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In fremden Händen

Eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie gelingen immer seltener. Findet sich kein geeigneter Nachfolger, müssen Inhaber familiengeführter Unternehmen auf die Suche nach einem Käufer gehen. Ein Verkauf ist nicht die schlechteste Variante – sofern er rechtzeitig und sachlich geplant wird.

Eine hohe Expertise, ein über Jahre gewachsenes Vertrauen oder ein stattlicher Kaufpreis: Es gibt viele Faktoren, die darüber entscheiden, warum der Chef eines alteingesessenen Familienunternehmens sein Lebenswerk an einen bestimmten Nachfolger übergibt, der nicht aus der Verwandtschaft kommt. Der Grund ist oft ein- und derselbe: Im Familienkreis findet sich kein geeigneter Kandidat für die Unternehmensnachfolge.

Bei Dieter Morszeck und Akexandre Arnault war es nicht zuletzt die gemeinsame Begeisterung für Luxus-Koffer aus Aluminium, die im Oktober vergangenen Jahres zum Deal führte. Seit Januar 2017 ist er perfekt. Für rund 640 Millionen Euro hat der Inhaber des Herstellers von Premiumkoffern Rimowa 80 Prozent seiner Anteile an die französische Luxusgüter-Gruppe LVMH verkauft. Damit wechselt die Mehrheit eines 120 Jahre alten Kölner Familienunternehmens in fremde Hände.

Koffer von Rimowa: Seit Kurzem gehört das Unternehmen dem französischen Luxuskonzern LVMH.

„Mein Großvater hat Rimowa vor über einem Jahrhundert gegründet“, sagt der 63-jährige Morszeck. Der Enkel des Firmengründers ist vor 44 Jahren in das Unternehmen eingestiegen. Doch weil es mit einer familieninternen Nachfolge vermutlich nicht klappen würde, bereitete Morszeck die Zukunft von Rimowa von langer Hand vor. So hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Investoren nach der Kölner Koffermanufaktur geschielt. Zum Zug kam schließlich LVMH-Chef Bernard Arnault – und mit ihm sein Sohn Alexandre. Denn er ist es, der künftig von Köln aus über die Geschicke von Rimowa bestimmen wird.

Unternehmer-Sohn Alexandre ist erst 24 Jahre alt und übernimmt eine große Aufgabe. „Ich habe aber vollstes Vertrauen in seine Fähigkeiten, die Entwicklung des Geschäfts an meiner Seite voranzutreiben“, erklärt der bisherige Rimowa-Inhaber. Dazu, wie lange er selbst noch im Unternehmen bleiben will, äußert sich Morszeck vorerst nicht. Die Option, seine übrigen Firmenanteile zu verkaufen, hat er sich jedoch gesichert.

Gemeinsame Vergangenheit

Nun gehen der junge Franzose Arnault und der Kölner Altinhaber Morszeck erst einmal zusammen an der Start. Auf eine gemeinsame Vergangenheit können die beiden bereits zurückblicken: Alexandre Arnault reist schon seit Jahren mit Rimowa-Koffern. Die Qualität überzeugte ihn, was auch ein Grund dafür war, dass er und Vater Bernard Kontakt zu Morszeck  aufnahmen. Daraus wurde Freundschaft – und nun die Firmennachfolge. „Wir vertrauen unser Familienunternehmen der LVMH-Gruppe an“, sagt der Enkel des Gründers. Für Rimowa und seine Mitarbeiter sieht er eine „vielversprechende Zukunft“.

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Eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie gelingen immer seltener. Findet sich kein geeigneter Nachfolger, müssen Inhaber familiengeführter Unternehmen auf die Suche nach einem Käufer gehen. Ein Verkauf ist nicht die schlechteste Variante – sofern er rechtzeitig und sachlich geplant wird.

