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Gefahr einer Überhitzung?

Fremdfinanzierte Unternehmenskäufe durch Finanzinvestoren – Leveraged Buyouts (LBOs) – erleben derzeit in Europa einen Boom wie zuletzt in den 80er Jahren in den USA. Dabei finanzieren Private-Equity-Gesellschaften den Kaufpreis mit einem zunehmend geringer werdenden Teil an Eigenkapital. Den großen Rest schließen Banken immer bereitwilliger mit Fremdkapital – das schließlich die gekauften Unternehmen zurückzahlen müssen.

Angesichts steigender Übernahmepreise und einer immer höheren Schuldenlast stellt sich die Frage, ob im Falle eines konjunkturellen Einbruchs eine Pleitewelle droht. Neue Kapitalmarktmechanismen wie der Verkauf von Krediten und der zunehmende Tausch von Fremd- in Eigenkapital könnten die Folgen für Unternehmen entschärfen.

Unternehmensbewertungen im Höhenflug

Im Zuge des konjunkturellen Aufschwungs und gestiegener Börsenkurse haben sich die Unternehmensbewertungen in den vergangenen Jahren vervielfacht. Dies zeigt sich deutlich an den EBITDA-Multiplikatoren – Kennzahlen zur Ermittlung des Unternehmenswertes, die sich aus dem Vielfachen des Ertrags vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen ergeben: “Lag das EBITDA im konjunkturellen Tiefpunkt vor etwa vier Jahren in attraktiven Branchen bei 4-5, so liegt es heute bereits bei 6-7. In extremen Fällen wird sogar mehr als das 10-fache des EBITDA für ein sehr begehrtes Unternehmen bezahlt”, sagt Dr. Klaus Weigel, Managing Partner der WP Board & Finance GmbH. Ob das hohe Preisniveau gerechtfertigt ist, wird die Zukunft zeigen. Die Gründe für den Höhenflug liegen neben der Konjunktur besonders in reichlich vorhandenem Kapital, das Finanzinvestoren und Banken auf der Suche nach hohen Renditen bereitstellen. Einerseits sind die Kassen der großen Buyout-Fonds gut gefüllt und sie versuchen, sich im Wettbewerb um interessante Anlageobjekte gegenseitig zu überbieten.

Andererseits gibt es großes Interesse der Banken, an den lukrativen Unternehmenskäufen der Finanzinvestoren teilzuhaben und sich ihnen als Fremdkapitalgeber anzubieten: so wickelt heute der Löwenanteil der Private Equity-Gesellschaften seine Deals in Form von so genannten Leveraged Buyouts (LBO) ab – mehrheitliche Firmenübernahmen, bei denen ein erheblicher Teil des Kaufpreises mit Fremdkapital beglichen wird. So stellt bei LBOs der Finanzinvestor einen kleinen Teil des Kaufpreises als Eigenkapital bereit, den Rest schießen die Banken als Fremdkapital zu. Das Kalkül: Durch den geringen Einsatz von Eigenmitteln kann der Investor eine attraktivere Eigenkapitalrendite erzielen.

70-90% des Kaufpreises kreditfinanziert

Auch der Fremdkapitalanteil bei LBOs ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die Banken gehen ein immer höheres Risiko ein. “Bei größeren Transaktionen ist es derzeit üblich, 70-90% des Kaufpreises durch Fremdkapital zu finanzieren – die Private Equity-Gesellschaften müssen lediglich 10-30% Eigenkapital zur Verfügung stellen. Während die höchsten Leverages bei den größten Buyouts angeboten werden, sind die Banken bei mittelständischen Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 150 Mio. Euro zurückhaltender. Hier geht der Fremdkapitalanteil selten über 70% hinaus”, erklärt Albrecht Hertz-Eichenrode, Vorstandsvorsitzender Hannover Finanz. Die Kreditinstitute heizen den Trend weiter an, da für sie Akquisitionsfinanzierungen lukrativer und margenträchtiger – gleichzeitig aber auch risikoreicher – sind als etwa das klassische Firmenkundengeschäft. So liefern sich Banken aus dem In- und Ausland einen harten Wettbewerb um attraktive Transaktionen und treiben die Kaufpreise sogar selbst nach oben, um ins Geschäft zu kommen. Sie drängen die Finanzinvestoren, höhere Preise für ein Unternehmen zu bieten, um den Zuschlag zu erhalten – und sichern die Fremdfinanzierung des höheren Kaufpreises zu. “Diese Mixtur aus dem Anlagedruck der Eigenkapitalinvestoren und einem aggressiveren Verhalten der Banken, die daran teilhaben möchten, hat schon eine enorme Preisspirale in Gang gesetzt”, meint Dr. Klaus Weigel von WP Board & Finance.

