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Heimlicher Gewinner aus dem Schwarzwald

Neun von zehn Schwarzwälder Kuckucksuhren werden durch Werke der Burgergruppe angetrieben. Autobauer, Medizintechnikunternehmen und Maschinenbauer setzen auf die Antriebstechnik der Schonacher – und das seit 160 Jahren.

Firmenchef Thomas Burger und Frau Silke: Die fünfte Generation leitet das Unternehmen.

Jeden Tag, pünktlich zur vollen Stunde, kommt das Vögelchen bei den Burgers aus dem Haus. Zu Kuckucksuhren hat Thomas Burger, Chef der Gruppe, ein besonderes Verhältnis: In der sechsten Generation produziert seine Familie mechanische Werke für die weltbekannten Uhren. Sie sind das Herzstück der Zeitmesser. Es wundert also kaum, dass Burger mehrere von diesen hat. Allerdings lässt er die Uhren nicht parallel laufen. Der Lärm wäre ohrenbetäubend, würden alle Vögel gleichzeitig trällern. Noch heute spielt die Produktion der Werke eine Rolle – wenn auch eine überschaubare. Längst ist das Unternehmen ein führender Hersteller in der Antriebstechnik für unterschiedlichste Einsatzgebiete.

Doch produziert die Burgergruppe noch immer rund 90 Prozent aller mechanischen Antriebe der original Schwarzwälder Kuckucksuhren. Lediglich ein Wettbewerber ist dort übrig geblieben. Dieser stellt allerdings auch komplette Uhren her. Der Gesamtmarkt für das Schwarzwälder Aushängeprodukt, so schätzen Experten, liegt insgesamt bei rund 100.000 verkauften Werken pro Jahr – in jeder Uhr steckt eines. Dazu kommen einige mit in Fernost gefertigten Quarzwerken. „Wir setzen auf Tradition mit Innovation“, sagt Burger. Nur wenn die Uhren kettengetrieben sind, eine gewisse Bauform und ein mechanisches Uhrwerk haben, dürfen sie das Original-Label haben. Zudem muss ein hoher Wertschöpfungsanteil aus dem Schwarzwald kommen. Traditionell werden hier die meisten Uhren verkauft. Ob in den alten Uhren, die Burger sammelt, tatsächlich Werke der Familie verbaut sind, lässt sich nicht genau bestimmen, da diese keinen Stempel haben. „Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch“, sagt er.

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Neun von zehn Schwarzwälder Kuckucksuhren werden durch Werke der Burgergruppe angetrieben. Autobauer, Medizintechnikunternehmen und Maschinenbauer setzen auf die Antriebstechnik der Schonacher – und das seit 160 Jahren.

Tradition seit 160 Jahren

Die Uhr beschäftigt das Unternehmen seit der Geburtsstunde im Jahr 1856. Josef Burger hatte sich damals im Keller seines Hauses selbstständig gemacht und eine Gießerei aufgebaut, die sich mit dem Sandgussverfahren auseinandersetzte. Er goss Rohlinge für Uhrwerke. Bauern, die in den Wintermonaten eine Beschäftigung suchten, kauften die Teile, schnitten Zähne in das Material und bauten komplette Uhren. Anfang des 20. Jahrhunderts begann dann die industrielle Fertigung. An einem Fluss baute die Familie eine Industriehalle in Schonach und produzierte Baugruppen statt Einzelteilen. Was bis dato gegossen wurde, wurde fortan gestanzt. Den Höhepunkt fand der Uhrenabsatz nach dem Zweiten Weltkrieg.