Den Anteilsverkauf als wahren Glücksfall zu bezeichnen, würde dem Empfinden der meisten Firmenlenker, die an der Spitze mittelständischer Familienunternehmen stehen, sicherlich nicht gerecht. Denn das wahre Glück erkennen sie noch immer darin, ihr Unternehmen in die Hände eines kompetenten Nachfolgers aus der eigenen Familie zu übergeben. Doch das gelingt immer seltener, wie Zahlen zeigen. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn stehen in Deutschland derzeit etwa 27.000 Firmenübergaben pro Jahr an. Doch nur rund 50 Prozent der Eigentümer übergeben dem IfM zufolge ihr Unternehmen an ein Familienmitglied. „Und auch da fallen Wunsch und Wirklichkeit auseinander“, erklärt Markus Nacke von der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK), Duisburg. „In unserer Beratungspraxis sehen wir, dass nur etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen innerhalb der Familie übergeben werden“, sagt er.

Es trifft kleine wie große Familienunternehmen

Auch der „DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2016“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages belegt, dass die Unternehmensnachfolge im Familienkreis immer seltener glücken: So ließen sich im Jahr 2015 6.483 Senior-Unternehmer bei einer Industrie- und Handelskammer (IHK) beraten, weil sie einen Nachfolger suchten. Das waren neun Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu vor fünf Jahren beläuft sich der Anstieg gar auf 60 Prozent. Zwar mögen sich vor allem kleinere inhabergeführte Firmen in Sachen Nachfolge von einer IHK beraten lassen. Doch auch große Unternehmen müssen zuweilen einen Übernahme-Kandidaten außerhalb der Verwandtschaft finden. Das zeigt nicht nur das Beispiel Rimowa.

So wurde etwa der Spirituosenhersteller Berentzen 2008 überraschend an einen Münchner Finanzinvestor verkauft. Das Ende einer 250-jährigen Familiengeschichte. So muss die Oetker-Gruppe seit Kurzem ohne Familienmitglied in der Unternehmensführung auskommen. Finanzchef Albert Christmann hat im Dezember 2016 die Leitung der Lebensmittelsparte von Richard Oetker übernommen. Der Beirat schickte für ihn keinen Nachfolger aus der Familie an die Spitze der Gruppe. Und Werner Kieser, Gründer der Fitness-Kette Kieser Training, zog sich pünktlich zum 50. Geburtstag seines Unternehmens zurück. Der 76-Jährige und seine Frau Gabriela haben die Aktiengesellschaft zu Jahresbeginn verkauft.

Da Familienunternehmen immer öfter damit kämpfen, passende Firmenerben zu finden, gewinnen Modelle für die familienexterne Unternehmensnachfolge wie ein Management-Buy-out, ein Management-Buy-in, der Verkauf an einen Kunden oder gar einen Finanzinvestor zunehmend an Bedeutung. Doch für welche Variante Firmenlenker sich auch entscheiden: Wichtig sind immer eine frühzeitige Planung, der Wille loszulassen und eine realistische Vorstellung vom Kaufpreis.

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Eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie gelingen immer seltener. Findet sich kein geeigneter Nachfolger, müssen Inhaber familiengeführter Unternehmen auf die Suche nach einem Käufer gehen. Ein Verkauf ist nicht die schlechteste Variante – sofern er rechtzeitig und sachlich geplant wird.

„Die Gründe dafür, dass interne Unternehmensnachfolgen heute oft scheitern, sind ganz unterschiedlicher Natur“, sagt Beatrice Rodenstock, Geschäftsführende Gesellschafterin der Rodenstock Gesellschaft für Familienunternehmen in München. „Zum Teil sind die Kinder des Firmenlenkers nicht ausreichend qualifiziert oder sie fühlen sich nicht so“, erklärt Rodenstock. „Hinzu kommt, dass gerade die viel beschworene ‚Generation Y‘ ganz andere Vorstellungen von einer vernünftigen Work-Life-Balance hat“, gibt sie zu bedenken. Die heute 18- bis 35-Jährigen möchten – anders als ihre Väter und Mütter – ihr Leben nicht mehr hauptsächlich dem Unternehmen widmen.

