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Heinrich Schmid: Handwerker 2.0

Vom kleinen Mittelständler entwickelte sich die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid zu einem der größten Malerbetriebe in Europa. Um führend zu bleiben, sucht Alt-Gesellschafter Carl-Heiner Schmid den Handwerker 2.0 – manchmal auch mit ungewöhnlichen Methoden.

Für Carl-Heiner Schmid steht fest: „Das einzig wichtige, das man seinen Kindern schenken kann, sind Erinnerungen.“ Die erste Märzwoche verbrachte er deswegen in Kanada im Schnee. Mit seinem jüngsten Sohn flog er zum Heliskiing in die Rocky Mountains. 75 Jahre ist er mittlerweile alt und noch kein bisschen

Führte den Betrieb seines Großvaters zu internationaler Größe: Carl-Heiner Schmid. (© Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG)

müde. Das hat auch damit zu tun, dass er nicht rastet. Der Sport begleitet ihn schon sein ganzes Leben lang, und fast hätte er sein Hobby zum Beruf gemacht. Parallel zum BWL-Studium in München studierte er auch an der Sportakademie. Schmid ist staatlich geprüfter Skilehrer.

Entscheidungen zu treffen, war immer ein wichtiger Bestandteil in seinem Leben. Auch als er nach der Schule die Wahl hatte, auf die Kunstakademie zu gehen. Letztlich siegte das Unternehmer-Gen. Väterlicherseits wurde ihm dieses in die Wiege gelegt. „Wir sind in der fünften Generation Maler“, sagt Schmid. Zählt man seine drei Söhne dazu, die mittlerweile ebenso im Unternehmen angestellt sind, ist es sogar die sechste, die den Handwerksberuf ausübt.

Mehr Gewerke, mehr Aufträge

Eine Schmidsche Eigenschaft, wie es der Firmenpatriarch nennt, war es schon immer, dass Vater und Sohn jeweils gemeinsam im Unternehmen waren und jeder wiederum angefangen hat, sein eigenes Unternehmen aufzubauen. Großvater Heinrich Schmid gründete das Unternehmen 1914 in Metzingen. Damals bestand der Malerbetrieb aus einem Meister, einem Gesellen und dem Lehrling. In und um Reutlingen baute er sich einen Kundenstamm auf und übergab dann an seinen Sohn. Nach zwei Weltkriegen fing dieser wieder nahezu von vorne an. Ende der 60er-Jahre beschäftigte er dann bereits 200 Mitarbeiter. Carl-Heiner kam 1966 dazu. Das Unternehmen war damals noch ein regionales und auf Malerarbeiten beschränkt. Heute ist die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid ein europaweit führender Malerbetrieb mit rund 4.200 Beschäftigten und über 100 Niederlassungen.Vom kleinen Mittelständler entwickelte sich die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid zu einem der größten Malerbetriebe in Europa. Um führend zu bleiben, sucht Alt-Gesellschafter Carl-Heiner Schmid den Handwerker 2.0 – manchmal auch mit ungewöhnlichen Methoden.

Genau erinnert sich der Senior-Gesellschafter noch an den Tag, der vieles veränderte. Sein alter Herr, wie Schmid seinen Vater nennt, stand vor ihm und sagte: „Junge, es gibt nichts mehr zu streichen.“ Es gäbe nur noch Fenster aus Aluminium und abgehängte Decken. Damals schlug der alte Herr vor, zusätzlich eben diese künftig zu montieren. Der erste Versuch des Vaters floppte. Er übergab den Teil des Geschäfts an den Sohn. Seitdem war Carl-Heiner für abgehängte Decken verantwortlich. Und er baute die Geschäftsidee aus. „Warum sollten wir, wenn wir doch schon so nah am Kunden sind, nicht noch weitere Gewerke anbieten?“, fragte er sich damals. Es würde doch keinen Sinn machen, dass sich der Kunde alles selbst zusammenstöpseln muss.

Längst fährt Schmid eine Mehrgewerkstrategie und ist damit sehr erfolgreich. One-Stop-Shopping nennt er es. Ähnlich einer Tankstelle, an der man außer Benzin auch alles für den täglichen Bedarf bekommt. Zwar war nicht jeder im Betrieb begeistert. Den Kulturgraben zwischen Stuckateuren, Malern, Elektrikern, Sanitär- und Heizungsbauern musste er erstmal zuschütten. Doch stetig ging es voran. Auch wenn noch nicht jede Niederlassung sämtliche Gewerke anbietet.

Mit klarer Sprache gestalten

Aus dem operativen Geschäft hat sich Schmid mittlerweile zurückgezogen. Der Führungszirkel besteht aus sechs Leuten, die sich über Jahre nach oben gedient haben. Bei Heinrich Schmid hat dies Tradition. Zudem muss jede Führungskraft einen Gesellenbrief und einen Meisterabschluss in der Tasche haben. Ansonsten ist eine Karriere im Unternehmen unmöglich. Wichtig sei dies für die Kultur im Unternehmen. Diesen Anspruch hat Carl-Heiner Schmid auch an seine Söhne. Der älteste ist Betonexperte und Niederlassungsleiter in Karlsruhe, der mittlere ist gelernter Trockenbauer, hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und macht gerade seinen Meister. Und auch der jüngste hat, wie in der Familie eben üblich, einen Handwerksberuf erlernt. Er hat seinen Stuckateurgesellenbrief und wird ebenfalls den Meister machen. Bereits jetzt halten die Söhne 96 Prozent der Gesellschafteranteile. Die Mehrheit der Stimmrechte liegt allerdings immer noch beim Vater.

