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Innovative Hauptstadtregion

Spätestens seit der Jahrtausendwende ist die Renaissance der Hauptstadt als Wirtschaftsstandort unübersehbar. Dazu haben vor allem vier Faktoren beigetragen.

Erstens der Hauptstadteffekt. Als politischem Machtzentrum in Europa kommt Berlin eine ganz andere Bedeutung zu als vor der Wiedervereinigung. Zweitens die wissenschaftliche Exzellenz. Die Hauptstadtregion verfügt – auch weil Westberlin vor 1990 sich nur sehr eingeschränkt als Industriestandort entwickeln konnte – über eine außergewöhnliche Vielzahl namhafter wissenschaftlicher Einrichtungen. Drittens kulturelle Vielfalt, womit nicht nur die Mitbürgerinnen und Mitbürger aus aller Welt gemeint sind, sondern generell die Vielfalt der Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung, die einen unverzichtbaren Nährboden für die Kreativindustrie bilden. Und viertens eine Wirtschaftspolitik, die zweigleisig klassische Wirtschaftsförderung mit gezielter Innovationsförderung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft verbunden hat. Seit 2011 verfolgen Berlin und Brandenburg die gemeinsame Innovationsstrategie „innoBB“, die sich auf fünf große Cluster konzentriert. Betrachtet man diese im Einzelnen, erkennt man, dass sie durchaus unterschiedlich strukturiert sind und auch unterschiedliche Entwicklungsoptionen bieten.

In Berlin befindet sich das größte Kliniklabor Europas: die Berlin-Charité Vivantes GmbH. Bild: kaiserwetter/Norbert Michalke

Gesundheitswirtschaft

Unter der Dachmarke HealthCapital zählen mehr als 280 Unternehmen aus der Medizintechnik, über 200 Biotechfirmen, rund 30 Pharmaunternehmen sowie 130 Kliniken und eine Vielzahl weiterer Organisationen zum Cluster Gesundheitswirtschaft. Die Branche ist hochproduktiv und exportorientiert. Sie ist robust und weitgehend konjunkturunabhängig. Und sie bietet für 14,2% aller Erwerbstätigen in der Region Arbeitsplätze auf allen Qualifikationsniveaus. Das breite Leistungsspektrum des Clusters mit über 270.000 Beschäftigten umfasst die Grundversorgung ebenso wie die High-End-Medizin oder hoch spezialisierte Rehabilitation. F&E-Schwerpunkte liegen in Bereichen wie E-Health, Minimalinvasive Medizin, Herzunterstützungssysteme, Molekulare Diagnostik und Bildgebung, Arzneimittelentwicklung sowie Regenerative Medizin. Große Wachstumschancen liegen im innovativen, industriellen Kern, wo neue Arzneimittel, Diagnostika und medizintechnische Produkte entwickelt und weltweit verkauft werden, und im Bereich der individuellen Gesundheitspflege, wo ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein für eine schnell wachsende Nachfrage an Produkten und Dienstleistungen sorgt. Aber auch die regulierten Bereiche der ambulanten und stationären Versorgung und der Rehabilitation sind für die Weiterentwicklung des Clusters von großer Bedeutung. Hiervon profitieren nicht nur die Einwohner vor Ort. Schon heute kommen Patienten aus der ganzen Welt in die Hauptstadtregion: Der Gesundheitstourismus boomt.

IKT, Medien und Kreativwirtschaft

In der Informations- und Kommunikationswirtschaft und der mit ihr eng verknüpften Medien- und Kreativbranche dominieren ganz überwiegend kleine Unternehmen. Derzeit sind es rund 36.800 mit mehr als 180.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Hinzu kommen noch einmal fast genauso viele Freiberufler. Damit ist das Cluster wie kein anderes durch junge Unternehmerinnen und Unternehmer geprägt und wohl der beste Beleg für die Aufbruchstimmung, die derzeit in Berlin herrscht. Die Branche profitiert zum einen von dem vergleichsweise geringen Kapitalbedarf, den einzelne Unternehmen haben, andersherum jedoch auch von der relativ hohen Bereitschaft von Geldgebern, in Produkte zu investieren, die leichter verständlich und sehr viel schneller zu realisieren sind als etwa in der Biotechnologie.
Neben dem kreativen Geist, der durch die Stadt weht, und den billigen Mieten spielt aber auch hier die wissenschaftliche Basis eine wichtige Rolle. Die IT-bezogene Forschung in der Region hat Weltniveau. Schwerpunkte sind zukunftsweisende Bereiche wie Sicherheit und IT, Digitale Medien, Mobile Anwendungen, Internet der Dienste und Vernetztes Leben.