Verletzte Eitelkeiten

Und selbst wenn ein Nachfolger aus dem Familienkreis zunächst einmal bester Dinge ist, kann es zu Problemen kommen. Persönliche Befindlichkeiten, verletzte Eitelkeiten und unterschiedliche Vorstellungen von Führungsstil und Zukunft der Firma sorgen immer wieder dafür, dass unüberwindbare Konflikte die geplante Unternehmensnachfolge am Ende doch scheitern lassen. Je größer der Gesellschafterkreis ist, umso schwieriger wird es. „Und wenn es zu handfesten Streitigkeiten kommt, ist es vielleicht nicht einmal mehr möglich, einen Fremdgesellschafter einzusetzen“, erklärt Rodenstock.

Da stimmt es zuversichtlich, dass zumindest die Zahl der potenziellen Firmenkäufer gestiegen ist: 5.013 Übernahmeinteressenten haben sich dem DIHK-Report zufolge im Jahr 2015 bei einer IHK beraten lassen. Damit ist die Anzahl der Kandidaten mit Beratungsbedarf immerhin um 20 Prozent stärker gestiegen als die der Rat suchenden Senior-Unternehmer. Und: Immer mehr Frauen können sich vorstellen, eine Firma zu übernehmen. 2015 waren 22 Prozent aller Nachfolgeinteressenten weiblich, fünf Jahre zuvor waren es noch 15 Prozent gewesen.

Caroline Hartmann-Servie: Pioinierin für die weibliche Nachfolge.

Caroline Hartmann-Serve hat in Sachen „weibliche Firmennachfolge“ Pionierarbeit geleistet. Vielleicht zählt sie gerade deshalb zum Kreis der „Herzblut-Inhaber“, für die es nahezu ausgeschlossen ist, ihr Lebenswerk in fremde Hände zu geben. Hartmann-Serve ist bereits 1988 in das Unternehmen, das ihr Vater aufgebaut hatte, eingestiegen, hat es zwei Jahre später ganz übernommen. Mit Lochkarten hatte 1965 alles begonnen. Der EDV-Fachmann Claus Hartmann gründete die Lochkartenverarbeitungsgesellschaft (LVG) mit Sitz in Mönchengladbach. „Ich fand die Firma schon als Kind faszinierend“, berichtet die heutige Firmenchefin.

Ein Verkauf kaum vorstellbar

Als ihr Vater 1990 plötzlich verstirbt, führt die damals 27-Jährige den Betrieb allein weiter. Heute hat das Rechenzentrum Hartmann, wie das Unternehmen inzwischen heißt, 50 Mitarbeiter und erzielte zuletzt einen Umsatz von mehr als drei Mio. Euro. „Mein Herz hängt an dem Familienunternehmen“, sagt Caroline Hartmann-Serve heute. „Ich habe der Firma einen Großteil meines Lebens gewidmet, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, sie eines Tages zu verkaufen.“ Wenn sie ihr Unternehmen aber in fremde Hände übergeben müsste, würde sie sich am wohlsten fühlen, wenn es ein erfahrener zuverlässiger Mitarbeiter aus der Führungsetage übernehmen würde. Ein Management-Buy-out wäre dann die erste Wahl.

 

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Eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie gelingen immer seltener. Findet sich kein geeigneter Nachfolger, müssen Inhaber familiengeführter Unternehmen auf die Suche nach einem Käufer gehen. Ein Verkauf ist nicht die schlechteste Variante – sofern er rechtzeitig und sachlich geplant wird.

Anders ging es Uwe Hinrichsen. In den späten 1980er-Jahren hatte er sein Unternehmen Dilax Intelcom mit Sitz in Berlin gegründet. Die Berliner bieten Systemlösungen zur Erfassung und Lenkung von Personenströmen etwa in Stadien, Museen oder im Nahverkehr an. Dilax Intelcom beschäftigt heute rund 150 Mitarbeiter in Deutschland, Kanada, Großbritannien, der Schweiz und in Spanien. Für Hinrichsen, der jahrzehntelang viel Arbeit und Herzblut in sein Unternehmen gesteckt hatte, war irgendwann klar: „Mit 60 Jahren steige ich aus.“

Managerin und Gesellschafterin Jutta Marx: erst in der Geschäftsführung, dann Mitinhaberin.

