Globale Mindeststeuer − Herausforderung für Unternehmen

2021 wurde der Durchbruch geschafft und von mehr als 140 Staaten die Einführung einer globalen Mindeststeuer beschlossen.
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Lange Zeit für unmöglich gehalten, wurde 2021 der Durchbruch geschafft und von mehr als 140 Staaten die Einführung einer globalen Mindeststeuer beschlossen. Die von der OECD und der G20-Runde erarbeiteten Grundzüge sollen nun zügig in EU-Recht gegossen und im EU-Raum ab 2023 zur Anwendung kommen. Für eine Vielzahl von Unternehmensgruppen stellt dies eine Mammutaufgabe dar.

Entsprechend den OECD-Vorgaben beinhaltet eine neue EU-Richtlinie, die derzeit in der Entwurfsfassung vom 22. Dezember 2021 vorliegt, Regelungen zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer. Damit soll sichergestellt werden, dass Unternehmensgewinne mit einem effektiven Steuersatz von 15% besteuert werden. Konkret von der Richtlinie erfasst werden Unternehmenskonzerne mit Umsätzen in mindestens zwei der vier vorangehenden Wirtschaftsjahre von mehr als 750 Mio. EUR, die mindestens eine Mutter- oder Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben. Grundsätzlich zielt die globale Mindeststeuer auf internationale Konzerne ab. Mit der Richtlinie soll der Anwendungsbereich aber auch auf rein nationale Konzerne ausgeweitet werden.

Technisch wird die globale Mindeststeuer durch eine Nachversteuerung („top-up tax“) auf Ebene der Konzernmuttergesellschaft umgesetzt. Betroffen sind Gewinne einer Konzerngesellschaft in einem Steuergebiet, die nicht mit dem Mindeststeuersatz belastet werden. Erreicht werden soll dies in erster Linie durch eine Art Hinzurechnungsbesteuerung („Income Inclusion Rule“). Im Ergebnis wird die Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15% und einem darunter liegenden effektiven Steuersatz nacherhoben, mit dem Gewinne einer Konzerngesellschaft tatsächlich besteuert wurden. Auf diese Weise soll die Steuerbelastung auf das Mindeststeuerniveau hochgeschleust werden.

Weitere legislative Schritte

Dem Vernehmen nach soll die Richtlinie bereits bis zur Präsidentschaftswahl am 10. April 2022 in Frankreich, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, zum Abschluss gebracht werden. Anschließend sind die Richtlinienvorgaben von den EU-Mitgliedstaaten in deren nationales Recht zu überführen. Konkret bedarf es dazu u. a. in Deutschland eines Umsetzungsgesetzes, mit dem die Vorgaben zur globalen Mindeststeuer in die bestehenden steuerrechtlichen Regelungen eingebunden werden. Die nationalen Gesetzgebungsverfahren sollen innerhalb einer sehr ambitionierten Frist bis 31. Dezember 2022 abgeschlossen sein. Zur Anwendung gelangen soll die globale Mindeststeuer damit bereits grundsätzlich ab 1. Januar 2023.

Klassischer Anwendungsfall

Aus deutscher Sicht könnte sich ein klassischer Anwendungsfall für die globale Mindeststeuer wie folgt darstellen: Eine in Deutschland ansässige Konzernmuttergesellschaft hält zu 100% Beteiligungen an Tochtergesellschaften in Frankreich, Irland, Österreich und in der Schweiz, Kanton Zug.

Bei einer erstmaligen Anwendung der Vorgaben 2023 wäre somit zu prüfen, ob die Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften in den jeweiligen Jurisdiktionen einem effektiven Steuersatz von 15% unterlegen haben. Dazu ist auf den jeweiligen Gewinn der einzelnen Tochtergesellschaft nach Konzernrechnungslegungsstandards vor Konsolidierung abzustellen, allerdings modifiziert um in der Richtlinie und in nationales Recht zu übertragende Hinzurechnungen und Kürzungen. Auch der für den effektiven Steuersatz maßgebliche Steueraufwand der einzelnen Tochtergesellschaft kann nicht ohne weiteres der Konzernrechnungslegung entnommen werden. Hier ist zunächst zu klären, welche Steuern einzubeziehen und in welcher Weise diese gegebenenfalls noch zu adjustieren sind. Erst nach Bestimmung dieser Werte kann der für die Prüfung der globalen Mindeststeuer maßgebliche effektive Steuersatz ermittelt werden.

