„Im reifen Bullenmarkt zählt das Gesamtkonzept“

Im Gespräch mit Torsten Reidel, Geschäftsführer der Grüner Fisher Investments GmbH, über Chancen, die ein reifer Bullenmarkt bietet.

Unternehmeredition: Herr Reidel, das Zinsniveau ist herausfordernd, die Aktienindizes befinden sich nahe Rekordhöhen: Müssen vor allem konservativ ausgerichtete Investoren endgültig umdenken?

Reidel: Mit einer konservativen Geldanlage verbinden viele Investoren den Werterhalt nach Inflation und geringe Schwankungsbreiten. Klar ist: Wer dieses Anlageziel über festverzinsliche Anlagen erreichen will, muss schon seit Jahren umdenken. Aktien sind aufgrund der relativen Attraktivität eine naheliegende Alternative, jedoch muss die Aktienquote im Gesamtportfolio mit der Risikoaversion des Anlegers vereinbar sein. Konservative Anleger verhalten sich auf der Suche nach Alternativen weiter zögerlich. Der Umdenkprozess wird sich jedoch mit steigendem Optimismus beschleunigen.

Unter welchen Maßgaben lohnt es Ihrer Meinung nach, an der Börse auch in einen reifen Bullenmarkt zu investieren?

Ein entscheidender Faktor ist der Anlagehorizont. Bei kurzfristiger Planung kann die erhöhte Volatilität im reifen Bullenmarkt unnötiges Risiko hervorrufen. Wer mittel- bis langfristig plant, sollte strikt auf Qualität achten. Global aufgestellte Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung sind in der reifen Phase des Bullenmarkts zu bevorzugen.

Wenn Dividenden die neuen Zinsen sind – welche Parameter sind in Ihrem Researchprozess am wichtigsten, wenn es um die zukünftige Ausschüttungsfähigkeit der Zielunternehmen geht?

Prinzipiell gilt es natürlich zu beachten, dass die Dividendenzahlung in einem gesunden Verhältnis zur Substanz des Unternehmens steht. Einige Unternehmen schütten hohe Dividenden aus, um damit das Interesse der Aktionäre zu wecken. Andere verzichten bewusst darauf, wie Warren Buffett mit Berkshire Hathaway. Er ist der Überzeugung, dass mit einer Thesaurierung der Gewinne viel mehr erreicht werden kann. Für uns zählt im reifen Bullenmarkt vor allem das Gesamtkonzept eines Unternehmens.

Wie viel Resilienz gegen Schwankungen müssen langfristig orientierte Anleger mitbringen?

Das „Geheimnis“ des langfristigen Anlageerfolgs bestand schon immer darin, eine Art emotionale Immunität gegen Schwankungen zu entwickeln. Risikoaverse Anleger sollten mithilfe der globalen Diversifikation die emotionalen Hürden so erträglich wie möglich gestalten. Eigentlich ist es paradox: Viele Anleger fürchten sich vor Schwankungen und riskieren in ihrem Aktienportfolio durch den starken Fokus auf die Heimatmärkte dennoch zusätzliche Volatilität.

Bedarf es eines individuell auf die jeweilige Risikobereitschaft zugeschnittenen, aktiv gemanagten Portfolios – oder sehen Sie sinnvolle standardisierte Lösungen?

Für Sparpläne oder kleinere Vermögen bieten breit aufgestellte ETFs eine gute Möglichkeit zur marktübergreifenden Diversifikation. Bei höherem Volumen erlauben Direktinvestments eine noch detailgetreuere Umsetzung der eigenen Markterwartung. Wirkliche Individualität entsteht jedoch erst durch maßgeschneiderte Betreuung. Daher pflegen wir den engen, proaktiven Austausch mit den Kunden unserer Vermögensverwaltung.


Zur Person

Torsten Reidel,
Geschäftsführer, Grüner Fisher Investments GmbH

info@gruener-fisher.de

 

 

 

 

 

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