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Heterogenität von Single Family Offices

Die Diskretion wohlhabender Unternehmerfamilien ist der zentrale Grund für das bisher limitierte Wissen über Single Family Offices (SFOs). Dabei hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch das Niedrigzinsumfeld die Vermögensanlage von Unternehmerfamilien fundamental verändert. Über vier SFO-Archetypen und ihre Besonderheiten.

Der Begriff SFO umfasst alle Organisationseinheiten im Besitz einer Unternehmerfamilie, die das Vermögen der Familie verwalten beziehungsweise investieren und ausschließlich den Interessen der jeweiligen Familie verpflichtet sind. Für diese Studie hat das Autorenteam 323 SFOs im deutschspra-chigen Raum kontaktiert. Mit Prinzipalen oder Family Officers von 109 SFOs wurden Interviews durchgeführt.
Der unternehmerische Hintergrund der Familien war sehr facettenreich, mit Schwerpunkten im ver-arbeitenden Gewerbe sowie im Handel. Das Kapital der SFOs rangierte zwischen zweistelligen Millionen- und zweistelligen Milliardenbeträgen. Meist liegt der Ursprung des Kapitals in Anteilsverkäufen von Unternehmensbeteiligungen und/oder Überschussrenditen aus den ursprünglichen Unternehmen. Die unternehmerische Tradition konnte vereinzelt über 30 Generationen zurückverfolgt werden. Im SFO selbst ist allerdings bei fast 90 Prozent der Befragten die erste oder zweite Generation in der Verantwortung. Denn in Deutschland gibt es zwar viele traditionsreiche Unternehmerfamilien, doch diese haben sich erst ab circa 1970 mit dem Thema SFO auseinandergesetzt.


„Wenn das ursprüngliche Unternehmen nicht mehr im Besitz der Familie ist, dann kann das SFO zum neuen unternehmerischen Nukleus werden.“


Diversifikation und Vermögenserhalt im Fokus

Grundsätzlich streben SFOs eine diversifizierte Assetallokation an. Dies bedeutet eine Streuung der Vermögenswerte über unterschiedliche Assetklassen (etwa Anleihen oder Immobilien) oder innerhalb einer Assetklasse (zum Beispiel unterschiedliche Anleihen). Die Mehrheit der SFOs betont bei der Anlage primär den Vermögenserhalt und weniger dessen Wachstum. Gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld müssen jedoch bestimmte Risiken akzeptiert werden, um nach Inflation eine positive Rendite zu erwirtschaften. So hoben mehrere Interviewpartner hervor, dass vor der Niedrigzinsphase ab 2012 ein Großteil des Vermögens in die drei Klassiker Anleihen, Immobilien und Aktien investiert wurde. Seit 2012 werden risikoarme Anleihen meist als unattraktiv eingeschätzt. Die Bewertungen von Immobilien und Aktien sind deutlich gestiegen. Es ist also nicht überraschend, dass viele SFOs die Assetallokation als zentrale Herausforderung sehen.

Die Diskretion wohlhabender Unternehmerfamilien ist der zentrale Grund für das bisher limitierte Wissen über Single Family Offices (SFOs). Dabei hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch das Niedrigzinsumfeld die Vermögensanlage von Unternehmerfamilien fundamental verändert. Über vier SFO-Archetypen und ihre Besonderheiten.

Alternative Assetklassen gewinnen an Bedeutung

In den vergangenen Jahren wurde daher vermehrt in alternative, illiquidere Assetklassen investiert. Im Vordergrund standen dabei Venture Capital, also Investitionen in Start-ups, sowie unternehmerische Direktbeteiligungen, sprich meist mehrheitliche Übernahmen von Firmen mit etablierten Ge-schäftsmodellen. Die direkte Investition in innovative Start-ups war bei den untersuchten SFOs vor allem dann erfolgreich, wenn die jeweiligen Familienmitglieder selbst ihre Expertise beziehungsweise ihr Netzwerk beisteuern konnten. Ansonsten waren SFOs mit Venture Capital-Fonds oder im Rahmen von Co-Investitionen oft erfolgreicher. Bei unternehmerischen Direktbeteiligungen scheint erfolgs-entscheidend zu sein, sich auf wenige und vertraute Industrien zu fokussieren und einen guten Zugang zu potenziellen Zielfirmen zu finden.


„Venture Capital und unternehmerische Direktbeteiligungen sind inzwischen die wichtigsten alternativen Assetklassen.“


Venture Capital und Direktbeteiligungen sind nicht nur eine Vermögensanlage, sondern umfassen häufig auch eine unternehmerische Tätigkeit beziehungsweise Lenkungsfunktion, etwa im Aufsichtsrat. Die Autoren konnten sogar beobachten, dass einige der SFOs als unternehmerische Industrieholdings organisiert sind und verschiedene Direktbeteiligungen strategisch kombiniert und weiterentwickelt haben. So ist es auch nicht überraschend, dass die meisten SFOs die jeweiligen Unternehmens-beteiligungen, wenn überhaupt, selektiv verkaufen und oft auch an die nächste Generation übergeben möchten. Dies ist der zentrale Unterschied zwischen unternehmerischen Direktbeteiligungen von SFOs und dem Geschäftsmodell der meisten Private Equity-Firmen, die in der Regel nach vier bis sieben Jahren den Weiterverkauf anstreben.
Die SFOs mit unternehmerischen Direktbeteiligungen hielten durchschnittlichen 13 Beteiligungen mit einer durchschnittlichen Umsatzgröße von 50 Mio. Euro (Median). Viele dieser Unternehmen waren Familienunternehmen. Die Interviewpartner begründeten dies unter anderem damit, dass Unter-nehmerfamilien „dieselbe Sprache sprechen“, gemeinsame Werte teilen und damit leichter ein Ver-trauensverhältnis aufbauen können.

