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Globalisierung der Haftung?

Die Haftung von Managern macht nicht an Ländergrenzen Halt.  Das wird in diesen Tagen wieder einmal besonders augenfällig – auch ohne mit dem Finger auf einen großen deutschen Automobilhersteller zu zeigen.

Mag man sich noch so sehr als Teil eines deutschen Unternehmens fühlen: Mit dem Produzieren von Waren und dem Leisten von Diensten für Märkte jenseits der Grenzen unseres Landes, ja nur dem Beliefern von Kunden im Ausland, bekommt das eigene Handeln eine globale Tragweite. Tatsache aber ist, dass heute kaum noch wirtschaftliche Tätigkeit ohne Auslandsbezug denkbar ist. Lässt man den Friseurladen an der Ecke außer Acht, so gibt es bis in den lokalsten Mittelstand hinein regelmäßig Tätigkeitsbereiche mit Auslandsbezug – und seien sie auch indirekt, etwa durch Weiterverarbeitung in einem anderen Produkt. Vor diesem Hintergrund müssen sich Vorstände, Geschäftsführer, aber auch leitende Angestellte und Arbeitnehmer in verantwortlichen Positionen stets des Umstands bewusst sein, dass ihr Handeln oder Unterlassen unter der Beobachtung zahlreicher und nicht nur einer Rechtsordnung steht. Was bedeutet das?

Die Zeiten der Deutschland-AG sind vorbei

Bis in die letzten Jahre des vergangenen Jahrhunderts galt: Unternehmerische Entscheidungen führen zu Erfolgen oder Misserfolgen. Im Falle eines Misserfolgs haftet der Unternehmer mit seinem Kapital. Ließ sich ein Mitarbeiter etwas zu Schulden kommen, so hatte er um seinen Arbeitsplatz zu fürchten. Dass er für die von ihm verursachten Schäden aufzukommen hatte, war – nicht zuletzt wegen der restriktiven Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum „innerbetrieblichen Schadensausgleich“ – so gut wie ausgeschlossen. Fremdorgane fallen zwar seit jeher nicht in den Anwendungsbereich der privilegierten Arbeitnehmerhaftung. Doch in der Deutschland-AG hackte man sich nun einmal nicht gegenseitig die Augen aus.

Dies hat sich spätestens seit der berühmt gewordenen ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1997 grundlegend geändert. Seitdem ist es geradezu Pflicht eines Organs, bei Aufnahme seiner Tätigkeit zuerst die Haftung des Vorgängers ins Auge zu fassen. Das Mannesmann-Urteil des Bundesgerichtshofs von 2005 und zahlreiche weitere Entscheidungen haben diese Pflicht noch verschärft. Die für Fremdorgane entwickelte Haftungsrechtsprechung findet mittlerweile auch Eingang bei Familiengesellschaften und führt zu Konflikten innerhalb familienunternehmerischer Strukturen.Die Haftung von Managern macht nicht an Ländergrenzen Halt.  Das wird in diesen Tagen wieder einmal besonders augenfällig – auch ohne mit dem Finger auf einen großen deutschen Automobilhersteller zu zeigen.

Größere Haftung bei Organen

Folge dieser Entwicklung war eine zunehmende Zurückhaltung von Organen, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Wann kann man sich sicher sein, die Voraussetzungen der sogenannten Business Judgement Rule – also der durch das Aktiengesetz geforderten aber auch auf die GmbH übertragenen Regel, eine Entscheidung gut informiert und im besten Sinne der Gesellschaft zu fällen – zu erfüllen? Das erhöhte Absicherungsbedürfnis führte zu einem rasanten Anstieg der Beauftragung von Anwaltskanzleien und anderen Beratern im Hinblick auf das Verfassen von Gutachten; häufig nur für die Schublade.

Erleichterung versprach da die Eroberung des deutschen Marktes zunächst durch US-amerikanische Versicherungsunternehmen mit dem Wunderprodukt „D&O-Versicherung“. Fortan sollte jegliche unternehmerische Entscheidung, so sie denn zu einem Misserfolg führe, von dieser Versicherung abgedeckt werden. Erstaunlich, dass der Einzug des Versicherungsprinzips auch in diesem Bereich der deutschen Wirtschaft gerade aus dem unternehmerischen Amerika zu uns kam.

Noch erstaunlicher freilich ist, dass die meisten D&O-Versicherungen – was vielen Managern nicht bekannt ist – den amerikanischen Markt gerade von ihrer Deckung ausnehmen. Die Hintergründe sind leicht nachzuvollziehen. Durch die horrenden Strafen, die in den USA insbesondere im Bereich der Produkthaftung drohen können, sind für die Versicherungsunternehmen die möglichen Folgen eines Versicherungsfalls kaum zu schätzen. Da aber gerade die USA ein für deutsche Unternehmen überragend wichtiger Markt sind, sind Manager gut beraten, den Geltungsbereich ihrer Versicherungspolicen zu überprüfen. Sollten Zweifel bestehen, so ist es empfehlenswert, das Haftungsvolumen durch Zukauf eines weiteren Versicherungspakets oder eines Nachschaltens einer weiteren Versicherungsstufe zu erhöhen.Die Haftung von Managern macht nicht an Ländergrenzen Halt.  Das wird in diesen Tagen wieder einmal besonders augenfällig – auch ohne mit dem Finger auf einen großen deutschen Automobilhersteller zu zeigen.

Sinn und Unsinn von D&O-Versicherungen

Zurück zu der Frage nach Sinn und Unsinn von D&O-Versicherungen. Ihr Sinn ist es zweifellos, dem Manager ein Stück von der unternehmerischen Unbeschwertheit zurückzugeben, derer es bedarf, um unternehmerisch erfolgreiche Entscheidungen treffen zu können. Insofern kann man sagen, dass durch D&O-Versicherungen die zuletzt zu extrem in Richtung Haftung pendelnde Rechtsprechung ein Stück weit ausgeglichen wird. Hieran ändert auch der durch den Gesetzgeber 2009 in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eingeführte Selbstbehalt nichts. Diese doppelte Grenze, im Schadenfall mindestens zehn Prozent des Schadens, jedoch nur bis zu 1,5 Jahresgehältern zahlen zu müssen, ist nicht nur auf das feste Jahresgehalt beschränkt, sondern auch getrennt versicherbar.

Freilich bedeuten Versicherungen nur einen relativen Schutz. Denn sie werden im Schadenfall ihrerseits sorgfältig prüfen, ob und inwieweit sie haften. Dabei ist zum Beispiel zu beachten, dass die Haftungssumme regelmäßig auf einen Haftungsfall pro Jahr beschränkt ist und neben den Forderungen Dritter etwa auch die Rechtskosten beinhaltet. Diese können in anderen Ländern deutlich höher liegen als in Deutschland. Vorsatztaten sind vom Versicherungsschutz genauso wenig umfasst wie Diskriminierungsfälle. Und strafrechtliche Verurteilungen kann auch eine Versicherung nicht ausschließen. Makulatur wird schließlich jede Versicherung, wenn, wie derzeit, Milliardenschäden jeglichen Versicherungsumfang sprengen.


Zur Person

(© privat)

Dr. Paul Melot de Beauregard, LL.M. (LSE) ist Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in München. Dort leitet er den Fachbereich Arbeitsrecht. Zu seinen Schwerpunkten gehört die Beratung bei Restrukturierungen, Fragen der Organhaftung sowie Compliance. www.mwe.com

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