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Grenzüberschreitende Insolvenz

Immer mehr Unternehmen sind mit der Insolvenz eines Geschäftspartners im Ausland konfrontiert – Schuld ist die zunehmende Internationalisierung. Viele möchten aber auch die Vorteile einer ausländischen Rechtsordnung für die eigene Sanierung nutzen. Auf viele Fragen des Insolvenzrechts, die sich hierbei stellen, gibt die EuInsVO in ihrer reformierten Fassung Antworten.

Bei einer grenzüberschreitenden Insolvenz treten regelmäßig Fragen auf wie etwa: Welches Insolvenzrecht ist anwendbar? Werden deutsche Entscheidungen im Ausland anerkannt und umgekehrt? Die Antworten auf diese Fragen regelt für die Mitgliedstaaten der EU (bis auf Dänemark) die EuInsVO, die EU-Verordnung für grenzüberschreitende Insolvenzen. Die bereits 2002 in Kraft getretene EuInsVO wurde im Mai 2015 nach umfangreichen Vorarbeiten reformiert. Die neue Fassung wird für Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 26.06.2017 eröffnet werden.

Nach wie vor wird es zulässig sein, den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (engl. „centre of main interests“, „COMI“) eines Unternehmens (regelmäßig: dessen Sitz) in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, um die Vorteile einer anderen Rechtsordnung zur Sanierung des Unternehmens zu nutzen („Forum Shopping“). Von diesem COMI hängt maßgeblich das anwendbare Recht für die Insolvenz ab. Das Gericht, welches das Insolvenzverfahren eröffnet, wendet grundsätzlich sein eigenes nationales Insolvenzrecht an. Für besondere Fälle wie den Eigentumsvorbehalt oder Arbeitsverhältnisse gelten Sonderregeln, die das Vertrauen des Vertragspartners besonders schützen. Entscheidungen im Zusammenhang mit einer Insolvenz werden grundsätzlich – vorbehaltlich gravierender Verstöße gegen die öffentliche Ordnung – in den Mitgliedstaaten anerkannt.

Praxisbeispiel für grenzüberschreitende Insolvenz

Ein aktuelles Beispiel aus der Rechtsprechung des EuGH und des BGH zeigt die Auswirkungen der EuInsVO deutlich: Der Director einer insolventen walisischen Limited, deren COMI in Deutschland lag, wurde für Zahlungen nach Insolvenzreife zu Schadenersatz entsprechend § 64 GmbHG verurteilt. Die EuInsVO und die Rechtsprechung hierzu können im Einzelfall auch für die Geschäftsführung deutscher Unternehmen, die überwiegend im Ausland tätig sind, unvorhergesehene Haftungsgefahren mit sich bringen.Immer mehr Unternehmen sind mit der Insolvenz eines Geschäftspartners im Ausland konfrontiert – Schuld ist die zunehmende Internationalisierung. Viele möchten aber auch die Vorteile einer ausländischen Rechtsordnung für die eigene Sanierung nutzen. Auf viele Fragen des Insolvenzrechts, die sich hierbei stellen, gibt die EuInsVO in ihrer reformierten Fassung Antworten.

Die reformierte EuInsVO löst viele Probleme, die sich in der bisherigen täglichen Praxis ergeben haben. Sie enthält verfahrenstechnische Lösungen, die einen reibungsloseren Ablauf grenzüberschreitender Insolvenzverfahren ermöglichen und mehr Rechtssicherheit schaffen. Sie schafft rechtlich verbindliche Grundlagen, mit denen Konzerninsolvenzen koordiniert und die beteiligten Insolvenzverwalter und Gerichte besser zusammenarbeiten können. Auch Gläubiger werden gestärkt, indem sie etwa mit einem Rechtsbehelf rügen können, das COMI des Schuldners liege in Wahrheit in einem anderen Mitgliedstaat. Hierdurch werden unerlaubte Manipulationen des Insolvenzschuldners zumindest erschwert. Gläubiger werden außerdem einfacher Informationen über Insolvenzverfahren erlangen und ihre Forderungen leichter in einem ausländischen Insolvenzverfahren anmelden können.

Gestaltungsmöglichkeiten und Rechte nutzen

Die neue EuInsVO bietet aufgrund der skizzierten Änderungen ab 26.06.2017 zahlreiche Möglichkeiten für Gläubiger und Unternehmen in der Krise, die von den jeweiligen Akteuren genutzt werden können und sollten. Für Gläubiger bedeutet dies, dass sie die bestehenden Mitwirkungsrechte so früh wie möglich nutzen sollten. Unternehmen, die durch ein Insolvenzverfahren (etwa durch Insolvenzplan) saniert wurden, haben im Ausgleich dazu eine größere Sicherheit, dass (ausländische) Gläubiger die erfolgreiche Sanierung nicht nachträglich durch Nachforderungen oder gar Zwangsvollstreckung in ihr ausländisches Vermögen gefährden.

Fazit

Die EuInsVO in ihrer neuen Fassung ab 26.06.2017 wird zahlreiche Probleme der bisherigen Praxis einer grenzüberschreitenden Insolvenz lösen. Sie wird damit eine deutlich größere Rechtssicherheit für alle am internationalen Rechtsverkehr beteiligten Unternehmen schaffen. Entscheidend wird aber auch unter Geltung der neuen EuInsVO sein, im Krisenfall schnell und vorausschauend sämtliche Möglichkeiten des geltenden Rechts zu erfassen, zu analysieren und sodann effektiv zu nutzen, um optimale Sanierungserfolge zu erzielen.


Zu den Personen

(© privat)

Prof. Dr. Georg Streit und Kai Uwe Büchler sind Rechtsanwälte der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in München. Sie beraten mittelständische Unternehmen in den Bereichen Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. www.heuking.de

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