Insbesondere bei den Tochtergesellschaften in Irland und in der Schweiz könnte eine Nachversteuerung wegen der geringen dortigen Unternehmenssteuersätze greifen. Die Prüfung des effektiven Steuersatzes ist jedoch keineswegs auf diese beiden Fälle beschränkt. Vielmehr kann auch dann nicht auf die Prüfung verzichtet werden, wenn der nominelle Steuersatz des jeweiligen Staates deutlich über dem Mindeststeuersatz von 15% liegt, wie im Beispielsfall in Frankreich und Österreich. Eine Ausnahmeregelung für „nominelle“ Hochsteuerländer ist im bisherigen Richtlinienentwurf jedoch nicht vorgesehen, so dass die deutsche Konzernmuttergesellschaft Daten von allen Tochtergesellschaften abfragen und prüfen müsste.

Zudem wäre die Konzernmuttergesellschaft verpflichtet, bis 30. Juni 2024 eine Steuererklärung abzugeben. Grundsätzlich beträgt die Abgabefrist 15 Monate nach Ende des Wirtschaftsjahres, die aber für das Erstjahr der Anwendung auf 18 Monate verlängert werden soll.

Praktische Herausforderungen

Wie obiges Beispiel verdeutlicht, ist ungeachtet einer drohenden Steuermehrbelastung im Konzern mit einem deutlich höheren Compliance-Aufwand zu rechnen. Erforderlich wird sein, von den Tochtergesellschaften eine Vielzahl von Daten zur Berechnung des effektiven Steuersatzes abzufragen. Diese ergeben sich nicht ohne weiteres aus den Jahresabschlussdaten, die von den Tochtergesellschaften für Zwecke des Konzernabschlusses übermittelt werden. Ferner sind mögliche Wechselwirkungen aus einer eventuellen Steuermehrbelastung aufgrund der globalen Mindeststeuer bei der Konzernbilanzierung zu berücksichtigen.

Insbesondere im Erstjahr der Anwendung werden betroffene Konzerne vor der Herausforderung stehen, ihre Arbeitsprozesse frühzeitig anzupassen, so dass die Datenermittlung und Datenverarbeitung rechtzeitig vor Ablauf der Erklärungsfrist erfolgen kann. Damit einhergehen wird, dass bestehende IT-Systeme zum Unternehmensreporting zumindest um die neuen erforderlichen Angaben ergänzt und die Prozesse angepasst und sinnvoll verknüpft werden sollten.

Fazit

Auch wenn die konkrete nationale Ausgestaltung der globalen Mindeststeuer derzeit noch nicht vorliegt, ist betroffenen Unternehmensgruppen anzuraten, sich zeitnah mit den künftigen Herausforderungen auseinander zu setzen. Bestehende Reportingsysteme sollten auf deren Tauglichkeit einer Ergänzung überprüft werden. Dabei bedarf es zum einen eines fundierten Wissens über die Vorgaben zur globalen Mindeststeuer und zum anderen des technischen Sachverstands, wie diese IT-seitig umgesetzt werden können.


Podcast “Die neue globale Mindeststeuer”

Was auf die Unternehmen aufgrund der globalen Mindeststeuer zukommt, können Sie auch leicht verdaulich in dem Podcast „Die neue globale Mindeststeuer“ anhören. Hier erklärt Dr. Daniel Zöller, welche Re­ge­lun­gen kon­kret auf Un­ter­nehmen zukommen, ob die Regelungen wirk­lich für mehr Steu­er­ge­rech­tig­keit sor­gen und mit wel­chen neuen steu­er­li­chen Pflich­ten zu rechnen ist.

Autorenprofil
Dr. Daniel Zöller

Dr. Daniel Zöller ist Steuerberater und Partner bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen insbesondere im internationalen Steuerrecht. Daneben berät er bei Umstrukturierungen mittelständischer Unternehmen und begleitet anspruchsvolle Betriebsprüfungen. Weitere Themenschwerpunkte liegen im Bereich der Quellensteuern, des Außensteuerrechts, der Wegzugsbesteuerung und der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten. Darüber hinaus ist der Autor zahlreicher Fachpublikationen sowie Mitglied im Aus­schuss für steu­er­li­che Markt­ent­wick­lung bei RSM Ebner Stolz und im Center of Com­pe­tence In­ter­na­tio­na­les Steu­er­recht.

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