Deutschlands Wirtschaft schreibt weiterhin eine Erfolgsgeschichte. Der robuste Arbeitsmarkt lässt die Einkommen steigen, was der Binnenkonjunktur zugutekommt. Finanzierungen sind nach wie vor weitgehend unproblematisch. Die Insolvenzzahlen in Deutschland sind weiter zurückgegangen.
Trotz positiver Vorzeichen: Die Geschwindigkeit des Rückgangs – insbesondere bei den Unternehmensinsolvenzen – nahm erheblich ab. Nachdem sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2014 noch um 8,0 Prozent verringerte, fiel der Rückgang diesmal mit 3,3 Prozent deutlich geringer aus. Für die ersten Monate des laufenden Jahres markiert das Minus einen Wert von gut zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Zahl der Insolvenzen fast halbiert
Dennoch bleiben die Nachrichten vom Insolvenzgeschehen positiv. Seit Einführung der Insolvenzordnung (InsO) am 1. Januar 1999 wurden in Deutschland noch nie so wenige Unternehmensinsolvenzen gezählt wie im Jahr 2015. 23.230 Unternehmen gerieten in die Pleite, nachdem 2014 noch 24.030 Fälle registriert worden waren. Gegenüber dem bisherigen Höchststand (2003: 39.470 Fälle) hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um fast die Hälfte verringert. Auch vor dem Hintergrund eines tendenziell steigenden Unternehmensbestandes – allein zwischen 2009 und 2013 stieg die Zahl der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen um rund 108.000 – ist diese Entwicklung erfreulich. Im Zuge des deutlich abgebremsten Rückgangs der Unternehmensinsolvenzen ist in Teilbereichen der deutschen Wirtschaft allerdings ein wieder ansteigender Trend erkennbar.
So wurden im verarbeitenden Gewerbe 2015 mehr Insolvenzen registriert als 2014 (plus 3,4 Prozent). Einen Anstieg gab es zudem im Baugewerbe (plus 0,9 Prozent). Dagegen verzeichneten der Handel (minus 3,6 Prozent) und das Dienstleistungsgewerbe (minus 5,2 Prozent) Rückgänge. Offenbar hat das schwächere Exportgeschäft – der Wachstumsbeitrag des Außenhandels war im Vorjahr eher gering – manche Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe vor Probleme gestellt. Schwellenländer, allen voran China, verzeichnen eine merklich gedrosselte wirtschaftliche Entwicklung, und auch die Lage in den Krisenherden dieser Welt blieb kritisch und bremste die Exporttätigkeit. Hinzu kommt das Russland-Embargo.Deutschlands Wirtschaft schreibt weiterhin eine Erfolgsgeschichte. Der robuste Arbeitsmarkt lässt die Einkommen steigen, was der Binnenkonjunktur zugutekommt. Finanzierungen sind nach wie vor weitgehend unproblematisch. Die Insolvenzzahlen in Deutschland sind weiter zurückgegangen.
Flüssig bleiben
Verantwortlich für die stabile Lage der Unternehmen ist aber nicht nur die gute Konjunktur, sondern auch die Finanzierung. Gerade der Mittelstand nutzt die komfortable Situation, um sein Eigenkapital zu verstärken, wie Auswertungen der Bilanzen der letzten Jahre zeigen. Und man hat aus der Krise gelernt. Zwar ist der befürchtete Credit Crunch, die Banken reduzieren ihr Kreditangebot, ausgeblieben, die Unternehmer aber haben verstanden, dass Liquidität weiterhin Trumpf ist. Working Capital Management wird auch in kleineren Betrieben großgeschrieben, jederzeitige Zahlungsfähigkeit hochgehalten.
Angesichts der weiterhin rückläufigen Zahl stellt sich die Frage, ob der Insolvenzantrag bei Gericht die einzige Aussage zur Stabilität und Bonität eines Betriebes bleiben kann. Handelt es sich hierbei nur um die Spitze des Eisbergs, verbergen sich durch die gute Konjunktur und die komfortable Finanzierungssituation Risiken, die sich bei einer Änderung, etwa einem Wiederanstieg des Zinsniveaus, negativ auswirken könnten? Konkret: Wie hoch ist die Anzahl der Betriebe in Deutschland, deren Bonität schwach ist, deren Risiko einer Insolvenz damit sehr hoch liegt?
Eisberg voraus
Deshalb ist auch nach den Verbraucherinsolvenzverfahren von unternehmerisch tätigen Personen sowie einer Aufnahme in die Schuldnerregister von Privatpersonen zu fragen, wenn ein Unternehmen dazugehört. Ein Unternehmen gilt zudem als ausgefallen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass das Unternehmen auf Basis von Creditreform-Informationen seinen Zahlungsverpflichtungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen kann. Zum Jahresende 2015 wiesen 310.850 Unternehmen zumindest eines der genannten Negativmerkmale auf. Dazu zählen also auch die aktuellen Insolvenzanträge. Bezogen auf rund 3,3 Mio. wirtschaftsaktive deutsche Unternehmen sind das 9,4 Prozent – bei 0,7 Prozent Insolvenzen. Die positive Entwicklung bei den Insolvenzen macht Freude – ein Polster für die unsichere Zukunft ist sie nicht.
Zur Person
Michael Bretz ist Leiter der Wirtschaftsforschung und Mitglied der Geschäftsleitung des Verbandes der Vereine Creditreform. Arbeitsschwerpunkte bei Creditreform liegen in der Wirtschaftsforschung bei Untersuchungen zum Insolvenzgeschehen und den Neugründungen in Deutschland und Europa sowie in Fragen der Finanzierung mittelständischer Unternehmen und der Konjunkturentwicklung. www.creditreform.de