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Handwerk 3.0 – Herausforderung Internet

Traditionelles Handwerk und Internet – das ist eine eher hemdsärmelige Beziehung. Doch auch die kleinen Betriebe in allen Gewerken müssen sich stärker ihrer Onlinepräsenz und damit ihrem elektronischen Geschäftsverkehr widmen. Das Berliner Start-up MyHammer bietet eine zentrale Internetplattform – doch die Betriebe müssen noch mehr tun.

Auf Facebook hat Brad Pitt über 2 Millionen Freunde, Uwe Band kommt gerade mal auf 42 Sympathisanten. Der US-Schauspieler, der über seine Stiftung Make It Right gerne namhafte Architekturbüros mit Entwürfen für Häuser beauftragt, die etwa durch Hurrikanes zerstört wurden, legt viel Wert auf Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Erschwinglichkeit. Als er seine Villa auf der idyllischen Wannsee-Insel Schwanenwerder erwarb, suchte er einen Markisenbauer – und fand den Berliner Uwe Band übers Internet. Die Website des Drei-Mann-Betriebes fand Pitt ansprechend, es kam zu Gesprächen. „Wir haben dann die Markisen bei ihm aufgehängt“, freut sich Band über seinen prominenten Kunden.

Ein Drittel erst im Internet

Von einer solchen Geschichte träumt jeder Handwerker. Doch die Realität sieht anders aus. „Von unseren 14.000 Mitgliedsbetrieben ist erst knapp ein Drittel internetaffin“, so Amin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. und ergänzt: „Im anglo-amerikanischen Raum wird nahezu jeder neue Donut auf Twitter kommentiert.“

Angst vor negativen Beurteilungen im Netz

Soweit muss es in Deutschland nicht unbedingt kommen. Doch die Handwerksbetriebe stehen unter Druck, sich des Themas Handwerk 3.0 anzunehmen. Ab 2016 sollen nach einer Empfehlung der EU Angebote bei öffentlichen Auftraggebern nur noch online abgegeben werden. Das setzt zunächst einmal voraus, dass der Handwerker dem Thema Internet progressiv gegenüber steht. Bedarf ist auch im privaten Sektor: So suchen 65% der Deutschen im Internet Hilfe bei Handwerksprojekten. Aber nur 48% der Handwerksbetriebe besitzen eine Website. Nur 15% haben ihre Website für mobile Geräte optimiert und gerade einmal 3% haben eine App, wie eine Umfrage des Branchenbuches „Gelbe Seiten“ ergab. Geht es um die Werbung im Internet, scheint das Handwerk im Vergleich zu anderen Branchen sogar noch etwas rückständiger. Oft stellen die Betriebe keine Kostenvergleiche zwischen online/offline an, um die wirtschaftlichste Lösung für ihr Budget herauszufinden. Oft gibt es im Betrieb kein Budget zum Aufbau und Pflege der eigenen Website. Ein Teil der Handwerksbetriebe befürchtet sogar, bei einer Präsenz im Internet negative Beurteilungen zu bekommen, die ihnen dann Kunden kosten würden. Allerdings sorgt auch der schleppende Ausbau der Glasfasernetze für Frust bei denen, die den neuen Technologien ansonsten aufgeschlossen sind. Statt schneller DSL-Leitungen wird vor allem der ländliche Raum immer noch von langsamen Internetverbindungen dominiert.

Aufträge über Mund-zu-Mund-Propaganda

„Handwerker leben in erster Linie von Mund-zu-Mund-Propaganda“, stellt Thomas Bruns, Vorstand des Internet-Handwerkerportals MyHammer, fest. „Arbeitsbeispiele und Referenzen im sind eher selten anzutreffen. Viele erkennen noch nicht die Notwendigkeit der

Thomas Bruns, Vorstandsvorsitzender von MyHammer.

Angebotsabgabe im Internet.“ MyHammer gibt dabei Hilfestellung und initiiert mit der „Handwerkerseite des Jahres“ einen Wettbewerb, um die eigene Klientel für das Thema zu sensibilisieren. Hier sind vor allem die Handwerksbetriebe aus Süddeutschland aktiv, Betriebe aus Berlin und Brandenburg halten sich da eher zurück, obwohl gerade hier die größte Dichte an Webdesignern herrscht. Oft wird auch das Gerücht kolportiert, das im Internet bei dem Handwerkern Preisdumping herrscht oder auch Anbieter zum Zuge kommen, die nicht in die Handwerksrolle eingetragen sind. Das veranlasste MyHammer im letzten Jahr zu einem radikalen Strategiewandel. Künftig wird auf die Qualität der Handwerksbetriebe der größte Wert gelegt, anstatt auf den niedrigsten Preis zu setzen. Auch müssen die Handwerksbetriebe jetzt eine Gebühr für ihre Präsenz auf der Plattform entrichten.

Impulse durch die öffentliche Hand

Es muss schon Impulse von der öffentlichen Seite geben, damit sich die Gewerke mit dem Thema Internet auseinandersetzen. Die Stadt Cottbus etwa ist mit dem Thema der Ausschreibungen auf elektronischer Basis in die Offensive gegangen, und prompt gab es eine entsprechende Nachfrage bei der dortigen Handwerkskammer. HWK-Geschäftsführer Knut Deutscher: „Wir haben gemeinsam mit unseren Kollegen in Frankfurt entsprechende Angebote, etwa zum Thema digitale Signatur, unterbreitet und hatten dort eine entsprechend gute Resonanz.“

Handwerker sind von Natur aus konservativ, haben Deutscher und sein Kollege Werner vom Bäckerhandwerk festgestellt. So bleibt vieles an den Kammern und Innungen hängen, die mit ihren Internetauftritten eine Plattform finden, um für den Berufsstand zu werben, Aus- und Weiterbildungsangebote zu offerieren und Imagepflege zu gestalten. Dennoch gibt den beiden Hauptgeschäftsführern der Generationswechsel in vielen Betrieben Anlass zur Hoffnung. Die jüngere Generation ist schlichtweg internetaffiner.

Internet erweitert das eigene Einzugsgebiet

Dabei kann eine professionelle Internetpräsenz durchaus das eigene Einzugsgebiet erweitern. Während der typische Handwerksbetrieb meist rund um den Kirchturm agiert, bekommt Matthias Bleck, Parkettleger aus Berlin, inzwischen 90% seiner Aufträge über das Internet und ist bundesweit unterwegs, in München, Dresden oder Wilhelmshaven. Auch ein Auftrag in Brüssel kam über das Internet. Markisenbauer Band zog sich auf diese Weise einen Auftrag bei Airbus an Land. „Natürlich kostet es auch Zeit, die Webpräsenz zu pflegen“, stellt Band fest. Oft muss dafür dann das Wochenende herhalten. Jetzt hat er sich noch eine eigene Facebook-Seite zugelegt. Dort bildet er hauptsächlich seine Referenzbauten ab, doch auch sein Engagement im „Company-Club“ des Basketballvereins Alba Berlin bleibt nicht unerwähnt. „Mit der Internetpräsenz stelle ich mein Unternehmen als transparenten und seriösen Anbieter am Markt dar. Und das allein zählt für mich.“

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