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Insolvenzfactoring als Finanzierungsmodell

Für den Weg aus einer wirtschaftlichen Schieflage sind meist umfassende Restrukturierungsmaßnahmen nötig. Doch wie sollen diese finanziert werden, wenn kein Geld vorhanden ist?

Immer wieder scheitern Sanierungen im Unternehmen an fehlenden finanziellen Mitteln. Oft hängt das mit dem späten Eingestehen einer Krise zusammen: Über Monate hinweg macht das Management am Rande des wirtschaftlichen Abgrunds nach dem Prinzip Hoffnung weiter. Verloren gehen dabei nicht nur der Handlungsspielraum, sondern auch finanzielle Reserven und die wertvolle Substanz des Unternehmens.

Die Bereitstellung zusätzlicher Gelder über bankenübliche Wege ist in der Sanierung nicht einfach: Die Hausbank ist im Verfahren meist einer der Hauptgläubiger und kann demnach keine zusätzlichen Kreditlinien anbieten. Seit Einführung von Basel II und III unterliegen Banken zudem strengeren Regularien, sodass sie bereits bei Engagements in wirtschaftlichen Schieflagen kaum frei entscheiden können.

Alternative Finanzierungen, die bonitätsunabhängig und schnell einsetzbar sind, werden in diesen Situationen oft zum Rettungsanker. Sale-and-lease-back – das Heben stiller Reserven durch den Verkauf und das Zurückleasen gebrauchter Maschinen – oder die Forderungsfinanzierung Factoring gehören zu den Modellen, die zum Einsatz kommen können.

Forderungsankauf stärkt Liquidität

Die spezielle Form des Insolvenzfactoring soll Mittelständlern die Betriebsfortführung und den Weg aus der Krise erleichtern. Die neu entstehenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden dabei fortlaufend angekauft, meist im eröffneten Insolvenzverfahren, unter bestimmten Bedingungen auch im vorläufigen.

In der Praxis funktioniert das wie folgt: Der Geschäftsbetrieb läuft im Verfahren weiter, das Unternehmen produziert und verkauft oder setzt Dienstleistungen für seine Kunden um. Nach erfolgter Lieferung und Leistung wird in der Regel die Rechnung erstellt. Während diese an den Kunden geht, erhält der Factor eine Kopie und überweist den Großteil des Rechnungsbetrags innerhalb von ein bis zwei Werktagen. Der Betrieb erhält somit schnell frische Liquidität. In der Regel werden 80 bis 90 Prozent bevorschusst, je nach Branche und Geschäftsmodell – die restliche Summe ist ein Sicherheitseinbehalt, falls es zum Beispiel eine Einrede zur Rechnung gibt. Eine Einrede ist ein Widerspruch des Kunden zur Rechnung, wenn diese aus seiner Sicht nicht korrekt ist. Mögliche Gründe sind fehlerhafte Lieferungen, defekte Ware, ein falscher Rechnungsbetrag.

Der Differenzbetrag in Höhe von zehn bis 20 Prozent wird abzüglich der Gebühr überwiesen, sobald sein Kunde die Forderung beglichen hat. Umgesetzt wird ein Full-Service-Factoring: Dabei übernimmt der Factor neben der Vorfinanzierung auch den Ausfallschutz der Forderungen und das Debitorenmanagement inklusive des oft zeitaufwändigen Mahnwesens. Ziehen alle Beteiligten an einem Strang, kann der Beginn der Auszahlung drei bis fünf Werktage nach Erstanfrage erfolgen.

 Keine zusätzlichen Sicherheiten nötig

Zusätzliche Sicherheiten werden nicht benötigt. Zudem ist die Finanzierung in vielen Branchen einsetzbar: im produzierenden Gewerbe, in der Transport- und Logistikbranche, im Großhandel, bei Druckereien, in der Zeitarbeit, bei Sicherheitsfirmen oder sonstigen Dienstleistungsunternehmen.

Fazit

Die Liquidität wird dank Factoring im Verfahren dauerhaft gestärkt und steht für das Umsetzen von Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung. Viele Unternehmen erhalten so überhaupt erst die Möglichkeit einer Reorganisation und eines Neustarts am Markt.

