Website-Icon Unternehmeredition.de

Finanzierung der digitalen Revolution

Deutschland ist ein Hochtechnologie-Standort, der von Innovationen des Mittelstandes lebt. Mit der digitalen Revolution und dem Einzug der Industrie 4.0 verändert sich auch die Finanzierung. Kreditsicherheiten müssen neu definiert werden.

Längst sind neue Ideen und Erfindungen nicht mehr nur von materiellen Errungenschaften geprägt. Innovation bedeutet heutzutage vielmehr Digitalisierung, konkret die Entwicklung digitaler Strategien und die damit verbundene Transformation etablierter Geschäftsmodelle in das digitale Zeitalter. Beispiele für digitale Revolution gibt es längst: Google kauft u.a. mit Boston Dynamics Roboter-Unternehmen auf, Haushalte werden via Apps gesteuert, und Fließbänder vernetzen sich mit den Bauteilen. Aber auch die Analyse von gegnerischen Mannschaften per Software ist für die deutsche Fußballnationalmannschaft schon Alltag.

Die Digitalisierung wird Produktions- und Fertigungsprozesse, Sozialsysteme, Kommunikationswege, Bildungsinhalte und Arbeitsformen in den kommenden Jahren tief greifend verändern. Gerade der Mittelstand wird häufig mit dem Schlagwort Industrie 4.0 konfrontiert, worunter insbesondere die zunehmende digitale Vernetzung industrieller Wertschöpfungsketten verstanden wird. Was bedeutet das für die Finanzierung der damit verbundenen Investitionen und Kosten? Welche Auswirkungen hat dies auf die Finanzierungsstruktur? Wird diesem Thema gegenwärtig überhaupt schon Aufmerksamkeit geschenkt?

Investitionsschwerpunkte und Risikoprofile ändern sich

Noch hört und liest man wenig über die Finanzierung der digitalen Transformation im deutschen Mittelstand. Dabei ist es doch augenscheinlich, dass Investitionen in die Veränderung und Digitalisierung von Wertschöpfungsprozessen (Software, Arbeitsprozesse etc.) weniger materiell geprägt sind. Somit unterscheidet sich das Risikoprofil grundsätzlich von den bisher gängigen Investitionen etwa in Maschinen und Anlagen. Unternehmensprozesse gestalten sich völlig neu. Gegenüber den klassischen „Hard Costs“ gewinnen weiche Kosten für die Entwicklung und Einführung von Prozessinnovationen zunehmend an Bedeutung. Die Investitionen in Köpfe, Know-how und neue Methoden stellen immaterielle Vermögenswerte dar. Dies hat weitreichende Konsequenzen in Hinblick auf die Finanzierung – nicht zuletzt dadurch, dass disruptive Technologien zu einer Auflösung bewährter Kreditsicherheiten führen. Fabriken sehen in der Zukunft anders aus. Die Bedeutung der „Hardware“ in der Fabrik nimmt ab und somit auch deren wirtschaftlicher Wert für Sicherheiten in der Finanzierung.Deutschland ist ein Hochtechnologie-Standort, der von Innovationen des Mittelstandes lebt. Mit der digitalen Revolution und dem Einzug der Industrie 4.0 verändert sich auch die Finanzierung. Kreditsicherheiten müssen neu definiert werden.

Neue Herausforderungen für die Finanzierung

Vor diesem Hintergrund stellt der digitale Wandel erheblich höhere Anforderungen an die finanzierenden Banken und Kreditinstitute bei der Risikoeinschätzung und Beurteilung von Geschäftsmodellen. Es bedarf möglicherweise neuer, angepasster Finanzierungsinstrumente, die gegenüber den klassischen Kreditprodukten immer stärker an Bedeutung gewinnen. Neben die bekannten Cashflow-Risiken treten neue, aus der Vernetzung der Industrie erwachsende Prozessrisiken, die sich auf die Ertrags- und Finanzlage auswirken können. Wie beurteilt die Bank überhaupt diese Risiken? Das heutige Kreditrating berücksichtigt den Aspekt der Digitalisierung noch nicht oder nur sehr unzureichend. Jedenfalls nicht im Sinne einer umfassenden digitalen Due Diligence mit der Bestimmung des digitalen Reifegrades des Unternehmens und der Branche.

Des Weiteren verändert die zunehmende Bedeutung immaterieller Vermögenswerte die Anforderungen an Kreditsicherheiten und deren Fungibilität. Bei veränderten Wertschöpfungsprozessen oder Patenten ist zum Beispiel deren Wert viel schwerer abzuschätzen als der von Grundstücken oder Maschinen. Außerdem stellen digitalisierte Lösungen vielfach unternehmensspezifische Assets dar, die für Dritte nicht oder kaum nutzbar sind. Dies betrifft insbesondere das Know-how der Mitarbeiter, das im Rahmen von Industrie 4.0 in den Fokus erfolgreicher Unternehmen rückt. Aus diesen Gründen müssen sich neue Besicherungsstandards und Bewertungsusancen etablieren, die den Besonderheiten des digitalen Strukturwandels Rechnung tragen.

Zunehmende Bedeutung von Risikokapital

Neben der Bankenfinanzierung wird jedoch auch die Eigenkapitalfinanzierung eine immer bedeutendere Rolle einnehmen. Mittelständische Unternehmen müssen sich im Zuge der digitalen Revolution Gedanken über die Beschaffung einer breiten Eigenkapitalbasis machen – sei es in Form von Mezzanine– oder Private-Equity-Finanzierungen. Auch wenn Private Equity aufgrund des starken Renditedrucks noch immer Skepsis hervorruft, wird kaum ein Weg daran vorbeiführen: Risikokapital erhält im Zusammenhang mit der digitalen Transformation möglicherweise einer größere Bedeutung.

Ob es im Mittelstand aufgrund der Digitalisierung zu einem Finanzierungsengpass kommen wird, ist schwer zu sagen, da es von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Zum einen kommt es darauf an, ob Banken und Kreditinstitute die Finanzierungserfordernisse der Transformation von Geschäftsmodellen erkennen bzw. ob sie ihre Finanzierungs- und Bewertungsformen den neuen Gegebenheiten anpassen. Zum anderen bleibt die Frage offen, wie mittelständische Unternehmen dem digitalisierten Transformationsprozess begegnen.


Zur Person

(© Ebner Stolz Mönning Bachem)

Michael Euchner ist Managing Partner im Bereich Corporate Finance/M&A bei der Ebner Stolz Managements Consultants GmbH. www.ebnerstolz.de

Die mobile Version verlassen