Heterogenität der SFOs beeinflusst Anlageschwerpunkte

Die grundsätzlichen Aussagen zur Anlagelogik sowie den Assetklassen können für unterschiedliche Gruppen der SFOs differenziert und geschärft werden. In den Interviews konnten die Autoren fest-stellen, dass für eine Unterteilung der SFOs zwei Fragen entscheidend sind. Erstens: Befindet sich das ursprüngliche Familienunternehmen noch im Besitz der Familie (55 Prozent der Fälle)? Zweitens: Befindet sich das SFO noch in der ersten Generation (47 Prozent der Fälle)? Es resultieren vier SFO-Archetypen, die unter anderem bei ihren Investitionsschwerpunkten äußerst unterschiedlich sind.

Die Diskretion wohlhabender Unternehmerfamilien ist der zentrale Grund für das bisher limitierte Wissen über Single Family Offices (SFOs). Dabei hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch das Niedrigzinsumfeld die Vermögensanlage von Unternehmerfamilien fundamental verändert. Über vier SFO-Archetypen und ihre Besonderheiten.

Die Gründer-SFOs (29): Nach dem Verkauf des ursprünglichen Unternehmens stellen sich folgende Fragen: Was sind unsere Ziele? Wie können wir den Zusammenhalt als Familie und das Unternehmertum bewahren? Das SFO wird tatsächlich oft mit Blick auf diese Fragen überhaupt erst gegründet. Darüber hinaus kann es auch steuerliche Überlegungen geben, da eine zeitnahe und vergleichbare Investition des Verkaufserlöses vorteilhaft sein kann. Ein generationsübergreifender Gedanke steht in den ersten Jahren meist nicht im Vordergrund. Einige dieser SFOs sind aus dem Verkaufserlös von Start-ups in der New Economy entstanden. Wegen der entsprechenden Expertise ist es also nicht verwunderlich, dass diese SFOs häufig in Venture Capital investieren.

Die Portfolio-Unternehmer-SFOs (20): Obwohl das ursprüngliche Unternehmen nicht mehr im Besitz der Familie ist, entwickelt sich hier häufig wieder eine Tradition rund um das jeweilige SFO. Dieses SFO wird somit emotional selbst zu einem Identitätsanker der Familie. In diesen Fällen wieder ein gängiges Mantra: Das SFO und damit das Vermögen ist nur von den eigenen Kindern geliehen und soll an diese übergeben werden. Auffällig ist, dass 70 Prozent dieser SFOs in unternehmerische Direktbeteiligungen investieren – ein höherer Wert als bei allen anderen SFO-Archetypen. Dies ist symptomatisch für die tendenziell starke Betonung von Vermögenswachstum (gegenüber Vermögenserhalt).


„Wenn das ursprüngliche Familienunternehmen nicht mehr im Besitz der Familie ist, so neigen SFOs besonders häufig zu unternehmerischen Direktbeteiligungen.“


Die Optimierer-SFOs (22): Neben dem ursprünglichen Unternehmen haben diese Familien in der aktuellen Generation ein SFO gegründet, um das tendenziell große Vermögen besser zu diversifizieren. Die Unternehmen sind so etabliert, dass sie die Gewinne zu einem großen Teil nicht thesaurieren müssen und damit sinnvoll re-investieren können. Im Vordergrund stehen also pragmatische Überle-gungen. Dazu gehört etwa eine kostengünstige und verlässliche Vermögensverwaltung, die im Ernstfall als Absicherung dienen soll. Die Identität der Familie ist in der Regel vollständig an das ursprüngliche Unternehmen geknüpft. Das SFO wird als passende Lösung für die Vermögensoptimierung (Di-versifikation) angesehen.

Die Bewahrer-SFOs (38): Diese Familien haben sowohl das ursprüngliche Unternehmen als auch das SFO über mindestens zwei Generationen bewahrt. In vielen Fällen verknüpft die jeweilige Familie mit beiden Einheiten einen emotionalen Wert und möchte diese Tradition für die folgenden Generationen erhalten. Auffällig ist, dass lediglich 32 Prozent dieser SFOs in unternehmerische Direktbeteiligungen investieren – ein niedrigerer Anteil als bei allen anderen SFO-Archetypen. Grundsätzlich wird bei diesen SFOs der Kapitalerhalt besonders stark priorisiert.

Die Diskretion wohlhabender Unternehmerfamilien ist der zentrale Grund für das bisher limitierte Wissen über Single Family Offices (SFOs). Dabei hat sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch das Niedrigzinsumfeld die Vermögensanlage von Unternehmerfamilien fundamental verändert. Über vier SFO-Archetypen und ihre Besonderheiten.

Fazit

Die Anzahl der SFOs nimmt in Summe und für jeden Archetyp kontinuierlich zu. Gleichzeitig sind die Herausforderungen für SFOs unter anderem durch das Niedrigzinsumfeld gestiegen. Dies macht eine weitere Beschäftigung mit dem Thema SFOs unerlässlich, etwa mit Blick auf Erfolgsfaktoren und Governance.


Zum Team

Merck Finck-Juniorprofessor Dr. Max Leitterstorf (ganz rechts), Philipp A. Bierl, Antonia Schickinger (ganz links) und Prof. Dr. Nadine Kammerlander sind Teil des Instituts für Familienunternehmen der WHU – Otto Beisheim School of Management (ifb@WHU). Das Institut versteht sich als Impulsgeber und Vordenker rund um die Themenfelder Unternehmerfamilien und Familienunternehmen. Für die vollständige Studie kontaktieren Sie das Autorenteam unter ifb@whu.edu.

 

 

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