Für den Weg aus einer wirtschaftlichen Schieflage sind meist umfassende Restrukturierungsmaßnahmen nötig. Doch wie sollen diese finanziert werden, wenn kein Geld vorhanden ist?

Praxisbeispiel

Ein Meißner Händler von Brenn- und Kraftstoffen musste Ende Februar 2017 Insolvenz anmelden. Das Unternehmen betreute rund 26.000 Kunden und hatte einen Jahresumsatz von 200 Mio. Euro. Mit seinem großen Fuhrpark belieferte der Mittelständler seine Kunden größtenteils selbst. Mehrere Ursachen führten zur wirtschaftlichen Schieflage des Betriebs: Dem Händler machte seit Langem die starke Wettbewerbssituation zu schaffen. Ein geplanter Verkaufsprozess scheiterte, und aufgrund kurzfristig zutage getretener Unstimmigkeiten wurden dem Unternehmen sämtliche Konten und Warenkreditversicherungslimits gesperrt, was die Lage zusätzlich verschärfte. Der Geschäftsführer sah die einzige Chance zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes schließlich in der Beantragung des Insolvenzverfahrens.

Betriebsfortführung gefährdet

Der vom Gericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter stellte bereits am ersten Tag im Unternehmen fest, dass nahezu keine freie Liquidität vorhanden war. Die weitgehend unter Eigentumsvorbehalt stehenden Warenvorräte genügten lediglich für zwei bis drei Tage. Ein großer Anteil der Lieferanten war nur gegen Vorauskasse oder eine deutliche Verkürzung der Zahlungsziele zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit bereit.

Die Fortführung des operativen Geschäfts war demnach nur möglich, wenn eine schnelle Finanzierungslösung gelang. Er nahm sofort Gespräche mit bisherigen Finanzierungspartnern auf, um über eine Zusammenarbeit im Insolvenzverfahren zu sprechen. Parallel begann er mit der Suche nach alternativen Möglichkeiten zur Absicherung der notwendigen Liquidität. Dazu fragte er parallel eine Factoringgesellschaft an, welche das für die Betriebsfortführung monatlich benötigte hohe Regulierungsvolumen zusagte.

Nahezu zeitgleich begann die Klärung sämtlicher technischer, rechtlicher und formeller Voraussetzungen. Eine Woche nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung entschieden sich die Gremien der vormaligen Finanzierungspartner, für eine Finanzierung der weiteren Geschäftstätigkeit nicht zur Verfügung zu stehen.

Aufgrund der parallelen Vorbereitung konnten noch am gleichen Tag die Verträge mit dem Factor unterzeichnet werden. Ab diesem Zeitpunkt war das Unternehmen wieder uneingeschränkt lieferfähig. Bereits im Eröffnungsverfahren wurde die Finanzierung als Full- Service-Factoring angewandt. Alle neu entstandenen gewerblichen Forderungen finanzierte das Factoring Team vor: Nach Rechnungslegung erhielten sie eine Kopie und überwiesen den Betrag abzüglich des Sicherheitseinbehaltes auf das vereinbarte Konto. Gleichzeitig waren die Forderungen gegen einen möglichen Ausfall versichert und die Mitarbeiter der Factoring-Gesellschaft übernahmen das Debitorenmanagement.

 Investorensuche erfolgreich

Schnelligkeit bewies der Insolvenzverwalter mit seinem Team nicht nur bei der Sicherung der Finanzierung im Verfahren, sondern auch bei der Investorensuche. Bereits einen Monat nach Eröffnung des endgültigen Insolvenzverfahrens wurde im Ergebnis eines M&A-Prozesses das Unternehmen unter Erhaltung sämtlicher Arbeitsplätze auf einen neuen Investor übertragen. Rund vier Monate unterstützte Factoring den Sanierungsweg des Meißner Mittelständlers – in dieser Zeit wurden 28 Mio. Euro im Factoring abgebildet.


Zur Person

Thomas Rohe ist Vorstand bei der factoring.plus.AG mit Sitz in Leipzig und einer Niederlassung in Frankfurt am Main. Der Finanzierer setzt für kleine und mittelständische Unternehmen verschiedene Factoringmodelle um. Das Unternehmen ist Mitglied des Bundesverbandes Factoring für den Mittelstand e.V. (BFM).

www.factoring-plus.de

 

 

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