Steigende Schuldenlast der Unternehmen

Öffentliche Brisanz erhält das Thema LBO häufig dadurch, dass die von Finanzinvestoren übernommenen Unternehmen die Schulden aus dem Kaufpreis plus Zinsen selbst zurückzahlen müssen. Das ist in wirtschaftlich positiven Zeiten prinzipiell kein Problem – denn im Regelfall werden LBOs nur bei erfolgreichen Firmen durchgeführt, die über einen entsprechenden Cashflow verfügen und die Zahlungen leisten können. Gerd Bieding, Geschäftsführer und Partner der Close Brothers GmbH, sieht die Verbindlichkeiten im Normalfall aus Unternehmenssicht sogar als motivierenden Faktor: “Der hohe Fremdkapitalanteil ist ein nützlicher Mechanismus, weil er zu Disziplin zwingt. Unternehmen, die aus Konzernen herausgelöst wurden, haben häufig erst durch den Druck der Verschuldung gelernt, den Cashflow in den Mittelpunkt zu rücken und effizienter zu arbeiten. Nicht passieren darf, dass die hohe Verschuldung Zukunftsinvestitionen verhindert und das Unternehmen dabei beschränkt wird, seine Kernkompetenzen langfristig zu sichern. Das ist kritisch, dann ist ein hoher Fremdkapitalanteil kontraproduktiv”, so Bieding.

Je höher der Kaufpreis und der Fremdkapitalanteil – beides bewegt sich gegenwärtig auf hohem Niveau -, desto schwerer ist aber auch die Schuldenlast auf den Schultern des Unternehmens. Es gab bereits Automobilzulieferer – Kiekert oder TMD Friction -, die in Schwierigkeiten geraten sind, weil der Fremdfinanzierungsteil zu groß war und die Umsatz- und Gewinnschätzungen zu optimistisch geplant wurden. Bisher handelt es sich bei diesen Problemfällen noch um Ausnahmen, für die Zukunft sehen Experten die Gefahr einer Überhitzung. “Das ist eine Entwicklung, die man sorgfältig beobachten muss. Solange wir in konjunkturell ruhigem Fahrwasser sind, wird die Blase nicht platzen. Doch wenn es zu einem konjunkturellen Abschwung kommt, laufen Unternehmen, die hoch geleveraged sind, Gefahr, ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können”, sagt der Hannover Finanz-Vorstandsvorsitzende Hertz-Eichenrode. Das sieht Dr. Klaus Weigel ähnlich: “Wer jetzt mit seinen Cashflow-Prognosen zu optimistisch plant, wird möglicherweise in zwei Jahren auf dem falschen Fuß erwischt, wenn die Konjunktur etwas flacher verläuft”.

Neue Kapitalmarktmechanismen im Krisenfall

Droht nun aus der Kombination von hohen Unternehmensbewertungen und einem hohen Fremdkapitalanteil bei LBOs Gefahr für die Unternehmen? Wird es eine Pleitewelle geben? “Im Krisenfall sind hohe Schulden kein Thema, solange es effiziente Mechanismen gibt, die Krise zu bereinigen. Mit dem Sekundärhandel für Kredite stehen heute marktwirtschaftliche Lösungen zur Verfügung, die dem Unternehmen helfen, wieder von den Schulden herunterzukommen”, meint Gerd Bieding von Close Brothers. Wenn Unternehmen früher in eine Krise gerieten, wussten sich die Banken oft nicht anders zu helfen, als den Kredit zu kündigen, und das Unternehmen ging in die Insolvenz. Das ist heute anders. “Mit dem Weiterkauf der Kredite und Debt Equity Swaps ändern sich die Gesellschafter, aber die Unternehmen gehen letztlich nicht Pleite – sie werden an neue Besitzer weitergereicht, die ein Interesse am Fortbestand des Unternehmens haben. Diese erstellen Sanierungspläne und versuchen, das Unternehmen neu auszurichten und wieder nach vorne zu bringen”, sagt Albrecht Hertz-Eichenrode. Geht etwas schief, so ist der Leidtragende am Ende des Tages nicht das Unternehmen, sondern die Private Equity-Gesellschaft oder die Bank, die sich verkalkuliert haben und entsprechende Verluste verbuchen müssen. Das Unternehmen hat neue Eigentümer, eine gesündere Finanzstruktur und konnte die Insolvenz vermeiden.