“Hätten wir uns in den frühen 1900er-Jahren nicht auf andere Gebiete ausgebreitet, würde es unser Unternehmen heute wahrscheinlich nicht mehr geben”

Thomas Burger, Geschäftsführer SBS-Feintechnik GmbH und Co. KG


Vor allem bei den Amerikanern war die Tick-Tack-Kunst der Schwarzwälder begehrt. Über eine halbe Million Uhren wurden damals jährlich verkauft. Einen Knick bekam der Siegeszug dann mit der Einführung der Quarzuhren. „Hätten wir uns in den frühen 1900er-Jahren nicht auf andere Gebiete ausgebreitet, würde es unser Unternehmen heute wahrscheinlich nicht mehr geben“, sagt Burger. Um von der Uhrenkonjunktur unabhängiger zu werden, diversifiziert sich das Unternehmen früh, etwa mit der Metallverarbeitung: Drehen, stanzen, schleifen und zahnen steht auf der Tagesordnung. Ende der 80er-Jahre kommt die Kunststoffverarbeitung dazu. Der vierte Schritt geht dann in die Entwicklung intelligenter Feinwerktechnik, der Mechatronik.

Häufig drin, nirgends drauf

Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 900 Mitarbeiter in vier Ländern. Unter der Burgergruppe als Holding agieren sieben selbstständige Marken. Die größte davon ist die SBS Feintechnik mit einem Umsatzanteil von rund 65 Prozent. Sie fertigt Antriebsteile und Komplettlösungen aus Metall. Zwei weitere bedeutende Unternehmen der Gruppe sind die KBS Spritzguss, die Kunststoffteile für Antriebslösungen fertigt, und die SBS-Mechatronics.

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Mittlerweile erwirtschaftet das Unternehmen 135 Mio. Euro Umsatz. Rund die Hälfte macht Burger mit der Auto- und Autozulieferindustrie. Zum Einsatz kommen die Antriebslösungen auch im Maschinen- und Anlagebau und der Medizin- und Gebäudetechnik. Durch die Technik steigt der Komfort, der Antriebs- und Abgasstrang wird von Sekundärantrieben adaptiert. Die Komponenten stecken häufig in den Produkten, ohne dass es der Benutzer weiß: So sorgen sie dafür, dass Autotüren automatisch auf- und zugehen oder Hecklappen sich heben und neigen. Sie kommen in Küchengeräten zum Einsatz oder eben in der Kuckucksuhr. Burger nennt sich einen „Systemanbieter für kundenspezifische Antriebstechnik.“ Ziel ist es, die optimale Lösung mit Auftraggebern zu entwickeln. „Wir haben ein eigenes Entwicklungs- und Konstruktionsteam und so die Möglichkeit, Muster und Prototypen herzustellen und zu qualifizieren“, sagt Burger.

Erfolgreich gegen den Fachkräftemangel

Für die Entwicklung der komplexen Systeme braucht der Traditionsbetrieb allerdings auch eine große Anzahl gut ausgebildeter Fachkräfte. Diese in den Schwarzwald zu locken, wo das Familienunternehmen mit 400 Mitarbeitern immer noch den Großteil beschäftigt, ist nicht ganz einfach. Zwar ist Schonach ein bekannter Wintersport- und Luftkurort, aber nicht der Nabel der Welt. Zudem gibt es im Ort mehrere erfolgreiche Mittelständler. Den Fachkräftemangel spürt das Unternehmen, reagierte jedoch früh, indem es etwa Wohnraum für Mitarbeiter schuf. Angedockt ist eine eigene Wohnbaugesellschaft, die in nennenswerter Anzahl Werksunterkünfte zur Verfügung stellt, um die Attraktivität zu erhöhen. „Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Flüchtlinge und Vertriebene, die bei uns Arbeit fanden, in den 60er-Jahren die Gastarbeiter, zur Wende die Aus- und Umsiedler und derzeit gewinnen wir aus Osteuropa viele Fachkräfte“, so Burger.

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Montagelinie: Burger ist Systemanbieter für die Antriebstechik.

