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Führen in der Krise: Balanceakt für die Nachfolgegeneration

Krisenzeiten stellen die Führung von Familienunternehmen, und insbesondere die Nachfolgegeneration, vor vollkommen neue Herausforderungen.

copyright by Oliver Boehmer

Finanzkrise, Abschwungphase nach zehn Jahren Wachstum, Handelskriege, Corona. Stabilität und Vertrauen in Unternehmen und Unternehmer werden insbesondere in Krisenzeiten zu essenziellen Erfolgsfaktoren. Dies stellt die Führung von Familienunternehmen, und insbesondere die Nachfolgegeneration, vor vollkommen neue Herausforderungen: Verunsicherte Mitarbeiter müssen „abgeholt“ werden, der Zusammenhalt funktionierender Organisationen muss – auch virtuell – sichergestellt und Zuversicht vermittelt werden. 

Die Unternehmensführung braucht deshalb zunehmend Fähigkeiten, die jederzeit abrufbar sind – durchaus vergleichbar mit dem Personal in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Zusätzlich ergeben sich Anforderungen an Entscheidungsbildung und Führungsverhalten.  Denn: Die Aufrechterhaltung der „Lebensfähigkeit“ ist die wichtigste Leistung der obersten Führung. Besonders gefährdete Unternehmensbereiche haben – je nach Krisentypus – zunächst die höchste Priorität für die Führung, um Sofortmaßnahmen einzuleiten. Parallel zu den operativen Herausforderungen innerhalb des Unternehmens müssen gesetzliche Regularien und Haftungsfragen für Geschäftsführer und Gesellschafter präsent sein – um das Unternehmen und die Organe „wetterfest“ aufzustellen. Proaktives strukturiertes Agieren statt Reagieren ist das Gebot der Stunde, ohne dabei in Aktionismus zu verfallen.

Ohne „Erfahrungsanteil“ geht es nicht

Zur Existenzsicherung des Gesamtunternehmens wird deshalb gerne der Ruf nach einer Zentralisierung der Aufgaben bei der obersten Führung laut. Was in Abhängigkeit des Krisenanlasses Sinn machen kann, offenbart in der Realität oftmals Probleme. So kann heutzutage kaum noch ein einzelner CEO das Gesamtunternehmen in einer Krisensituation überblicken, die sich täglich massiv verändert. Um in Krisenzeiten ein Unternehmen sicher durch den Sturm zu lenken, bedarf es eines starken Tandems aus CEO und CFO – in der Rolle des strategischen Sparringspartners und zahlengetriebenen Navigators. Entscheidend beim Management des Unternehmensrisikos in Familienunternehmen ist Erfahrung, die vor allem jüngeren Nachfolgern trotz qualifizierter Ausbildung naturgemäß eher fehlt. Für Lehrjahre an der Spitze bleibt keine Zeit.

Und genau dies bedeutet für Junioren als Nachfolger einen Balanceakt: Zwischen Neubeginn und notwendigem Krisenmanagement, zwischen mangelnder Erfahrung und vorausschauendem Agieren gilt es einen Mittelweg zu finden, der aber gleichzeitig auch ein Weg aus der Krise ist.

Aus diesem Grunde sollte im Rahmen der Nachfolge immer darauf geachtet werden, dass das Managementteam auch einen gewissen „Erfahrungsanteil“ mitbringt. Junge, nachrückende Familienmitglieder sollten sich durch „Nachlernen-on-the-job“ die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen können. Organisatorisch kann dies über kollegiale Geschäftsführungsmodelle, eine Begrenzung des Verantwortungsbereiches oder auch über den interimistischen Einsatz von Fremdmanagement (CRO) erfolgen.

Agiles Szenario-Management bei ungewisser Zukunft

Gerade wenn exogene Krisenimpulse häufiger, aber schlechter prognostizierbar werden, relativiert sich die fehlende Erfahrung der Nachfolgegeneration sehr schnell. Dann muss in Szenarien gedacht und je nach Entwicklung müssen vorher definierte, und vor allem durchgerechnete, Maßnahmen ergriffen werden. Diese vorbereiteten Maßnahmenpakete können bis zum notwendigen Zeitpunkt „in der Schublade“ liegen und dann kurzfristig aktiviert werden. Zentrale Entscheidungsgrundlage für die Maßnahmenentwicklung sind dabei „Zahlen, Daten und Fakten“ und nicht „Meinung und Bauchgefühl“. Durch ein sauber strukturiertes Szenario-Management werden klare „Handlungsleitplanken“ für junge Nachfolger geschaffen und parallel Stabilität und Vertrauen nach innen und außen sichergestellt.

Erfolgsfaktoren Entscheidungskultur und Kommunikation

Weiterhin sollte das Entscheidungsverhalten für den Krisenmodus grundsätzlich definiert und zu Teilen umgestellt werden – „Zahlen, Daten und Fakten“ rücken auch hier in den Mittelpunkt. Im Sinne eines „ärztlichen Konsils“ können beispielsweise schlagkräftige Krisen-Interventionsteams definiert werden, die den Kern der operativen Funktionsfähigkeit des Unternehmens sichern können. Diese Teams mit eigener Entscheidungsbefugnis sollten interdisziplinär zusammengesetzt sein. Die Nachfolger würden dann in der aktiven Vernetzung der Teams unter Vorgabe von wenigen Richtgrößen und der Übernahme der Kommunikationsverantwortung bestehen.

Nicht zuletzt bekommt in derartigen Krisensituationen die sogenannte interpersonale Kommunikation, sprich die direkte persönliche Kommunikation mit den Führungskräften, eine enorme Bedeutung. Den Nachfolgern muss es dabei gelingen, ohne einschlägigen „Stallgeruch“ im Umgang mit Krisen Stabilität zu kommunizieren und gleichzeitig durch Ehrlichkeit und Authentizität auch volle Motivation für die gemeinsame Herausforderung zu erreichen.

FAZIT

Die heutige Komplexität der Geschäftsmodelle und die gleichzeitig vermehrt auftretenden exogenen Krisenimpulse verlangen der Nachfolgegeneration einiges ab. Ohne den „Abstieg in die Niederungen des Tagesgeschäftes“ mit Kenntnis über Kernprozesse und Erfolgsfaktoren, kulturelle Feinheiten des Unternehmens sowie organisatorische Besonderheiten, wird sie sich schwertun, den Krisenmodus erfolgreich zu gestalten. Mit kollegialer Führung, Kriseninterventionsteams, Szenarien-Denke und angepasstem Entscheidungs- und Kommunikationsverhalten kann jedoch die mangelnde Erfahrung der Nachfolger in aller Regel gut ausgeglichen werden.


 

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