Er musste etwas länger bleiben, doch dann fand er über einen Management-Buy-Out (MBO)  die Nachfolgerin seiner Wahl: Jutta Marx. „Zuerst fühlte es sich so ähnlich an, als wenn man von zu Hause auszieht“, sagt die heutige Firmenchefin. Seltsam und ohne das Gefühl, sich auf einen „doppelten Boden“ verlassen zu können. Zehn Jahre hatte Marx unterschiedliche Funktionen in der Firma innegehabt, seit 2010 war sie Mitglied der Geschäftsführung. „Ich habe Stück für Stück immer mehr Verantwortung übernommen“, berichtet sie. Auch auf der Suche nach einem Investor hat sie ihren damaligen Chef begleitet. Schließlich war die VR Equitypartner, eine Tochter der DZ Bank und der WGZ Bank, bereit, einen Teil des Kaufpreises zu finanzieren. Derzeit hält VR Equitypartner die Mehrheit der Firmenanteile, Firmengründer Hinrichsen ist noch beteiligt und in der Gesellschafterversammlung vertreten. In die Unternehmensführung mischt er sich nicht ein. „Aber wenn ich ihn frage, steht er mir mit seinem Wissen, mit Tipps und Ratschlägen zur Seite“, sagt Jutta Marx.

Viele Varianten des Verkaufs

Ein MBO ist eine, aber bei Weitem nicht die einzige Variante, die Unternehmer ohne geeigneten Nachfolger in der Familie in Erwägung ziehen sollten. „Infrage kommt selbstverständlich auch ein Management-Buy-in, bei dem ein oder mehrere Manager eines anderen Unternehmens die Firma übernehmen“, sagt IHK-Experte Markus Nacke. Der Verkauf an einen Finanzinvestor oder einen Strategen aus dem Ausland kann einen hohen Erlös aus der Veräußerung bescheren. „Und wer sein Unternehmen über einen Owner Buy-out verkauft, sichert sich mit der Option, später Anteile zurückzukaufen, den Einfluss auf sein Lebenswerk“, erklärt Nacke.

Quelle: DIHK

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Eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie gelingen immer seltener. Findet sich kein geeigneter Nachfolger, müssen Inhaber familiengeführter Unternehmen auf die Suche nach einem Käufer gehen. Ein Verkauf ist nicht die schlechteste Variante – sofern er rechtzeitig und sachlich geplant wird.

An Möglichkeiten, das eigene Unternehmen für die Nachwelt zu erhalten, auch wenn es den Kreis der Familie verlassen muss, mangelt es nicht. Und ein Verkauf muss auch nicht die schlechteste Lösung sein. „Immerhin hat ein motivierter Fremdnachfolger oft einen frischen, unverstellten Blick auf das Unternehmen“, erklärt Nacke. Er kann es neu aufstellen, verkrustete Strukturen aufbrechen, Arbeitsplätze sichern, der Firma mit neuen Ideen zu neuem Erfolg verhelfen. Ist ein Finanzinvestor an Bord, eröffnen sich eventuell auch zusätzliche finanzielle Spielräume.

Mit heißem Herzen und kühlem Kopf

„Die Frage, ob die Übergabe an einen externen Nachfolger gelingt, ob alle Beteiligten im Nachhinein zufrieden sein können, hängt aber ganz stark von der Einstellung des Altinhabers ab“, mahnt Nacke. Ungünstig sei es, wenn Unternehmer – und das geschehe oft – sich viel zu spät darüber bewusst würden, dass sie sich auf die Suche nach einem externen Nachfolger begeben müssen. „Auch überzogene Vorstellungen vom Kaufpreis sind häufig ein Knackpunkt, an dem Übergaben scheitern“, sagt Nacke. Während der Altinhaber seinen jahrzehntelangen Einsatz in eine Art „Herzblut-Rendite“ einpreist, geht es dem potenziellen Käufer schlicht und sachlich um künftig erzielbare Erträge. „Verkaufsverhandlungen werden von Firmeninhabern oft mit ‚heißem Herzen‘ geführt“, sagt Nacke. Es sei jedoch wichtig, dabei gleichzeitig einen „kühlen Kopf“ zu bewahren.