Er weiß, dass seine Firma als Arbeitgebermarke attraktiv sein muss, um auch künftig gut ausgebildete Kräfte in den Schwarzwald zu locken. So stellt Burger neuen Mitarbeitern aus dem Ausland Paten zur Verfügung, die den Ankömmlingen den neuen Lebensmittelpunkt bekannt machen sollen und sie etwa bei Behördengängen begleiten. Im Rahmen des Wettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ wurden die Schwarzwälder für ihr Projekt „Burger-Care“ ausgezeichnet – ein Integrationsprogramm für ausländische Fachkräfte. In der eigenen Akademie werden Weiterbildungskurse, Freizeit- und Fitnessprogramme angeboten. Sorge bereitet ihm allerdings der demografische Wandel und zurückgehende Schülerzahlen, vor allem in den Real- und Hauptschulen. „Wir sind auf Bewerber aus der Region angewiesen“, sagt Burger.

Ab ins Ausland

Ein Weg, den Fachkräftemangel zu umgehen, aber auch, um das weitere Wachstum zu forcieren, ist der ins Ausland. Mittlerweile ist Burger in drei Ländern außerhalb Deutschlands aktiv. In der Schweiz übernahm das Unternehmen ein Werk, das sich in der Auflösung befand. Ein glücklicher Umstand, denn ohnehin lagen Expansionspläne für das Land vor. „In der Gruppe fanden wir ein ähnliches Know-how, wie wir es bei uns haben“, sagt der Firmenchef. Zudem gab es bereits einige Kunden in der Schweiz. Im Jahr 2014 integriert die Gruppe die Firma SBS Nepron in Tschechien. Sie produziert hauptsächlich hohe Stückzahlen an elektronischen und mechatronischen Teilen. „Die personellen Ressourcen, moderate Lohnkosten und das Wissen zur Fertigung von Leiterplatten sind dort das große Plus“, sagt Burger.

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Das wohl spannendste Projekt liegt allerdings weiter entfernt. In Kanada, in der Provinz Ontario, hat die Gruppe vor Kurzem ein Werk auf der grünen Wiese eröffnet. Für Burger lag es nahe, dort den Schritt zu wagen. Nach dem Studium lebte und arbeitete er eine Zeit lang dort. Über die Jahre hat er gute Verbindungen aufgebaut. „Die Grundauslastung ist vorhanden, ansonsten hätten wir das nicht gemacht.“ Vor allem mit mechatronischen Antriebslösungen soll der komplette amerikanische Markt von dort aus versorgt werden. Im zweiten Quartal soll die Produktion starten. Einen positiven Effekt könnte auch das eben erst verabschiedete Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada haben. Bürokratische Erleichterungen bei Warenströmen sollen geschäftliche Beziehungen erleichtern.

Söhne folgen dem Chef

An der Spitze des kanadischen Teams steht Fabian Burger – einer der beiden Zwillingssöhne. Er soll sich dort beweisen und die Internationalisierung vorantreiben. Sein Bruder Manuel ist ebenfalls im Unternehmen als Assistent der Geschäftsführung tätig.

Bereits vor drei Jahren, zur Gründung der Holding, schuf Burger die Voraussetzungen für seine Nachfolge. In einer Familien-Charta regelte er etwa, wie diese aussehen soll. Auch die Anteile am Unternehmen teilte er auf sich, die beiden Söhne und die jüngere Tochter auf. Sein Credo war schon immer: „Wir reagieren nicht, wir agieren.“ Auch will er nicht bis ins hohe Alter das Regiment führen. „Ich bin noch bereit, meine Kinder auf dem Weg der Expansion zu begleiten. Dann soll aber die nächste Generation die Verantwortung übernehmen.“ Auch diese wird dann sicherlich den Spagat zwischen Innovation und Tradition wagen. Die Kuckucksuhr aber ist aus dem Hause Burger nicht wegzudenken.


Kurzprofil BURGERGRUPPE

Gründungsjahr 1856
Branche Antriebstechnik
Unternehmenssitz Schonach
Umsatz 2016
135 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl 900

www.burger-gruppe.de

 

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