Website-Icon Unternehmeredition.de

Inflation der Immobilienpreise

Die Europäische Zentralbank (EZB) ruiniert mit ihrer Negativzinspolitik die Sparer. Doch diese Politik verursacht weitere schädliche Nebenwirkungen – vor allem im Immobilienmarkt.

Im Jahr 2016 sind die Preise für Wohnungen und Häuser in Deutschland um 6,6 Prozent in die Höhe geschnellt – das war der stärkste Anstieg seit zehn Jahren. Es ist keineswegs eine Überdramatisierung, wenn man eine Immobilienpreis-Inflation in Deutschland diagnostiziert.

Inflation, egal in welcher Form, bringt stets Probleme. Steigende Immobilienpreise erfreuen diejenigen, die Grundstücke und Häuser besitzen. Ihr Vermögen wird mehr wert. Diejenigen aber, die Immobilien kaufen möchten, sind schlechter gestellt: Sie bekommen weniger Haus und Hof für ihre Euros. Ökonomisch betrachtet ist das Ansteigen der Immobilienpreise nicht nur inflationär – also eine Schmälerung der Kaufkraft des Euros –, es ist zudem eine Zwangsumverteilung von Einkommen und Vermögen.

Schutz gegen Entwertung?

Die Immobilienpreise werden zum einen direkt in die Höhe getrieben von den Niedrigzinsen der EZB: Künftige Erträge aus Immobilienbesitz werden nun mit einem geringeren Zins abdiskontiert, und das führt zu erhöhten Barwerten, und das wiederum schlägt sich in höheren Kauf- und Verkaufspreisen nieder. Zum anderen lässt der Niedrigzins auch die Nachfrage nach Immobilien steigen. Bei einem relativ stabilen Angebot steigen die Preise.

Die Nachfrage nach Immobilien steigt, vermutlich auch deswegen, weil viele den Erwerb von Immobilien mit der Hoffnung verbinden, sich auf diese Weise gegen die Entwertung des Euros schützen zu können. Dies gilt nicht nur für private, sondern auch für institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen. Für sie ist der Immobilienerwerb eine Alternative zu festverzinslichen Papieren geworden, die ja keine positive Realrendite mehr abwerfen. Und nicht zuletzt sorgt die Einwanderungswelle nach Deutschland für steigende Nachfrage nach Wohnraum.

Bislang ist allerdings noch keine exzessive Kreditvergabe der deutschen Banken an den Wohnungsbausektor zu erkennen. Das aber sollte keine Entwarnung geben: Preistreibende Effekte können quasi nach Deutschland überschwappen, wenn Banken im Ausland laxe Kreditvergaben betreiben und (vor allem institutionelle) Investoren in Deutschland Immobilien kaufen. Das gilt insbesondere für Käufer, die in deutschen Immobilien eine stabile Anlage sehen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) ruiniert mit ihrer Negativzinspolitik die Sparer. Doch diese Politik verursacht weitere schädliche Nebenwirkungen – vor allem im Immobilienmarkt.

Gefahr im Verzug

Das Angebot folgt bekanntlich der Nachfrage: Die deutsche Bauwirtschaft expandiert bereits kräftig, und zwar deutlich schneller als die Gesamtwirtschaft. Knappe Ressourcen werden verstärkt in die Bauwirtschaft gelenkt. Das hat zunächst einmal einen positiven Konjunktureffekt zur Folge. Die Bauleistungen machen derzeit etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Wie aber ist der aktuelle Immobilienpreis-Boom volkswirtschaftlich zu bewerten?

Zunächst einmal signalisieren steigende Preise Knappheit und geben dadurch den Produzenten einen Anreiz, das Angebot zu erhöhen. Das sorgt nicht nur dafür, dass die Wünsche der Nachfrager befriedigt werden. Ein steigendes Angebot übt auch einen preissenkenden Effekt aus – was wiederum den Nachfragern zugutekommt. Entscheidend ist nun aber, wie sich die steigende Nachfrage erklärt. Wenn es die künstlich gesenkten Zinsen sind, die die Immobiliennachfrage treiben, ist Gefahr im Verzug.

Denn dann ist der ausgelöste Bauboom nicht nachhaltig. In einem solchen Fall werden die Konsumenten verlockt, über ihre Verhältnisse zu leben. Beispielsweise verleiten niedrige Zinsen zu überhöhter Kreditaufnahme: Je niedriger der Zins ist, desto höher scheint der Kreditbetrag zu sein, den man sich leisten kann. Zudem ermutigt der Anstieg des Immobilienvermögens, mehr zu konsumieren und weniger zu sparen. Ein unerwarteter Verfall der Immobilienpreise würde Schuldner und Kreditgeber hart treffen.

Wenn etwa die Zinsen ansteigen, geraten Unternehmen, die kreditfinanzierte Investitionen im Niedrigzinsumfeld unternommen haben, und Private, die ihr Traumhaus kreditfinanziert haben, in Schwierigkeiten. Die Einnahmen reichen nicht aus, um den Schuldendienst zu leisten. Es gibt Pleitewellen, die Arbeitsplätze kosten. Überschuldete Häuslebauer müssen die Hand heben, und aus dem Immobilienpreis-Boom wird rasch ein Bust.

Die Europäische Zentralbank (EZB) ruiniert mit ihrer Negativzinspolitik die Sparer. Doch diese Politik verursacht weitere schädliche Nebenwirkungen – vor allem im Immobilienmarkt.

An bewährten Regeln festhalten

Die Immobilienpreis-Inflation in Deutschland ist zweifelsohne Folge der expansiven Geldpolitik der EZB. Die wachsende Geldmenge inflationiert derzeit nicht so sehr die Preise für die Lebenshaltung, sondern vor allem die Preise für das Bestandsvermögen: Hierzu zählen nicht nur Aktien und Anleihen, sondern auch Grundstücke und Häuser. Es ist absehbar, dass die Schäden der Immobilienpreis-Inflation früher oder später zutage treten; und spätestens dann wird der Katzenjammer groß sein.

Wie soll der Investor reagieren? Am besten an bewährten Regeln festhalten. Eine wichtige lautet: Nur dann kaufen, wenn der Preis, der zu zahlen ist, niedriger ist als der Wert (verstanden als die Summe der abdiskontierten Erträge). Auch die beste Immobilie ist keine gute Anlage, wenn sie zu teuer gekauft wird. Das heißt mitunter, geduldig auf Gelegenheiten warten. Und letztlich die Investmententscheidung stets mit der besten alternativen Renditemöglichkeit vergleichen. Es müssen ja nicht Immobilien sein.


Zur Person

Dr. Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt Degussa und Fondsberater des P&R Value Fonds.
www.degussa-goldhandel.de

 

 

 

Die mobile Version verlassen