Jörg Lammer (Name geändert) hat ihn bewahrt. Der Ex-Unternehmer möchte seinen echten Namen lieber nicht in der Presse lesen, denn obwohl er es nicht bereut, seine Firma 2013 verkauft zu haben, plagt ihn in gewisser Hinsicht doch ein schlechtes Gewissen. „Natürlich begegne ich immer wieder mal ehemaligen Mitarbeitern, die mich schräg angucken“, sagt er. Ein über 60 Jahre lang inhabergeführtes Unternehmen an einen Konkurrenten abzugeben, kann nun einmal dafür sorgen, dass die Reputation leidet. Gerade, wenn der Altinhaber am Ort des Firmensitzes wohnen bleibt. Auch das ist ein Grund, der Firmenlenker vor einem Verkauf außerhalb der Familie zuweilen zurückschrecken lässt.

Alles schon mal gemacht

„Ich habe die Firma meines Vaters übernommen, als ich gerade 19 Jahre alt war“, sagt Lammer. Das war im Jahr 1985. In fast drei Jahrzehnten baute der Firmenchef sein Geschäft immer weiter aus, sorgte dafür, dass der Groß- und Einzelhandel für Mineralöl in der Nähe von Düsseldorf florierte. „Mit der Zeit hatte ich aber immer mehr das Gefühl, dass es für mich keine neuen Herausforderungen mehr gab, dass ich alles schon gemacht hatte“, erinnert sich Lammer. Zudem wollte er sein Leben endlich mal richtig genießen und nicht noch weitere 20 Jahre an der Spitze eines Unternehmens stehen. Einen geeigneten Nachfolger in der Familie hatte der Firmenchef nicht, einen Geschäftsführer wollte er nicht einstellen.

„Deshalb habe ich mich schließlich dazu entschlossen, den Betrieb zu verkaufen“, erzählt Lammer. Am 31. Dezember 2013 wechselte das Unternehmen, das 13 Mitarbeiter zählte und einen Umsatz von etwa zwei Mio. Euro schrieb, seinen Besitzer. „Bei der Suche hat mich ein Beratungs- und Vermittlungsunternehmen für Unternehmensnachfolgen im Mittelstand unterstützt“, sagt Lammer. Mit Erfolg, denn recht bald war der Käufer gefunden. „Die Kaufpreisverhandlungen waren schwierig“, erinnert sich der ehemalige Firmenchef. Doch schließlich einigten sich die Parteien. „Ich hatte mir im Voraus über verschiedene Verfahren ausrechnen lassen, welchen Preis ich nehmen könnte“, berichtet Lammer. So schlitterte er nicht mit überzogenen „Herzblut-Vorstellungen“ in die Verhandlungen, sondern konnte sachlich argumentieren.

„Es ist extrem wichtig, dass potenzielle Firmenverkäufer sich vor einer Veräußerung eine realistische Vorstellung von einem zu erzielenden Preis machen“, sagt Expertin Beatrice Rodenstock. Denn: Selbst wenn alle anderen Faktoren stimmen, scheitern Übergaben von inhabergeführten Unternehmen immer wieder an der Summe, die externe Nachfolger zu zahlen bereit sind. Um mit einer vernünftigen Preisvorstellung in die Verhandlungen zu gehen, sollten Unternehmer zuvor möglichst einen Berater einschalten, denn die Ermittlung des Firmenwertes ist keine einfache Sache.

Nächste Seite: Der Multiple Monitor schafft Abhilfe

Eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie gelingen immer seltener. Findet sich kein geeigneter Nachfolger, müssen Inhaber familiengeführter Unternehmen auf die Suche nach einem Käufer gehen. Ein Verkauf ist nicht die schlechteste Variante – sofern er rechtzeitig und sachlich geplant wird.

Realistischen Kaufpreis ermitteln

„Berater setzen meist drei Methoden gängiger Verfahren ein, um den Unternehmenswert und einen realistischen Kaufpreis zu ermitteln“, sagt Horst Friedrich, Inhaber des Beratungshauses Advisos Corporate Finance aus Oberursel: die Multiplikatoren-Methode, das Discounted-Cashflow-Verfahren und die Ermittlung des Ertragswertes. Anhand von Multiplikatoren können Firmeninhaber den Wert ihres Unternehmens selbst grob überschlagen.

