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„In einer Notsituation reduziert man den Organismus auf das Lebensnotwendige“

Die im SDAX notierte SAF-Holland S.A. geriet im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise in schwieriges Fahrwasser, der Umsatz brach innerhalb kurzer Zeit um 50% ein. Mit einem harten Sparkurs, Verhandlungen mit Kunden, Lieferanten und Geldgebern gelang dem Zulieferer der Truck-und-Trailer-Industrie 2010 der Turnaround. Im Interview spricht CFO Wilfried Trepels über die Restrukturierung, die Zusammenarbeit mit Private-Equity-Gesellschaften und das weitere Zukunftspotenzial.

Unternehmeredition: Herr Trepels, was zeichnet das Geschäftsmodell von SAF-Holland aus und wie unterscheiden Sie sich vom Wettbewerb?

Trepels:
Wir produzieren Systeme für Auflieger und Anhänger von Nutzfahrzeugen (Truck und Trailer) sowie für Busse und Wohnmobile. Dazu zählen Achs- und Federungssysteme, Sattelkupplungen, Stützwinden und Königszapfen. Rund 60% des Umsatzes erzielen wir im Bereich Trailer, 20% im Bereich Truck und 20% im Aftermarket. Regional entfallen auf Nordamerika ca. 40%, auf Europa 50%, sonstige Märkte liegen noch unter 10%, aber mit steigender Tendenz. Unsere Wettbewerber sind entweder auf den Bereich Truck oder Trailer spezialisiert und regional entweder mehr in Europa, Nordamerika oder Asien unterwegs, wir sind in der Regel mit unseren Produkten breiter aufgestellt und in allen Regionen tätig. Einer unserer USPs: Wir zeichnen uns durch die Herstellung von gewichtsreduzierten Produkten aus. Das ist ein wettbewerbsentscheidender Faktor, denn ein geringeres Gewicht des Anhängers ermöglicht dem Spediteur entweder eine höhere Zuladung und damit mehr Umsatz – oder einen geringeren Dieselverbrauch und damit weniger Kosten.

Unternehmeredition: Im Vertrieb verfolgen Sie einen Push and Pull-Ansatz, d.h. Sie sprechen nicht nur Ihre direkten Kunden, sondern auch den Endverbraucher an. Was steckt hinter dieser in der Zulieferindustrie ja eher unüblichen Strategie?

Trepels:
Unsere direkten Kunden, Trailer- und Truck-Hersteller, wollen in erster Linie günstig einkaufen. Dagegen stehen für die Endkunden, also die Spediteure, Frachtführer, Leasingflotten, niedrige Total Costs of Ownership im Vordergrund. Dabei spielen nicht der Kaufpreis, sondern die Gesamtkosten, inklusive Ersatzteile, Verschleiß, Service, eine entscheidende Rolle. Sie achten sehr genau auf die Komponenten des Trailers, insbesondere auf die wichtigen Achssysteme, die die größte Belastung erfahren. Diese Endkunden versuchen wir mit einer eigenen Sales Force zu überzeugen, damit unsere Produkte spezifiziert werden. Das ist vergleichbar mit dem “Intel inside”-Prinzip. Unsere Produkte erkennt man gut an den Radkappen – schwarz mit rotem Punkt und SAF-Schriftzug in der Mitte – das ist in Deutschland etwa bei jedem drei LKW-Trailer der Fall. Eine Schlüsselrolle dabei spielt auch das große Servicenetzwerk, 9.000 Partnerwerkstätten weltweit. Das gewährleistet Ersatzteilverfügbarkeit. Das ist wichtig für die Spediteure, denn Pannen, die nicht rasch behoben werden können, bedeuten nicht nur eine verspätete Lieferung, sondern können auch zum Verlust des Auftrags führen.

Unternehmeredition: Der Konzern entstand 2006 aus der Fusion der beiden Nutzfahrzeugzulieferer SAF (Deutschland) und Holland (USA). Was waren die strategischen Ziele hinter dem Merger und konnten diese erreicht werden?