Kredithandel und Debt to Equity Swaps

Wie laufen solche Prozesse ab? Die meisten Banken haben in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsbedingungen geändert, weitgehende Kontroll- und Schutzmechanismen ins Kreditgeschäft eingebaut und fordern von den Unternehmen einen wesentlich stärkeren Informationsfluss als früher. Ziel ist es, drohende Schieflagen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern – falls es nicht gelingt, kündigen sie den Kredit und verkaufen ihn am Kapitalmarkt weiter. So haben die Kreditgeber – anders als früher – die Möglichkeit, stärkeren Druck auszuüben. Die Voraussetzungen dafür legt die Bank in ihren Kreditbedingungen (so genannte “Covenants”) fest. Verletzt ein Unternehmen diese Auflagen – indem es bestimmte Finanzkennzahlen nicht mehr erfüllen oder die Schulden nicht mehr bedienen kann – hat die Bank ein Kündigungsrecht. Es gibt sogar Fälle, in denen schon bei deutlicher Verschlechterung des Ratings Sonderkündigungsmöglichkeiten bestehen. Käufer der Kredite können einerseits Distressed Debt-Investoren wie Lonestar oder Fortress sein, die große Kreditportfolios kaufen und die Kredite dann selbst wie eine Bank betreuen und verwalten, oder auch Hedgefonds sowie andere Investmentbanken. Andererseits gibt es Investoren wie Private Equity-Häuser, die an Übernahmen interessiert sind und sich über den gezielten Kauf einzelner Kredite Zugang zu bestimmten Unternehmen verschaffen. Der Kreditverkauf geht meist einher mit Debt to Equity Swaps, das heißt mit einer Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital, was letztlich zu einer Entschuldung und dem Überleben des zuvor krisengeschüttelten Unternehmens führt.

Folgen eines künftigen konjunkturellen Einbruchs

Was passiert nun beim nächsten konjunkturellen Einbruch mit den LBO-Unternehmen? “Es wird kein realwirtschaftliches Desaster und keine massiven Insolvenzen geben”, sagt Bieding. Es wird auch nicht zu einer Bankenkrise kommen, denn diese haben die Risiken breit am Kapitalmarkt gestreut. Wenn die Krise kommt, entlädt sie sich in dramatisch fallenden Erträgen bei Mezzanine- und Private Equity-Anbietern, so der Close Brothers-Geschäftsführer. Es wird Kredithandel, einen Transfer von Kontrolle und eine Umverteilung von Renditen geben. Die Unternehmen erhalten neue Eigentümer und nach der Wandlung von Fremdkapital in Eigenkapital eine gesündere Kapitalstruktur, die der neuen Konjunkturlage entspricht, sind sich Bieding, Dr. Weigel und Hertz-Eichenrode einig.

Fazit
Die Kombination aus hohen Unternehmensbewertungen und steigenden Fremdkapitalanteilen bei LBOs birgt in wirtschaftlichen Wachstumsphasen in der Regel keine Gefahren. Geraten die Unternehmen in der nächsten Rezession unter Druck und können die Schuldenlast nicht mehr tilgen, dürfte es nicht zu zahlreichen Insolvenzen kommen. Effiziente Mechanismen wie der Kreditverkauf an andere Investoren und die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital werden voraussichtlich zum Fortbestand der Unternehmen unter neuen Gesellschaftern führen. Betroffene Private Equity-Gesellschaften und auch Mezzanine-Anbieter werden dagegen Verluste verbuchen.

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