„Das Multiplikatoren-Verfahren ist recht einfach“, sagt Friedrich. Als Basisgröße für die Berechnung des Firmenwertes wird eine betriebswirtschaftliche Kennzahl herangezogen, die den Gewinn des Unternehmens angibt, oft das EBIT. Dieses wird dann mit einem bestimmten Faktor, dem Multiple, multipliziert. Da Zinsen für eventuell aufgenommenes Fremdkapital im EBIT noch nicht berücksichtigt sind, werden diese abgezogen. So errechnet sich der Eigenkapitalwert des Unternehmens.

Die Multiples ergeben sich unter anderem aus vergleichbaren Transaktionen, sind also Faktoren, die sich beim Verkauf ähnlich aufgestellter Unternehmen innerhalb eines gewissen Zeitraums durchschnittlich realisieren ließen.

Allerdings weist die Berechnung mit diesen Multiplikatoren Tücken auf und führt oft zu ungenauen Ergebnissen. Das Beratungshaus Aquin & Cie hat daher für die Unternehmeredition einen neuen Ansatz entwickelt, der auf einem positiven EBIT beruht. In vier Schritten lässt sich so schnell ein präziser Unternehmenswert ableiten.

„Im ersten Schritt wird der Basis-Multiple ermittelt“, erklärt Thomas Grauvogl von Aquin & Cie. In den Basis-Multiplikator fließt unter anderem die ermittelte Stimmung am Markt ein, wie etwa der Ifo-Geschäftsklimaindex. „Schließlich lassen sich grundsätzlich höhere Preise erzielen, wenn die allgemeine Marktstimmung positiv ist“, sagt Grauvogl. Zehn Einflussfaktoren bestimmen den Basis-Multiple, auch Kennzahlen aus dem M&A-Markt spielen eine Rolle. Ein wichtiger Aspekt ist der Leitzins, der wesentlich dafür verantwortlich ist, zu welchem Zinssatz ein Käufer Fremdkapital aufnehmen kann.

„Im zweiten Schritt wird das Umsatzvolumen eines Unternehmens ermittelt, im dritten das Umsatzwachstum“, erläutert Grauvogl. Der vierte Schritt bewertet anhand von Fragen die relative Stärke der Firma, also die Position im Vergleich zu Wettbewerbern sowie die Attraktivität und Robustheit der Zielmärkte. „Zuletzt werden die ermittelten Werte addiert, daraus ergibt sich der Gesamt-Multiple“, sagt Grauvogl. Firmenlenker können den aktuellen EBIT-Multiplikator nach dem Verfahren von Aquin & Cie selbst errechnen. (www.unternehmeredition.de/multiple-monitor/)

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Roadmap erstellen

„Erst wenn der Kaufpreis realistisch berechnet ist, sollte die Suche nach einem geeigneten Käufer beginnen“, sagt Expertin Rodenstock. Dann sei es gut, wenn Unternehmer eine Roadmap mit allen wichtigen Punkten und Einzelschritten zur Unternehmensnachfolge erstellen.

„Die Suche nach einem geeigneten Käufer kann schnell gehen“, sagt Nacke. Sie könne sich jedoch auch über Jahre hinziehen. „Daher ist es ganz entscheidend, dass Unternehmer einen möglichen Verkauf sehr frühzeitig vorbereiten“, mahnt der Experte. Fünf Jahre vor dem gewünschten Eintritt in den Ruhestand sollten Firmenlenker auf jeden Fall mit der Planung der Unternehmensnachfolge beginnen. Andernfalls muss später eventuell ein Käufer genommen werden, der eigentlich kein Wunschkandidat ist. Und wer beim Verkauf unter Zeitdruck steht, erzielt möglicherweise auch nicht den gewünschten Kaufpreis.

Eine stattlicher Kaufpreis, ein über Jahre gewachsenes Vertrauen oder eine hohe Expertise: Viele Faktoren können den Chef eines Traditionsunternehmens ohne Nachfolger im Familienkreis dazu bewegen, sich für einen ganz bestimmten Käufer zu entscheiden. Und manchmal ist es eine gemeinsame Begeisterung – zum Beispiel für Luxus-Koffer.

 

 

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