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Bedingt übernahmebereit

Die Bundesregierung erschwert mit einer Verordnung Nicht-EU-Ausländern den Zugriff auf sensible Branchen und Unternehmen. Die neuen Barrieren dürften die Einkaufslust vor allem chinesischer Investoren aber nicht ausbremsen.

Ein Wirtschaftskrimi über die neue Verordnung der Bundesregierung hätte folgenden Plot: Investoren aus Asien, Russland oder Nahost gründen Scheinfirmen in der EU. Sie missbrauchen den freien Kapitalverkehr, um systematisch deutsche Firmen zu übernehmen. Schritt für Schritt okkupieren sie zukunftsweisende Technologien und Märkte, um sie schließlich ganz zu dominieren. Deutschland wird damit von ausländischen Investoren abhängig. Die Souveränität des gesamten Staates steht auf dem Spiel.

Der Staat behält sich ein Veto vor

Die neue Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums soll das Schreckensszenario verhindern. Darin sind Kriterien für eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit festgelegt, die Investoren aus dem Nicht-EU-Ausland den Firmenkauf faktisch verbieten.

„Die Einstufung als Gefährdung war bislang sehr vage geregelt und nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, jetzt wird der Prüfungsmaßstab durch eine Reihe von Regelbeispielen konkretisiert“, ordnet Dr. Rolf Hempel, Kartellrechtler und Partner der Sozietät CMS Hasche Sigle, die neue Rechtslage ein. Ein staatliches Veto droht, wenn Investoren einen Anteil von mehr als 25 Prozent an Betreibern von kritischer Infrastruktur erwerben wollen. Auch Firmen, die Software für Flughäfen, Krankenhäuser, Banken oder Telekommunikationsnetze erstellen, sollen geschützt werden. Ebenso Unternehmen, die Programme für Stromnetze, Kraftwerke und Wasserversorger anbieten oder im Cloud Computing tätig sind.

Längere Fristen für das Wirtschaftsministerium

Mit der neuen Verordnung werden auch Meldepflichten und Fristen für das Prüfverfahren angepasst. So darf die Prüfung jetzt vier statt bisher zwei Monate nach Eingang der vollständigen Unterlagen dauern. Wenn die Bundesregierung Bedenken hat, läuft die Frist erst einmal nicht weiter. „Die Uhr wird also angehalten, und beide Seiten gewinnen Zeit“, erläutert Hempel. Auch die Frist bis zur Einleitung eines Prüfungsverfahrens wurde neu definiert. Bislang lief sie drei Monate ab Vertragsabschluss der Transaktion. Nach dieser Zeit konnte man davon ausgehen, dass das Ministerium keine Einwände erhebt. Jetzt läuft die Zeit erst ab dem Zeitpunkt, an dem das Ministerium Kenntnis von der Transaktion erhalten hat. Wann aber ist das der Fall? „Wir empfehlen Investoren bzw. dem Zielunternehmen, selbst die Initiative zu ergreifen und das Ministerium zu informieren“, sagt Hempel. Geht es um Firmenübernahmen im Zusammenhang mit kritischer Infrastruktur, ist nach der neuen Verordnung ohnehin eine Meldepflicht vorgesehen. Das Ministerium erhält zudem spätestens dann Kenntnis, wenn das Unternehmen oder der Käufer – wie es jetzt schon möglich ist – eine sogenannte Unbedenklichkeitserklärung beantragen. Die dafür vorgesehene Prüffrist wurde von einem Monat auf zwei Monate verlängert.

Die Bundesregierung erschwert mit einer Verordnung Nicht-EU-Ausländern den Zugriff auf sensible Branchen und Unternehmen. Die neuen Barrieren dürften die Einkaufslust vor allem chinesischer Investoren aber nicht ausbremsen.

Ein Anti-China-Gesetz?

Insgesamt sorgt die Verordnung für mehr Rechtsklarheit. „Sie macht deutlich, welche Bereiche des öffentlichen Sektors der Staat schützen will“, sagt Dr. Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. In der öffentlichen Wahrnehmung erscheine sie insbesondere aber als Anti-China-Gesetz. Kein Wunder: Chinesische Investitionen werden seit dem Kauf des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Konzern Midea sowie der gescheiterten Übernahme des Aachener Chipanlagenbauers Aixtron heftig diskutiert.

Die Bundesregierung ist auf ihrem Regulierungskurs nicht allein: Im US-Kongress loten die Republikaner gerade restriktivere Statuten für ausländische Investitionen aus. Die zuständige Behörde, das Committee on Foreign Investment in den United States (CFIUS), greift seit dem Amtsantritt von Donald Trump härter durch. In der ersten Jahreshälfte hat sie neun geplante Übernahmen durch ausländische Käufer vorläufig abgelehnt. Das Elektronikunternehmen Inseego etwa musste den Verkauf eines Geschäftsbereichs an den chinesischen Smartphone-Hersteller TCL absagen. Insgesamt 87 Übernahmen haben chinesische Unternehmen und Investoren in diesem Jahr in den USA geplant – ein Rekord.

Yi Sun von Ernst & Young: “Chinesische Investoren sind in den vergangenen Jahren immer professioneller aufgetreten.”

