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Instrumente für die Ewigkeit

In vierter Generation baut Philipp Klais Orgeln. Die Töne erklingen weltweit an bekannten Orten und Gebäuden – auch in der Elbphilharmonie in Hamburg. Für seine Instrumente verwendet er ausschließlich heimische Hölzer, damit Schädlinge sich nicht das Schlabberlätzchen umbinden. 

Orgelbauer Philipp Klais wird dem Unternehmer Günter Weber einen ganz besonderen Wunsch erfüllen: Vor zwei Jahren sitzt der Maschinenbauer in der Konzertkirche in Neubrandenburg neben Oberbürgermeister Silvio Witt und sagt zu ihm: „In 24 Monaten werde ich 70 Jahre alt. Gerne würde ich mir in dieser Kirche ein Orgelkonzert anhören.“ Witt willigt ein, meinte jedoch, dass hierzu noch das passende Instrument fehlt. Weber solle die Orgel stiften, dann bekomme er auch sein Konzert. Und so kommt der Kontakt zu den Orgelbauern Schuke aus Berlin und Klais zustande. Nach zwei Jahren Bauzeit wird das Instrument pünktlich zu seinem Geburtstag im Juli eingeweiht. „Es freut mich sehr, wenn Menschen den Wert dieser Instrumente schätzen“, sagt Klais.

Leuchtturmprojekt Elbphilharmonie

In vierter Generation leitet er das Bonner Familienunternehmen. Er gehört zu den bekanntesten Vertretern einer Branche, die hart umkämpft ist: Rund 200 Unternehmen stellen alleine in Deutschland Orgeln her. Die meisten davon stehen in Kirchen. Um sich gegen Wettbewerber durchzusetzen und Aufträge zu ergattern, bedarf es einiger Überzeugungskraft. „Man muss dem Kunden zeigen, dass man es wert ist, die Orgel bauen zu dürfen“, sagt Klais.

Für die Hamburger Elbphilharmonie hat dies geklappt: Der Bonner Orgelbauer bekam den Auftrag für das Zwei-Millionen-Projekt. Bis zu 20 Leute arbeiteten im Team an der Entwicklung der Orgel. Zur klanglichen Abstimmung waren es dann noch vier Mitarbeiter. Bereits ein halbes Jahr vor Öffnung der Kulturstätte hatten sie bereits Zutritt – jeden Tag zwischen 14 und 24 Uhr. Um den Aufbau zu koordinieren, vor allem aber, um den Klang abzustimmen. Aus 4.765 Pfeifen strömen die Töne.

Klais mag die Zeit, in der er die Orgeln stimmt. Für ihn ist es ein großes Privileg, an den für ihn schönsten Orten der Welt arbeiten zu dürfen. Zweimal war er mit seinen Mitarbeitern im Kölner Dom tätig, er konzipierte die Orgel in den Twin Towers in Kuala Lumpur, der Symphony Hall in Kyoto oder der Basilica del Pilar in Saragossa. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Australien überzeugte Philipp Klais

Bevor Klais überhaupt sprechen konnte, sog er die Töne der Pfeifen ein. Im Hof der Werkstatt in der Bonner Kölnstraße wuchs er auf. Ganz in der Nähe wurde Beethoven geboren. Für Klais war der Ort Lebensraum und Spielplatz zugleich. Hier machte er die ersten Erfahrungen mit dem Musikinstrument. Hier atmete er als kleiner Junge die Gerüche von Holz und bekam ein Gespür für die Orgeln. Schon der Urgroßvater übergab dort das Unternehmen an seinen Sohn. So wurde die Werkstatt von einer Generation an die nächste übergeben.

In vierter Generation baut Philipp Klais Orgeln. Die Töne erklingen weltweit an bekannten Orten und Gebäuden – auch in der Elbphilharmonie in Hamburg. Für seine Instrumente verwendet er ausschließlich heimische Hölzer, damit Schädlinge sich nicht das Schlabberlätzchen umbinden. 

Dass Philipp Klais das Unternehmen eines Tages führen würde, war indes alles andere als klar. „Ich wollte alles werden, nur nicht Orgelbauer“, so der Firmenchef. Doch dann kam sein Vater auf die Idee, den damals 19-jährigen Abiturienten für ein Projekt nach Brisbane in Australien zu schicken, damit er dort ein halbes Jahr lang beim Aufbau einer Orgel hilft – als eine Art Montagelehrling. „Es gibt natürlich schlechtere Orte als den tropischen Norden Australiens“, sagt er heute. Der Auslandsaufenthalt änderte seine Einstellung grundlegend: „Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich die Nachfolge wohl nicht angetreten“, sagt er heute. Schon damals war klar, dass seine beiden Schwestern es nicht machen wollen. Mit 20 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Orgelbauer, ein anschließendes Studium schließt er nicht ab. Die Werkstatt übernimmt er schließlich im Jahr 1995.

Mit Leidenschaft zum Erfolg

Klais wir nicht müde zu betonen, wie viel Herzblut es braucht, um sich diesem Beruf zu widmen und erfolgreich zu sein. Deswegen ist es praktisch, Wohnhaus und die Werkstatt unter einem Dach zu haben. Auch seine vier Kinder wuchsen auf dem Gelände auf. Hier wird konstruiert, das Holz zugeschnitten, geleimt und Bleche gegossen. Jede Orgel bauen Mitarbeiter für eine kurze Zeit dort auf. Die klangliche Abstimmung findet freilich nicht in den Räumen statt. „Schließlich können wir hier nicht den Kölner Dom nachbauen.“ Drei bis vier Orgeln baut das Unternehmen pro Jahr. Mehr ist mit der aktuellen Mitarbeiterzahl von 65, inklusive der zwölf Auszubildenden, auch nicht möglich.