Sich komplett zurückziehen und nur noch konsumieren kann Schmid nicht. „Ich muss produzieren und gestalten können“, sagt er. Offen gibt er zu, dass es natürlich

Sitz von Heinrich Schmid in Reutlingen: Kunst und Kultur sind dem Unternehmen wichtig. (© Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG )

guttut, auch im Alter noch gefragt zu werden. Er hält Vorträge, beschäftigt sich mit Kunst und versucht, teilweise auch mit philosophischen Ansätzen, Strukturen ins Unternehmen einzuziehen. Um den Handwerkern nahe zu sein und seine Gedanken einfach zu beschreiben, verwendet Schmid seine eigene, bildhafte Sprache. „Terrible Simplificateur“ (furchtbarer Vereinfacher) schrieb sein Physiklehrer schon in der zwölften Klasse unter eine Klassenarbeit, als Schmid versuchte, eine Aufgabe grafisch anstelle von Zahlen zu lösen. „Erklären Sie einem Handwerker das Wort Compliance“, sagt er, ohne despektierlich wirken zu wollen. „Abstand durch Anstand sage ich zu ihm.“ Es sei doch ganz einfach: Drei Worte, zwei Begriffe. Es bleiben: Keine Fragen. „Man braucht eine Sprache, die einfach, aber nicht simpel ist.“ Fragt man ihn nach der Zukunft und dem Erfolg des Unternehmens sagt er: „Mehr ist anders“, und meint, wenn man erfolgreich sein will, muss man Dinge verändern und neue Wege beschreiten.Vom kleinen Mittelständler entwickelte sich die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid zu einem der größten Malerbetriebe in Europa. Um führend zu bleiben, sucht Alt-Gesellschafter Carl-Heiner Schmid den Handwerker 2.0 – manchmal auch mit ungewöhnlichen Methoden.

Über Vereinfachung will er die Mitarbeiter gewinnen und deren Kraft nutzen. Wie er Tempo auf die Straße bringt, erklärt er gerne an einem Modellrennwagen, der in seinem Büro steht. Jedem Reifen hat er ein eigenes Profil gegeben. Für ihn gibt es im Handwerkerleben vier wichtige Begriffe: Kunde, Mitarbeiter, Baustelle, Geld. „Hört sich ein Rad auf zu drehen, läuft die ganze Karre nicht“, sagt Schmid. „Drücke auf das Gas, aber nicht hirnlos.“ Die Mitarbeiter würden diese Sprache gut verstehen. Und immer wieder appelliert er an die Bedeutung des Teams, auch weil er sich darauf verlassen muss, dass es in diesem weitverzweigten Unternehmen funktioniert: „Wir sind eine dezentrale Gesellschaft“, sagt Schmid. Organisiert ist sie in Profit-Centern. Jede Niederlassung erstellt eine monatlich aktualisierte Gewinn-und-Verlust-Rechnung unter Jahresendbedingungen, sodass die Zentrale in Reutlingen schnell Bescheid weiß, wenn es in irgendwo klemmt.

Heinrich Schmid sucht Dienstleister von morgen

Carl-Heiner Schmid mit seinen Söhnen: Alle drei sind im Unternehmen tätig. (© Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG)

Stetig bastelt Schmid an seinem Handwerker 2.0: Dafür braucht er eine Mischung aus Akademikern mit Verständnis für das Handwerk, und Handwerker, die es verstehen, dienstleistungsorientiert zu arbeiten. Der klassische Maler sei ein Materialtechniker. Er nimmt von seinem Meister Anweisungen an, führt diese gewissenhaft aus und ist dann auch wieder weg. Schmid geht das nicht weit genug: „Der Handwerker 2.0 soll ein intelligenter Dienstleister sein.“ Nichts sei schöner als der Applaus für einen Folgeauftrag. Doch Menschen seien meist eher energiesparende Individuen. Und so gefällt es Schmid auch nicht so sehr, dass die Nachfrage nach guten Handwerkern das Angebot momentan übersteigt. „Diese statistische Knappheit kann im Auftritt verführen“, so Schmid.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, begann das Unternehmen früh, selbst für Nachwuchs zu sorgen. Auch dazu fällt dem Senior etwas ein: Von HS bis HS – sprich von der Hauptschule bis zur Hochschule im Unternehmen. Längst verfügt Heinrich Schmid über eine eigene Führungsakademie, die jährlich mehr als 400 Mitarbeiter besuchen. Eng arbeitet das Unternehmen bereits seit 35 Jahren auch mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zusammen und fördert so duale Studiengänge. Auch in Schulen ist das Unternehmen präsent: In Kooperation mit einem Gymnasium können Schüler ab der neunten Klasse bis zum Abitur eine Lehre machen. Schmid hofft, dass er bis zum Sommer fünf Schüler gefunden hat, die das Angebot annehmen. „Die Bildungsflut nimmt zu, wir müssen uns darum kümmern“, sagt Schmid. Er will es nicht sein, der sich mit dem Handel, Industrie und Pflegeeinrichtungen um das Viertel Auszubildender ohne Abitur schlägt.

Kurzprofil Unternehmensgruppe Heinrich Schmid 

 Gründungsjahr 1914
 Branche Handwerk
 Unternehmenssitz  Reutlingen (b. Stuttgart)
Umsatz 2015/16e rund 440 Mio. Euro
 Mitarbeiterzahl ca. 4.200

www.heinrich-schmid.com

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