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Fischen in fremden Gewässern

Das Potenzial für Transaktionen ist riesig: Doch gerade in stark wachsenden Schwellenländern wie Asien ist die „Corporate Governance“ nicht auf dem gleichen Stand wie in Nordeuropa. Neben den üblichen Kriterien wie Preis und Transaktionsmodell kann sich das zum Knackpunkt bei Akquisitionen im Ausland auswachsen.

Akquisitionen von Unternehmen sind häufig das richtige Instrument, um in als strategisch wichtig erachteten Zielmärkten nachhaltig Fuß zu fassen und eine außergewöhnliche Ausgangsposition für die weitere Marktentwicklung aufzubauen. Och viele Unternehmer trauen ihren Augen nicht, wenn sie die Due-Diligence-Berichte des eigentlich als hochwertig eingestuften Targets in China oder Südostasien lesen: Da wurden etwa die Sozialleistungen seit längerem nicht entrichtet; Betriebsgenehmigungen für Anlagen sind erloschen; die geleistete Arbeitszeit liegt deutlich über den gesetzlichen Höchstgrenzen usw.

In manchen Fällen existieren sehr komplexe bis undurchschaubare rechtliche Firmenstrukturen, auch bei Unternehmen mittlerer Größe. Holdings in Steuerparadiesen, mehrere Zwischenholdings oder unklare Eigentümerstrukturen bei Tochtergesellschaften sind keine Seltenheit.

Wie sind die Ergebnisse aus der Due Diligence zu interpretieren? Sollte man den Prozess abbrechen? Was entspricht Usancen im Zielland und welche Felder weisen auf eine mangelnde Corporate Governance hin?

Due Diligence ist entscheidend

Der Maßstab für die Güte der Corporate Governance des Targets ist ausschließlich im Zielland zu finden. Mit anderen Worten: Akquisitionen in Schwellenländern mit „unseren“ Ansprüchen an die Targets sind schlichtweg nicht möglich.

Zum einen ist dafür eine Kenntnis der üblichen Praxis der Unternehmensführung im Zielland erforderlich, welche das investierende Unternehmen in der Regel nicht hat. Zusätzlich muss man einschätzen, ob die Mängel des Targets überhaupt mit vertretbarem Aufwand ohne unübersehbare Risiken für den Erwerber behebbar sind.

Oben genannte Punkte können Experten im Zielland leisten. Allerdings: Man sollte auch die Corporate Governance des Heimatlandes des Investors kennen, um die „Brücke“ vom Target zu den Entscheidern des Investors schlagen zu können.

Das Potenzial für Transaktionen ist riesig: Doch gerade in stark wachsenden Schwellenländern wie Asien ist die „Corporate Governance“ nicht auf dem gleichen Stand wie in Nordeuropa. Neben den üblichen Kriterien wie Preis und Transaktionsmodell kann sich das zum Knackpunkt bei Akquisitionen im Ausland auswachsen

Sehr häufig startet nach dem Signing eine Reihe von Aktivitäten, um das Target in eine akquisitionsfähige Form zu bringen. Doch damit nicht genug: Auch nach dem Closing muss das „Aufräumen“ häufig weitergehen. Vor einer Integration sollte also bei Übernahmen in Schwellenländern häufig eine Phase des Post Transaction Management zwischengeschaltet werden, während derer das Target in einen integrationsfähigen Zustand gebracht wird.

Co-Investor für Akquisition in China

Man stelle sich folgenden Fall vor: Ein deutsches Unternehmen akquiriert ein im Westen Chinas ansässiges Unternehmen. Keiner der Führungskräfte des Targets spricht Englisch. Die Due Diligence zeigt die Vermischung von Unternehmens- und Privatsphäre des Eigentümers klar auf. Manche Kunden des Unternehmens sind durch „Sonderleistungen“ incentiviert.

Auf der anderen Seite stellt dieses Target eine außergewöhnliche Chance dar: einen Einstieg in ein bestimmtes Marktsegment im größten Wachstumsmarkt der Welt, der sonst nicht darstellbar wäre. Konditionen und Transaktionsmodell sind zielführend.

Was hat der Investor in diesem nicht untypischen Fall getan? Er hat den lokalen Partner, der beim Akquisitionsmanagement behilflich war, in die Pflicht genommen. Indem er ihn als Co-Investor zu bevorzugten Konditionen in den Gesellschafterkreis des Targets aufgenommen hat, hat er sich das Committment des lokal erfahrenen Partners gesichert. Nach einer Phase des Post Transaction Managements hat der Investor die Anteile des temporären Partners übernommen und das Unternehmen zu einer marktführenden Position ausgebaut.

Risiken richtig einschätzen und managen

Dem außergewöhnlichen Globalisierungs- und Wachstumsschub, der für ein Unternehmen aus einer Akquisition etwa in einem Schwellenland resultieren kann, stehen erhebliche Risiken gegenüber. Wie immer beim unternehmerischen Handeln geht es um die richtige Einschätzung der Risiken, wozu geeignete Partner unumgänglich sind.


Zur Person

(© Privat)

Frank-Christian Raffel ist Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter von MelchersRaffel Ltd. mit Standorten in Hongkong, Shanghai, Singapur und München. MelchersRaffel berät bei Strategie- und M&A-Vorhaben in den wesentlichen Regionen Asiens und in deutschsprachigen Ländern. www.melchersraffel.com

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