Holzlager: Für Orgeln in Europa verwendet Klais nur heimische Eiche und Fichte.

Bei der Auswahl der Materialien ist Klais wählerisch. Er setzt auf heimische Hölzer. Für die Gehäuse verwendet er in Deutschland meist Eiche und Fichte. Baut er in Singapur ein Instrument, kann es Teakholz sein. „Verwenden Sie eine Bergfichte für eine Orgel auf den Philippinen, könnte es sein, dass sich der Holzschädling dort bereits das Schlabberlätzchen umgebunden hat“, sagt Klais. Jede seiner Orgeln ist ein Individuum, jede klingt anders. Der Klang soll geprägt sein von den kulturellen und sprachlichen Eigenheiten einzelner Länder, Regionen und Orte. Klais ist der Meinung, dass die Menschen eine Orgel dann emotional berührt, wenn sie ihre Sprache spricht. Eintauchen sollen sie, in ein Bad voll Klang. Und das nicht nur für die nächsten zehn Jahre, sondern für Jahrhunderte.

Die Hälfte der Orgeln geht ins Ausland

Er reist viel, das bringt der Job mit sich. Jedes zweite Instrument verkauft er ins Ausland. Insgesamt verbringt er 180 Tage pro Jahr im Hotel. Bei der Lufthansa ist er mittlerweile Mitglied im erlauchten Kreis der Vielflieger. Stolz ist er darauf nicht, man könne es aber auch nicht ändern. Während er den Flieger nutzt, schippern seine Orgelteile über die Ozeane in die einzelnen Länder. Das Schiff verbraucht am wenigsten Energie und schont die wertvollen Teile. Jedoch nur, wenn sie auch richtig gelagert werden. Eine Menge Material geht jedes Jahr über Bord. Damit das nicht passiert, bucht er meist den Mittelplatz. „Dort geht nichts verloren, und das Schiff schaukelt deutlich weniger.“ Angewiesen ist er darauf, dass die Frachter den Zeitplan einhalten. Einige Hölzer werden in klimatisierten Behältern verschifft. Kommt es zu Verzögerungen, kann das schwerwiegende Folgen haben. Denn die Container können nur über einen gewissen Zeitraum die Temperatur halten. Trotz der hohen Transportaufwendungen hat Klais noch nie darüber nachgedacht, einen Standort im Ausland zu errichten. Schließlich kommen die einzelnen Aufträge aus aller Herren Länder.

In vierter Generation baut Philipp Klais Orgeln. Die Töne erklingen weltweit an bekannten Orten und Gebäuden – auch in der Elbphilharmonie in Hamburg. Für seine Instrumente verwendet er ausschließlich heimische Hölzer, damit Schädlinge sich nicht das Schlabberlätzchen umbinden. 

Anders als andere Unternehmen

Nicht ausschließen will er jedoch, dass sich langfristig die Produktionsbedingungen ändern. „Auch ein individuell gefertigtes Gut wie eine Orgel könnte zu gewissen Teilen durch selbstlernende Maschinen gefertigt werden“, sagt Klais. „Hier müssen wir uns sorgfältig darauf vorbereiten.“ Er sieht das positiv. Denn dann bliebe mehr Zeit für individuelles Arbeiten am Instrument und am Klang.

Werkstatt in Bonn: Orgelgraffitti zum 125-jährigen Jubiläum.

Es ist die Leidenschaft, die die Menschen in der Werkstatt antreibt. Nicht immer steht Kostenbewusstsein im Vordergrund. Das merkt Klais spätestens dann, wenn er mal wieder die teuersten Hölzer ausgewählt hat und ihm die Buchhalterin auf die Finger klopft. Dennoch ist ihm bewusst, dass trotz aller Liebelei auch in seiner Werkstatt unternehmerische Tugenden gefragt sind. Denn auch die Mitarbeiter wollen schließlich eine sichere Zukunft haben. Als sehr erfolgreich würde er sich jedoch nicht bezeichnen. Der Umsatz schwankt jährlich: Mal sind es sechs Mio. Euro, dann wieder acht. Je nachdem, wie die Projektabschnitte auf die einzelnen Jahre fallen. Etwas mehr als die Hälfte des Umsatzes entfällt auf das Neugeschäft. Der Rest verteilt sich auf Restauration und Pflege.

Wachstum steht nicht an erster Stelle

Einen großen Wachstumsschub erwartet Klais nicht. Mit der aktuellen Mitarbeiterzahl ist nicht mehr drin. Und viel größer werden soll das Unternehmen ohnehin nicht. Unterstützung findet er vielleicht eines Tages bei seinem Sohn. Der arbeitet momentan für eine große Unternehmensberatung und könnte sicherlich die eine oder andere Veränderung in der Werkstatt bewirken. Ob er derjenige sein wird, der in der fünften Generation das Unternehmen in die Zukunft führt, ist jedoch noch nicht klar. Schließlich ist Klais noch zu jung, um den Betrieb zu übergeben. Zudem vermittelt er nicht den Eindruck, dass er keinen Spaß mehr an seiner Arbeit hat. Leidenschaft muss auch der Nachfolger mitbringen: „Das enthebt einen des Zwangs, das Unternehmen steuern zu müssen“, so Philipp Klais.

Doch jetzt muss Klais erst mal die Orgel für Maschinenbauer Weber fertigstellen, damit dieser pünktlich zum Geburtstag sein Orgelkonzert bekommt. Und vielleicht kann sich dieser dann revanchieren, indem er für den Instrumentenbauer eine intelligente Maschine konzipiert.


Kurzprofil Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG

Gründungsjahr 1882
Branche Orgelbau
Unternehmenssitz Bonn
Umsatz 2015
8,3 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl 65

www.orgelbau-klais.com

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