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Germany is over-NPOed

Mit mehr als 630.000 Non-Profit-Organisationen in Deutschland ist der Wettbewerbsdruck im Dritten Sektor so groß wie nie zuvor. Die Folge ist, dass sich immer mehr NPOs zusammenschließen.

Mit der Aussage „Germany is overbanked“ hat ein ehemaliger Vorstand einer deutschen Großbank die Situation der deutschen Finanzbranche beschrieben. Im Jahr 2006 warnte Georg Wübke davor, dass sich mehr und mehr Banken zusammenschließen würden, um auf dem internationalen Finanzmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.

Hier lässt sich durchaus eine Parallele zur NPO-Landschaft in Deutschland ziehen. Soziales Engagement hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Vereine, Stiftungen, Genossenschaften oder gGmbHs. Allein zwischen 2001 und 2017 ist die Anzahl um über 51.000 gestiegen.

Hinzu kommt, dass sich seit Mitte der 90er-Jahre durch Änderungen in der Sozialgesetzgebung der Dritte Sektor ökonomisiert. Dieser Prozess zwingt die Organisationen dazu, den Einsatz der (vom Staat) bereitgestellten Mittel zu optimieren und damit die Kosten zu reduzieren sowie die Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten.

Aber auch andere gesellschaftliche Trends zeigen ihre Wirkung und verstärken den Wettbewerb in der Zivilgesellschaft – Stichwort Generation Y. Immer mehr junge Menschen suchen nach einer sinnstiftenden Tätigkeit. Die rapide Zunahme an NPOs in den vergangenen Jahren ist vor allem durch das Thema Social Entrepreneurship getrieben, wie eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung zeigt.

Die Zielsetzung dieser Sozialunternehmen ist es, nachhaltige unternehmerische Lösungen für soziale und ökologische Herausforderungen in den Bereichen zu finden, in denen die marktwirtschaftlichen Mechanismen versagen. Das führt dazu, dass NPOs nun auch als Anbieter von Marktgütern gesehen werden und umgekehrt die Wichtigkeit von selbsterwirtschafteten Gewinnen im Non-Profit-Bereich zunimmt.

Die negativen Folgen des überwältigenden Angebots

Der Psychologe Barry Schwartz formulierte es als das Paradoxon of Choice: Zu viel Auswahl führt dazu, dass wir gar nicht mehr genau wissen, wofür wir uns engagieren sollen. Wie können wir damit zufrieden sein, wenn es doch so viele Alternativen gibt?

Mit mehr als 630.000 Non-Profit-Organisationen in Deutschland ist der Wettbewerbsdruck im Dritten Sektor so groß wie nie zuvor. Die Folge ist, dass sich immer mehr NPOs zusammenschließen.

Der Ausweg? Konsolidierung!

Damit ist es nicht verwunderlich, dass allmählich ein Prozess der Konsolidierung in der NPO-Landschaft Einzug hält. Ziel dieser Zusammenschlüsse ist es – parallel zur Privatwirtschaft – eine dringend geforderte und benötigte Effizienzsteigerung zu erreichen. Doppelte Strukturen werden aufgelöst. Das führt zu Skaleneffekten, zur Reduktion des Verwaltungsapparats sowie zu Einsparungen von Overhead- und Personalkosten, sodass mehr Geld in die eigentlichen Projekte fließen kann.

Außerdem werden Synergieeffekte im operativen Tagesgeschäft geschaffen. Dieser Erfahrungsaustausch ist besonders von Vorteil in den Bereichen Fundraising und Marketing, aber auch hinsichtlich der Projektarbeit in bestimmten und eventuell politisch instabilen Regionen oder Ländern. Komplementäre Kenntnisse beziehungsweise Wirkungsbereiche und Schwächen zweier Organisationen führen zu einer Vergrößerung der (geografischen) Reichweite sowie Expertise und schlussendlich zur Gewinnung von Marktanteilen.

Stichwort Marktanteile: Besonders wichtig im Dritten Sektor ist die politische Lobbyarbeit. Je größer die repräsentierte Grundgesamtheit, desto größer das Gewicht und die Wahrnehmung im politischen Umfeld. Auch vertikale Merger sind im Dritten Sektor durchaus üblich. Die Optimierung der Supply Chain führt auch hier zu einer höheren (Produkt-/Projekt-)Qualität.

Fazit

Der enorme Wettbewerbsdruck, die gesellschaftlichen Trends und die Sättigung des NPO-Marktes in Deutschland haben zu einer extremen Konkurrenz im Dritten Sektor geführt. Der sich langsam abzeichnende Trend von Zusammenschlüssen wird wohl in nächster Zukunft deutlich an Fahrt aufnehmen und zu einer Konsolidierung der NGO-Landschaft führen.


Zu den Personen

Thomas Schiffelmann ist Leiter Marketing der humanitären Hilfsorganisation Handicap International mit Sitz in Berlin und München.

Laura Stanischeff ist Engagement-Beraterin bei Handicap International und berät Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen in ihrem internationalen gesellschaftlichen Engagement.

Handicap International setzt sich weltweit in über 60 Ländern mit rund 300 Projekten für Menschen mit Behinderungen ein. Im Jahr 2006 fusionierte die Hilfsorganisation mit Atlas Logistique, einem Logistikunternehmen, welches sich auf Supply Chain Management im humanitären Sektor spezialisiert hat.

www.handicap-international.de

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