Chinesische Investoren werden sich weiter professionalisieren

Auch in Deutschland ist die chinesische Wirtschaft im Kaufrausch. Laut einer Studie von Ernst & Young gab es hierzulande 2016 68 Transaktionen zugunsten chinesischer Investoren. In der ersten Hälfte 2017 war der Trend zwar rückläufig, aber nicht gebrochen. „Das chinesische Interesse am europäischen und insbesondere am deutschen Markt bleibt hoch“, sagt Yi Sun von Ernst & Young. Sie erwartet zwar, dass die strengeren Regeln zunächst zu vorsichtiger Zurückhaltung führen werden. Investoren würden sich die ersten Fälle genau anschauen und müssten Übernahmen in Zukunft noch gründlicher vorbereiten. „Das sollte aber kein Problem sein, da chinesische Investoren in den vergangenen Jahren bereits immer professioneller aufgetreten sind“, analysiert Yi Sun. Auf lange Sicht rechnet sie mit einem anhaltend hohen Niveau chinesischer Übernahmen.

Die Bundesregierung erschwert mit einer Verordnung Nicht-EU-Ausländern den Zugriff auf sensible Branchen und Unternehmen. Die neuen Barrieren dürften die Einkaufslust vor allem chinesischer Investoren aber nicht ausbremsen.

 Deutscher Mittelstand für „Made in China“

Auch in China selbst nehmen die Barrieren zu: Die verschärften Kapitalverkehrskontrollen des chinesischen Staates grenzen die Shoppingtouren ein. Motivierend wirkt dagegen der vor zwei Jahren beschlossene Masterplan „Made in China 2025“. Er soll das Land bis 2049 in die Gruppe der fortschrittlichsten Industrienationen katapultieren. Der Weg dahin führt über IT, Roboter und automatisierte Prozesse. Genau hierfür sind Zukäufe im gehobenen deutschen Mittelstand der richtige Hebel. Im Fokus stehen der Maschinenbau ebenso wie Flugzeugtechnologie und die Autoindustrie. Jüngstes Beispiel ist der Verkauf der Bosch-Sparte Starter und Generatoren an ein chinesisches Konsortium, der nur noch der Zustimmung der Kartellbehörden bedarf.

Abfallverbrennungsanlage am Monte Kali in Heringen: Die EEW Energy from Wast wurde an die Bejing Enterprises Holding weiterverkauft. Foto © EEW GmbH

Kein neues Volkswagen-Gesetz

Das deutsche Know-how bei klimafreundlichen Energien ist ebenfalls gefragt. Das zeigt die Übernahme der ehemaligen E.on-Tochter EEW Energy from Waste. Der Spezialist für Abfallverwertung war vom Private-Equity-Fonds EQT Infrastructure II auf Effizienz getrimmt worden und ist nun an die Bejing Enterprises Holding weiterverkauft worden. Für Finanzinvestoren sind chinesische Käufer mittlerweile ein wichtiger Exit-Kanal. Das zeigt auch der gerade bekannt gegebene Verkauf des Energiedienstleisters Ista durch CVC Capital Partners an die Cheung Kong Property Holdings des Milliardärs Li Ka-shing.

„Derzeit überwiegen bei chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland die positiven Effekte“, konstatiert IW-Forscher Rusche. Es bestehe aber potenziell die Gefahr, dass sich der chinesische Staat, der an vielen Käuferfirmen beteiligt ist oder sie fördert, in Deutschland Einfluss verschafft. Deshalb ist bei der neuen Regulierung ein Zauberwort entscheidend: Sie fokussiert sich auf die Infrastruktur und nicht auf Branchen. Die Erfahrung lehrt die deutschen Ordnungspolitiker, dass andernfalls Ärger mit der EU droht. Die hatte Deutschland vor dem EuGH bereits wegen des Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verklagt, weil im Volkswagen-Gesetz eine Stimmrechtsbegrenzung der Aktionäre auf 20 Prozent vorgesehen war. „Dieses Limit war ursprünglich installiert worden, um VW vor Übernahmen zu schützen“, sagt Dr. André Wolf vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWII). Der EU war das bei einem Autobauer nicht recht.

Die Bundesregierung erschwert mit einer Verordnung Nicht-EU-Ausländern den Zugriff auf sensible Branchen und Unternehmen. Die neuen Barrieren dürften die Einkaufslust vor allem chinesischer Investoren aber nicht ausbremsen.

Gefangenendilemma oder Protektionismus?

Deutschland hat in Brüssel auch Vorgaben für eine EU-einheitliche Prüfung angeregt. Eigentlich aber dürfte das kein Thema sein. „Es geht ja um Unternehmenserwerbe durch Nicht-EU-Ausländer, während der Binnenmarkt davon gar nicht berührt wird“, argumentiert Kartellrechtler Hempel. Die Bundesregierung jedenfalls nimmt mit der neuen Verordnung lieber den Vorwurf des Protektionismus in Kauf als eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Das ist auch eine Reaktion auf die chinesischen Verhältnisse, wo sich deutsche Investoren in der Automobilbranche etwa ausschließlich über Joint Ventures einkaufen dürfen. Die Frage für den Wirtschaftsstandort Deutschland wird sein, ob sich die bislang positiven Effekte ins Gegenteil verkehren. Ökonom Wolf jedenfalls hält das Bild vom chinesischen Käufer, der deutsche Firmen wie Raubritter ausnimmt, für nicht adäquat. „Sie versuchen in der Regel eine Win-win-Situation zu schaffen. Sie sind interessiert am Technologietransfer, wollen diese Unternehmen aber andererseits weiterführen und Arbeitsplätze erhalten“, sagt er. Bei allen neuen Auflagen, Fristen und staatlichen Eingriffen sollte diese gewinnbringende Konstellation auch in Zukunft im Interesse aller Beteiligten sein.

 

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