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Wende gelungen

Die Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH & Co. KG ist seit mehr als 75 Jahren in Familienbesitz. Die Weltwirtschaftskrise brachte das Unternehmen an den Rand des Abgrunds. Nach erfolgreicher Restrukturierung mit Schutzschirmverfahren befindet sich Lingl jetzt aber wieder auf Erfolgskurs und weiterhin in Familienhand.

Mit Stolz trägt der Familienkonzern Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH & Co. KG den Titel „Weltmarktführer 2016“ in der Kategorie Anlagentechnik für keramische Industrie, der von der Universität St. Gallen und der Akademie Deutscher Weltmarktführer verliehen wird. Als Andreas Lingl und sein Cousin Frank Appel die Posten als Geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens vor zehn Jahren übernahmen, traten sie an die Spitze eines weltweit angesehenen Spezialisten für den Bau von Grobkeramikmaschinen. In dritter Generation sollten sie weiterführen, was der Großvater vor mehr als 75 Jahren gegründet und die Väter international etabliert hatten. Über 80 Prozent der Maschinen und Anlagen von Lingl gehen ins Ausland, um dort Ziegel zu produzieren. Die weltweite Immobilienkrise traf das Unternehmen jedoch ins Mark. „Unser Umsatz brach um 50 Prozent ein“, erzählt Andreas Lingl, „das Jahr 2008 war ein kompletter Game Changer für uns.“

Unter den Schutzschirm geschlüpft

Heute steht das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von etwa 70 Mio. Euro wieder auf sicheren Beinen. Der Mittelständler, dessen fünf kleinere Tochtergesellschaften weitgehend aus der Insolvenz herausgehalten werden konnten, setzt nicht mehr nur auf die Tragsäule Grobkeramik, sondern hat sein Portfolio im Zuge der Restrukturierung um drei zusätzliche Bereiche erweitert: Mit Sanitärkeramik, Feuerfest und Technischer Keramik wollen sich die Krumbacher gegen die Unsicherheiten der Branche absichern. Außerdem hat sich das Unternehmen von knapp 170 der ehemals etwa 600 Mitarbeiter getrennt. „Wir dachten erst, wir könnten die Krise damals aussitzen“, sagt Lingl. Mit Kurzarbeit wollte man die Phase überstehen, um dann „in voller Pracht dazustehen, wenn sich die Branche wieder berappelt hat“. Diesen Gefallen tat die Branche Lingl aber nicht. Hinzu kamen ausufernde Pensionslasten aus Zeiten, in denen Lingl bis zu 1.000 Mitarbeiter beschäftigt hatte. „Der Umsatz blieb schwach, und mit der Zeit waren unsere Reserven aufgebraucht.“ Nach Jahren der Kurzarbeit und des Wirtschaftens auf Sparflamme brachte ein riskanter Großauftrag das Fass zum Überlaufen. „Ende 2012 war die Luft raus“ und das Unternehmen auf direktem Weg in die sichere Insolvenz.

Rechtsanwalt Michael Winterhoff von der Winterhoff Rechtsanwalts GmbH überzeugte die Gesellschafter damals vom Schutzschirmverfahren, dessen gesetzliche Grundlagen im selben Jahr gelegt wurden. Der Schutzschirm richtet sich an kriselnde Unternehmen, die nicht insolvenzantragspflichtig sind, denen aber Zahlungsunfähigkeit droht. Nach Bewilligung des Antrags muss das Unternehmen gemeinsam mit einem selbstgewählten Sachwalter innerhalb der ersten drei Monate dieses ESUG-Verfahrens einen Insolvenzplan erstellen. „Es ist gemessen an außergerichtlichen langfristigen Sanierungen die radikalst mögliche Restrukturierung in kürzester Zeit“, sagt Winterhoff, dessen Team Lingl zur Seite stand und für die Restrukturierung von einer unabhängigen Jury ausgezeichnet wurde.Die Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH & Co. KG ist seit mehr als 75 Jahren in Familienbesitz. Die Weltwirtschaftskrise brachte das Unternehmen an den Rand des Abgrunds. Nach erfolgreicher Restrukturierung mit Schutzschirmverfahren befindet sich Lingl jetzt aber wieder auf Erfolgskurs und weiterhin in Familienhand.