Trepels:
Beide Familienunternehmen wurden um das Jahr 1900 gegründet und haben ihre Wurzeln im Bereich Agriculture. Die Sauer Achsenfabrik SAF war immer stark in Europa und im Bereich Trailer, Holland aus West Michigan sehr stark in den USA und im Bereich Truck. Wir wollten nach Nordamerika, sie wollten nach Europa, beide haben sich ergänzende Servicenetzwerke, ein perfekt Fit. Statt einer Partnerschaft kam es zur Übernahme, da die Familieneigentümer der Firma Holland keine Nachfolgelösung hatten. SAF gehörte 2005 noch zu 60% der Deutschen Beteiligungs AG, zu 30% Herrn Sauer und 10% dem Management. Es folgte ein Private-Equity-Unternehmen, das die Anteile von der DBAG übernahm und bereit war, mit uns nach Nordamerika zu expandieren. Im Jahr 2009 haben wir mit der Produktion von Achsen in Nordamerika begonnen, zunächst 7.500 Achsen, 2011 30.000. Die Nachfrage ist so gut, dass wir unsere Produktionskapazität von 40.000 Achsen pro Jahr bis Ende 2012 auf 80.000 verdoppeln werden.

Unternehmeredition: Was waren die Ursachen für die schwere Krise, in die Ihr Unternehmen 2008 geriet?

Trepels:
Die Ursachen lagen in der Finanzkrise, die auf eine absolut intakte Realwirtschaft übergesprungen ist. In so einem Umfeld tritt jeder auf die Bremse und stellt seine Investitionen ein. Unser Umsatz ist damals weltweit um 50% zurückgegangen, unser Auftragseingang in Europa sogar um 70%. Im Vorfeld hatte der europäische Markt eine deutliche Überproduktion erlebt, mit hohen Vorratsbeständen, so dass sich der plötzliche Investitionsstopp besonders belastend auswirkte. Unsere Kunden, die Produzenten, hatten sich nicht rechtzeitig vorbereitet, d.h. sie hatten Trailer und Trucks auf Halde produziert und an die Händler geliefert. Es gab bei Eintritt der Krise etwa 100.000 Fahrzeuge, die den Markt verstopften, das entspricht etwa 50% einer normalen Jahresproduktion. Die Auswirkungen waren dementsprechend gravierender als im Automotive-Bereich. Selbst das sonst eher krisenresistente Ersatzteilgeschäft ging um 20% zurück.

Unternehmeredition: Was waren die entscheidenden Maßnahmen, um das Unternehmen wieder nach vorne zu bringen? Was waren die schwierigsten Hürden?

Trepels:
Es ist schwierig, sich aus einer Krise zu befreien, die man selbst nicht verursacht hat. Da kann man nur eines tun, sich in den Schützengraben begeben und wetterfest machen. In einer Notsituation reduziert man den Organismus auf das Lebensnotwendige. Wir haben im August 2008 sehr schnell reagiert und innerhalb von drei Monaten die Mitarbeiteranzahl besonders in Europa um die Hälfte reduziert. Wir haben dazu sehr eng mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten zusammengearbeitet. Sie wussten um den Ernst der Lage und wir haben gut kooperiert. Weitere wichtige Maßnahmen betrafen einen Investitionsstopp, deutliche Kostenreduzierungen und ein aktives Lieferantenmanagement. Das Geschäft lief ja noch weiter, wenngleich auf sehr niedrigem Niveau. Mit unseren Lieferanten, die keine Kreditversicherungen mehr für uns bekamen, mussten wir gut verhandeln. Schließlich haben sie uns weiter beliefert und uns auch erweiterte Zahlungsziele eingeräumt. Bei unseren Kunden haben wir genau das Gegenteil gemacht. Überfällige Forderungen haben wir nicht mehr akzeptiert und finanziell gutgestellte Kunden haben wir um Sofortkasse gebeten. Das hat uns Luft zum Atmen verschafft, und so sind wir bis 2010 vorsichtig durch die bedrohliche Situation hindurchgefahren. Unsere Mitarbeiter haben in Europa 30% kurzgearbeitet. Mit diesem Instrument ist Deutschland sicher besser als viele andere Länder durch die schwierige Phase gekommen. Obwohl unser Umsatz in der Krise von 800 Mio. auf 400 Mio. EUR eingebrochen war, konnten wir immer noch ein positives EBIT von 1,5 Mio. EUR einfahren – natürlich ohne Restrukturierungskosten. 2010 erreichte der Umsatz wieder 630 Mio. EUR.

