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“Ich bin zunächst meinen eigenen beruflichen Weg gegangen”

Heinrich Hugendubel gilt als Urgestein des deutschen Buchhandels. Er setzte neue Maßstäbe in der Branche, eröffnete am Münchner Marienplatz die erste Erlebnis- und Großbuchhandlung Deutschlands – auf vier Etagen mit Leseinseln und Café – und baute Hugendubel zu einer angesehenen Marke mit mittlerweile 54 Filialen aus. Heute führen die Geschwister Nina und Maximilian Hugendubel das Unternehmen in fünfter Generation. Im Interview spricht Nina Hugendubel über die Bedeutung, Familienunternehmerin zu sein, wie die Entscheidung fiel, die Nachfolge anzutreten, und über die Herausforderungen des stationären Buchhandels.

Unternehmeredition: Frau Hugendubel, viele Kinder aus Familienunternehmen überlegen lange, ob sie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten oder nicht. Wann war für Sie klar, dass Sie das Unternehmen weiterführen möchten? Was bedeutet es heute für Sie, Familienunternehmerin zu sein?

Hugendubel: Ich denke, ein Familienunternehmer spürt eine doppelte Verantwortung im Gegensatz zu einem familienfremden Manager, da er gleichzeitig Gesellschafter und Geschäftsführer ist. Berührungspunkte zum Unternehmen gab es immer schon, weil wir mit unserem Vater zu Hause über seine Arbeit gesprochen haben, aber er hat nie Druck auf uns ausgeübt. Für mich war lange Zeit nicht klar, ob ich ins Unternehmen einsteigen will, und ich bin zunächst meinen eigenen beruflichen Weg gegangen. Erst als ich bereits im Arbeitsleben – außerhalb der Firma Hugendubel – stand, hatte mich mein Vater gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte. Ich habe darüber nachgedacht und mich letztendlich dafür entschieden, aber immer in dem Bewusstsein, es mir zunächst einmal möglichst objektiv anzusehen und dann eine Entscheidung zu treffen. Im Nachhinein war es die beste Entscheidung meines Lebens. Aber ich wusste es vorher nicht. Ich habe es ausprobiert, und es war dann absolut richtig.

Unternehmeredition: Vor dem Einstieg in das Unternehmen arbeiteten Sie insgesamt sechs Jahre bei Time Warner in New York und für die Verlagsgruppe Holtzbrinck. Wie wichtig war es für Sie, außerhalb des eigenen Familienunternehmens berufliche Erfahrungen zu sammeln? Was waren die wichtigsten Meilensteine in Ihrem Nachfolgeprozess?

Hugendubel: Ich hatte zwar vorher in der Verlagsbranche gearbeitet, aber nicht im Hinblick auf einen möglichen späteren Einstieg ins Familienunternehmen, sondern rein aus persönlichem Interesse. Für mich waren diese externen Erfahrungen sehr wichtig. Man tritt so mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein ins Familienunternehmen ein. Für die Mitarbeiter ist es wichtig zu sehen, dass jemand aufgrund seiner Erfahrung und Qualifikation die Nachfolge antritt und nicht nur deswegen, weil man Sohn oder Tochter ist. Ich startete 2001 bei Hugendubel als Marketingleiterin. Mein Bruder Maximilian, Jurist und Unternehmensberater, stieß ein Jahr später dazu im kaufmännischen Bereich. 2003 kamen wir zusammen in die mittlerweile fünfköpfige Geschäftsführung. Dann wurde mein Vater krank und war immer weniger präsent, bis er 2005 gestorben ist.

Unternehmeredition: Sie führen die Buchhandlung seit dem Tod Ihres Vaters im Jahr 2005 gemeinsam mit Ihrem Bruder Maximilian und zusammen mit drei familienfremden Managern. Sie sind zuständig für Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Direktvertrieb und New Media, er für Finanzen und Expansion. Birgt diese Familienpräsenz im Management eher Chancen oder Risiken?

Hugendubel: Das hat alles Vor- und Nachteile. Bei uns bewegen sich alle Geschäftsführer auf Augenhöhe und sind gleichgestellt. In seltenen Fällen müssen mein Bruder und ich aus der Sicht als Gesellschafter eine Entscheidung treffen, aber in der Regel finden wir immer zu gemeinsamen Lösungen. Wir sind alle sehr diskussionsfreudig. Die Zusammenarbeit mit meinem Bruder läuft gut, wir können gut das Private vom Beruflichen trennen – im Unternehmen sprechen wir auf der Sachebene miteinander, eher wie Geschäftsführer und weniger wie Geschwister.