Anfang 2013 übernahm Winterhoff im Rahmen der Sanierung die Rolle des CEO bei den Krumbachern. Während des Verfahrens konnte ein Teil der Pensionslasten an den Pensions-Sicherungs-Verein abgegeben werden. „Außerdem mussten wir das Unternehmen binnen kürzester Zeit strategisch neu ausrichten und parallel die wichtigsten Kunden und Lieferanten persönlich über das laufende Schutzschirmverfahren informieren“, so Winterhoff. Der immense Einsatz zeigte Erfolg: „Wir haben keinen Auftrag verloren und sogar neue dazugewonnen.“

Ziegelsetzanlage von Lingl: Sie gehen zu 80 Prozent ins Ausland. (© Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH & Co. KG)

Für die entlassenen Mitarbeiter wurde eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gegründet. Über 90 Prozent davon, so Winterhoff, konnten über diesen Weg schnell an umliegende Betriebe vermittelt werden. Und auch der Sanierungsinsolvenzplan, der noch bis 2019 läuft, wurde ohne Gegenstimme beschlossen. „Gläubiger, Mitarbeitervertreter, Familie und alle anderen Interessengruppen gemeinsam in ein Boot zu holen, war die Basis für eine erfolgreiche Zukunft.“ Das Schutzschirmverfahren sei unter den gegebenen Umständen das Beste gewesen, sagt auch Lingl. „Es ermöglichte uns, die Firma abzufangen und neu aufzustellen.“

Weiter in Familienbesitz

Gläubiger, die sich gegen den Verbleib des Unternehmens in Familienhand aussprachen, wurden überzeugt. „Am Schluss ist es dann wie in einem normalen Zivilprozess, man schließt einen Vergleich, nur dass dieser Insolvenzplan heißt“, sagt Winterhoff.

Das Schutzschirmverfahren bot dabei die Möglichkeit, die Sanierung so wenig öffentlichkeitswirksam wie möglich zu gestalten. „Die Aufträge aus dem Ausland sind für Lingl zentral. Das I-Wort haben wir nach Möglichkeit vermieden, und insbesondere nach dem Schutzschirmverfahren eine aktive positive Pressearbeit aufgebaut“, sagt Winterhoff. Sein Ansatz ging auf. Nach nur einem Jahr übertrug er die Geschäftsführung nach Abschluss der Restrukturierung an Thomas Weber und Laurenz Averbeck. Das Unternehmen blieb indes in Familienhand, Appel und Lingl Gesellschafter. „Bei vielen Kunden geht der Kontakt auf unseren Großvater zurück, sie kannten schon unsere Väter und jetzt uns“, ergänzt Lingl und sagt: „Firma und Familie gehören zusammen“, der Verkauf des Unternehmens stand für ihn und seinen Cousin nie zur Debatte.

Kurzprofil Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH & Co. KG

 Gründungsjahr 1938
 Branche Anlagenbau
 Unternehmenssitz  Krumbach
Umsatz 2015 rund 70 Mio. Euro
 Mitarbeiterzahl ca. 400

www.lingl.com

Die Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH & Co. KG ist seit mehr als 75 Jahren in Familienbesitz. Die Weltwirtschaftskrise brachte das Unternehmen an den Rand des Abgrunds. Nach erfolgreicher Restrukturierung mit Schutzschirmverfahren befindet sich Lingl jetzt aber wieder auf Erfolgskurs und weiterhin in Familienhand.

„Durch die Differenzierung haben wir Sicherheit“

Interview mit Andreas Lingl, Gesellschafter der Hans Lingl Anlagen und Verfahrenstechnik GmbH und Co. KG

Unternehmeredition: Welchen Anteil am Unternehmenserfolg haben die neuen Säulen jetzt und wie groß soll er zukünftig sein?

Andreas Lingl (© privat)

Lingl: Im Grunde will man die Anteile natürlich gleichmäßig verteilt haben, und das ist auf lange Sicht auch sicherlich das Ziel. Im Moment macht der Umsatz aus den neuen Geschäftsfeldern zwischen zehn und 15 Prozent des gesamten aus. Sich neue Märkte zu erschließen ist harte Arbeit, vor allem weil wir uns im Projektgeschäft befinden. Durch Schwankungen ist symmetrisches Wachstum sehr schwierig. Wichtig ist es, auf Entwicklungen eingestellt zu sein und seine Visionen in Nuancen anpassen zu können. Durch die Differenzierung haben wir diese Sicherheit jetzt.

Lingl ist für die Zukunft also sicher aufgestellt?

Nur wer Stabilität und Kontinuität hat, kann auf der einen Seite attraktive Leute halten und auf der anderen wichtige Kunden binden. Unsere Vier-Säulen-Struktur spielt dabei eine große Rolle. Wir wollen gute Qualität effizient und profitabel zur Verfügung stellen. So schaffen wir es auch, die Zahlungen, die der Insolvenzplan vorschreibt, zu erfüllen.

Wie fungieren Sie als Gesellschafter in Ihrer neuen Position?

Wir Gesellschafter sind jetzt nicht mehr ganz so stark im operativen Tagesgeschäft, und das ist gut so. Denn dadurch können wir unseren Fokus viel stärker auf die strategischen und langfristigen Belange legen, wofür im turbulenten Umfeld einer großen Firma, wie es unsere ist, ansonsten viel zu wenig Zeit bleibt.

Vielen Dank für das Gespräch.

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