Verkehr, Mobilität und Logistik

Auch im Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik spiegelt sich die große thematische Bandbreite Berlin-Brandenburgs wider. Die inhaltlichen Schwerpunkte Automotive, Schienenverkehrstechnik, Verkehrstelematik, Luft- und Raumfahrt sowie Logistik sind eng miteinander verflochten. Im Gegensatz zu anderen Standorten herrscht keine Fixierung auf einen dominanten Verkehrsträger. Stattdessen sind die Potenziale des Zusammenwirkens an den Schnittstellen besonders ausgeprägt. Der Ballungsraum Berlin eignet sich ausgezeichnet als Experimentierfeld für neue Modelle zur intermodalen Mobilität, also so etwas wie der Kunst, immer und überall auf vorteilhafteste Art und Weise von A nach B zu kommen. Im Großvorhaben „Internationales Schaufenster der Elektromobilität“ werden in einer Vielzahl von Projekten Elektrofahrzeuge verschiedener Nutzungskonzepte erforscht und erprobt. Vor allem wegen der hohen Beschäftigungsrelevanz mit Arbeitsplätzen auf unterschiedlichen Qualifikationsniveaus ist auch die Logistik ein sehr wichtiges Element im Cluster. Sie befindet sich in Brandenburg und Berlin auf Rekordkurs. Mit einem Flächenumsatz von 434.000 m² hat sich die Region 2011 in den TOP-3-Logistikstandorten Deutschlands fest etabliert.

Energietechnik

Rund 4.800 Unternehmen, fast 50.000 Beschäftigte und mehr als 30 Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen befassen sich mit dem Thema Energie. Insbesondere bei der Herstellung und im Einsatz von umweltfreundlichen Energien und Energieeffizienztechnologien belegt die Region eine Spitzenposition. 2012 wurde Brandenburg mit der Verleihung des „Leitsterns“ durch die Agentur für Erneuerbare Energien zum dritten Mal in Folge nach 2010 und 2008 die Spitzenposition im Bereich der Erneuerbaren Energien in ganz Deutschland bescheinigt. Eine Sonderstellung in Deutschland hat die Region aber auch durch die Präsenz von fünf großen Anbietern von Turbomaschinen. Inhaltlich fokussiert sich das Cluster auf die fünf Handlungsfelder Solarenergie, Turbomaschinen/Kraftwerkstechnik, Energienetze und -speicher (einschließlich stationärer Aspekte der E-Mobilität), Energieeffizienztechnologien sowie Windenergie und Bioenergie. Eine wichtige Rolle nehmen auch systemintegrierende Ansätze ein.

Das Photonikzentrum im Technologiepark Berlin-Adlershof

Optik

Optische Technologien und Mikrosystemtechnik sind Schüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Berlin und Brandenburg nehmen hier mit mehr als 15.000 Industriearbeitsplätzen und zahlreichen Forschungsinstituten von Weltruf im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein. Dieses breite Spektrum an wissenschaftlichem und industriellem Know-how ist ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb der Regionen und gleichzeitig Treiber für Innovationen in anderen Branchen, da Produkte und Dienstleistungen der in diesem Cluster zusammengefassten Unternehmen und Forschungseinrichtungen in hohem Maße Impulse für Anwendungen in den anderen Clustern geben. Das Spektrum umfasst neben der klassischen Optik, Augenoptik und Lichttechnik z.B. auch Sensoren und Laser mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von der industriellen Fertigung und der Glasfaserkommunikation über die medizinische Bildgebung oder Umweltanalytik bis hin zur Photovoltaik oder Verkehrssteuerung.


Zur Person: Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Stock
Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Stock ist Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (www.bbaw.de) sowie Aufsichtsratsvorsitzender der TSB Innovationsagentur Berlin GmbH (www.tsb-berlin.de/innovationsagentur) und der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner GmbH (www.berlin-partner.de).

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