Unternehmeredition: 2007 haben Sie und die Verlagsgruppe Weltbild Ihr Filialgeschäft in die Finanzholding DBH eingebracht – die damals größte deutsche Buchhandelskette. Eine Hälfte der DBH gehört Hugendubel, die andere Weltbild. Wie war es für Sie, nach mehr als 100jähriger Tradition als Familienunternehmen die Selbstständigkeit aufzugeben?

Hugendubel: Emotional war diese Entscheidung nicht leicht, aber sachlich und fachlich richtig. Man muss als Familienunternehmer nüchtern abwägen, wie man die Firma am besten in die Zukunft führen kann. Das waren die Überlegungen damals, die DBH zu gründen. Wir wussten, dass wir uns verbünden müssen, wenn wir auch mittelfristig eine wirklich wichtige Rolle im Buchmarkt spielen wollen. Und wir wollten uns rechtzeitig aus einer Situation der Stärke heraus mit einem Wunschpartner zusammenschließen. Sicher hätten wir auch ohne Probleme noch zehn Jahre so weitermachen können, aber dann wäre es vielleicht schwieriger geworden, einen Partner zu finden. Ich denke, in solchen Situationen muss man das Unternehmen über sich selbst stellen und es immer wieder schaffen, das Emotionale so gut es geht außen vor zu lassen.

Unternehmeredition: Hat der stationäre Buchhandel angesichts der steigenden Konkurrenz durch das Internet überhaupt noch Zukunft? Welche Visionen haben Sie für Ihr Unternehmen?

Hugendubel: Der Vertriebsweg Internet wird natürlich noch wichtiger als bisher und die Digitalisierung von Verlagsprodukten weiter an Bedeutung gewinnen – diese Bereiche wollen wir natürlich künftig auch noch stärker besetzen. Trotzdem wird der stationäre Buchhandel auch in Zukunft eine wichtige Daseinsberechtigung haben. Beide Vertriebswege ergänzen und befruchten sich. Das Internet bietet die größte Auswahl, in einem Buchladen treffen wir aufgrund des begrenzten Platzes die beste Auswahl und können unsere Kunden persönlich beraten. In den Filialen wird das Thema “Erlebnis” immer wichtiger – da sind wir schon gut dabei mit unseren Cafés und Leseinseln und arbeiten gerade an neuen Ideen. Wir haben bereits Ergänzungssortimente zum Buch eingeführt, wie CDs, Hörbücher und Kinderspiele, und wollen diesen Bereich in Zukunft weiter ausbauen.

Unternehmeredition: Wie sollten sich Unternehmer idealerweise auf die Nachfolge vorbereiten?

Hugendubel: Als Quintessenz meiner Erfahrung möchte ich dem Unternehmer eine Portion Mut zum Abstand empfehlen, das Vertrauen in die Nachfolger mitzubringen, ab einem gewissen Punkt wirklich die volle Verantwortung zu übertragen und auch Fehler zuzulassen. Das habe ich mir auch fest vorgenommen, falls meine Kinder jemals im Unternehmen arbeiten sollten. Den Nachfolgern würde ich immer raten, wohlüberlegt in ein Unternehmen einzusteigen und zu Beginn erst die Perspektive eines Mitarbeiters einzunehmen, sich einzugliedern und nicht gleich von Anfang an als Chef aufzutreten. Für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern ist es wichtig, im Vorfeld externe Erfahrungen zu machen.

Unternehmeredition: Frau Hugendubel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Nina Hugendubel
Nina Hugendubel ist geschäftsführende Gesellschafterin der H. Hugendubel GmbH & Co. KG (www.hugendubel.de). In der 2007 von Hugendubel und Weltbild gegründeten Finanzholding DBH Buch Handels GmbH & Co. KG, einem der größten Buchhandelsnetze Deutschlands mit einem Jahresumsatz von 743 Mio. EUR (2009), sind u.a. die Marken Hugendubel, Weiland, Weltbild, Jokers sowie 25 Karstadt-Buchabteilungen gebündelt.

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