viele andere Bio-Marken ins Sortiment mit aufnehmen und für eine bunte Vielfalt sorgen, die es braucht, um erfolgreich zu sein.

Wie Pilze schießen dm-Filialen aus dem Boden. Allein im abgelaufenen Geschäftshalbjahr hat die Drogeriemarktkette in Deutschland 42 neue Märkte eröffnet. Doch der Markt ist stärker umkämpft denn je. Im Interview spricht Geschäftsführer Erich Harsch über Konkurrenten, Kollegen und eine prägende Besprechung unter Geschäftsführern.


“Unser Investitionskurs und die Gewinnerwartungen potenzieller Aktionäre schließen sich einfach aus.”

Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung bei dm


Der dm-Gründer Götz Werner ist bekannt für seine fast revolutionären Ideen zum Sozialstaat. Der dm-Konzern gilt bis heute als vorbildlicher Ausbildungsbetrieb und Arbeitgeber. Gleichzeitig sind Gehälter ein entscheidender Preisfaktor. Wie geht das zusammen?

Für uns ist wichtig, nicht von Personal zu sprechen, sondern von Mitarbeitern und Kollegen. Gehälter sehen wir entsprechend nicht als Kostenfaktor, sondern als Leistungsermöglicher. Das Einkommen ist also ein wichtiger Produktionsfaktor, damit motivierte Mitarbeiter eine gute Leistung bringen. Andererseits gibt es aber auch begrenzende Faktoren, um gegenüber dem Wettbewerb keinen Nachteil zu haben. Tendenziell sollen die meisten Mitarbeiter bei uns etwas mehr als den Tariflohn verdienen. Nach guten Geschäftsjahren schütten wir zusätzlich Warengutscheine in gleicher Höhe an alle Mitarbeiter aus, sodass Kollegen mit einem geringen Gehalt relativ gesehen mehr bekommen.

Der dm-Konzern ist nach wie vor eine GmbH & Co. KG. Bei Ihrem Wachstumskurs und dem Investitionsvolumen käme auch ein Börsengang in Betracht. Denken Sie über so etwas nach?

Das war bisher kein Thema, weil wir großen Wert auf die Selbststeuerung legen. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld würden uns die Banken sogar mehr Kredite geben, als wir brauchen. Abgesehen davon wollen wir uns aber auch nicht den Gesetzen der Aktienmärkte unterwerfen, sondern weiter an den Kundenwünschen orientieren. Unser Investitionskurs und die Gewinnerwartungen potenzieller Aktionäre schließen sich einfach aus. Dazu eine Anekdote: Im Jahr 1992 bin ich in die Geschäftsleitung von dm eingestiegen. In einer Besprechung, in der es um die Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr ging, hat sich Götz Werner darüber aufgeregt, dass wir zu viel Gewinn veranschlagt haben. Für ihn war nämlich klar, dass wir zu wenig in die Zukunft investiert hatten. Dieses Erlebnis hat mich nachhaltig geprägt.


Zur Person

Im Mai 2008 übernahm Erich Harsch den Vorsitz der dm-Geschäftsführung von Firmengründer Götz Werner, der seitdem im Aufsichtsrat sitzt. Bereits 35 Jahre arbeitet der gebürtige Österreicher Erich Harsch bei dm. Seit 1992 ist er Mitglied der Geschäftsführung. Zugleich verantwortet er rund 200 dm-Märkte in Süddeutschland. Im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftete der Konzern in über 5.000 Filialen europaweit einen Umsatz von rund 9,1 Mrd. Euro. Bei dm sind 55.000 Mitarbeiter beschäftigt.
www.dm.de

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