Unternehmeredition: Die SAF-Holland S.A. ist seit Juli 2007 im Prime Standard der Deutschen Börse gelistet und seit Dezember 2010 im SDAX. Wie gestaltete sich der Gang an den Kapitalmarkt und die Zusammenarbeit mit Private-Equity-Gesellschaften?

Trepels:
Sowohl die DBAG als auch dann später das Private-Equity-Unternehmen Pamplona hielten jeweils mit 60% die Mehrheit der Anteile, 40% waren im Eigentum von Herrn Sauer und des Managements. Trotzdem war es immer eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Im Juli 2007 gelang uns “mit quietschenden Reifen” der Börsengang, als eines der letzten Unternehmen vor Ausbruch der damaligen Finanzkrise. Ziele waren frisches Geld und der weitestgehende Ausstieg von Private Equity. Doch die geplante Menge an Aktien war aufgrund der sich abzeichnenden Finanzkrise nicht am Markt unterzubringen. Daher hielt das Private-Equity-Unternehmen nach dem Börsengang noch 34,5%, die es erst im Mai 2010 an institutionelle Investoren veräußern konnte. Mit dem deutlich höheren Free Float kam die Aktie wieder in Schwung, und im Dezember 2010 stieg SAF-Holland in den SDAX auf. Nachdem uns im März 2011 eine Kapitalerhöhung mit einem Volumen von 140 Mio. EUR gelang, konnten wir unsere Bilanzstruktur und Finanzierungskonditionen deutlich verbessern und verfügen nun über eine Eigenkapitalquote von über 35%. Wir werden sie voraussichtlich auf 40% weiter ausbauen. Unser seit 2008 bestehender Konsortialkredit läuft bis September 2014. Wir prüfen derzeit verschiedene Möglichkeiten, die Finanzierung weiter zu optimieren

Unternehmeredition: Wie schätzen Sie die weiteren Zukunftsaussichten Ihres Unternehmens ein?

Trepels:
Die Transportmärkte stehen in engem Zusammenhang mit den Bedürfnissen der Weltbevölkerung, die bis 2025 auf vermutlich rund 8 Mrd. wachsen wird. Daraus ergibt sich für unsere Industrie ein enormes Zukunftspotenzial – man muss Gas geben und schnell und konsequent handeln. Derzeit profitieren wir noch von einem hohen Nachholbedarf an Investitionen in Trucks und Trailer in Europa und Nordamerika als Folge der Krise. Darüber hinaus sind wir in Wachstumsmärkten wie Brasilien, China und Russland aktiv und werden die internationale Expansion weiter voranbringen.

Unternehmeredition: Was ist Ihr wichtigster Rat an Unternehmer im Umgang mit Krisensituationen?

Trepels:
Wer in eine Notsituation gerät, handelt oft instinktiv richtig. So war es bei uns. Wichtig war, die Krise frühzeitig als solche wahrzunehmen – ehrlich zu sein statt wegzuschauen und zu denken, dass es schon wieder wird. Man muss schnell und konsequent handeln. Die kurzfristige Umsetzung von auch unpopulären Maßnahmen ist das Einzige, was am Ende des Tages hilft.

Unternehmeredition: Herr Trepels, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Wilfried Trepels
Wilfried Trepels ist Chief Financial Officer (CFO) der SAF-Holland Gruppe (www.safholland.com). Der Zulieferer der Truck- und Trailerindustrie konnte seinen Umsatz 2011 um 31,7% auf 831,3 Mio. EUR steigern. SAF-Holland hat sich auf Systeme für Auflieger und Anhänger von Nutzfahrzeugen (Truck und Trailer) sowie für Busse und Wohnmobile spezialisiert. Dazu zählen Achs- und Federungssysteme, Sattelkupplungen, Stützwinden und Königszapfen.

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