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Rendite mit Karma

Geld verdienen und Gutes tun: Immer mehr Investoren zielen auf Nachhaltigkeit ab. Impact Investing verbindet Menschlichkeit mit Unternehmertum. Bildung, soziale Projekte oder Öko-Wirtschaften gewinnen an Bedeutung.

Pia kann mit ihren Fingern drei Ebenen tief ins Gewebe tasten. Die Berlinerin ist blind und arbeitet in einem Brustkrebszentrum. Dort untersucht sie Frauen ab 30 Jahren, indem sie ihre Brüste nach möglichen Gewebeknoten abtastet. Ausgebildet wurde die Sehbehinderte Frau bei Discovering Hands in Mülheim an der Ruhr. Sie ist eine von bundesweit 29 medizinischen Tastuntersucherinnen (MTUs), die in der Brustkrebsfrüherkennung arbeiten. Denn das Mammographie-Screening wird erst für Frauen ab 50 Jahren angeboten, obwohl ein Fünftel der Betroffenen jünger ist. Der Vorteil: MTUs tasten nachweislich besser als Ärzte. In Zukunft soll es flächendeckend Frauen wie Pia geben, die helfen, die aggressive Krebsart möglichst frühzeitig zu erkennen, um dadurch die Heilungschancen zu erhöhen.

Pia Hemmerling: Mit ihren Fingern tastet die sehbehinderte Frau Brüste nach Gewebeknoten ab. (© BonVenture Management GmbH)

Das Projekt Discovering Hands ist für Angela Lawaldt ein vorbildliches Sozialunternehmen. „Es ist faszinierend, was Menschen leisten können“, sagt die 42-Jährige. Die Psychologin arbeitet bei BonVenture, einem Social Venture-Fonds mit Sitz in München und betreut dort Gesundheits- und Bildungsprojekte. Soziale Wagnisfonds wie den von BonVenture bezeichnen Finanzexperten als „Impact Investing“, auf Deutsch: wirkungsorientiertes Investieren. Geldanlagen, die auf nachhaltige Projekte setzen. Bildung, Gesundheit oder Umwelt stehen im Fokus. Bezahlbare Wohnungen in europäischen Ballungszentren, Job-Initiativen in verlassenen Kohlestädten der USA gehören genauso dazu wie die neunmonatige Ausbildung der blinden Frauen.

In den USA boomt diese Investmentform bereits seit Jahren. Laut Global Impact Investing Network (GIIN), einem Netzwerk umwelt- und sozialbewegter Anleger, liegt die Summe des weltweit investierten Kapitals bei mehr als 144 Mrd. US-Dollar. Im Vergleich zu üblichen Finanzinvestitionen ist das zwar wenig – deren Gesamtbetrag ist nach Schätzungen 500 Mal so groß –, jedoch liegt die Steigerungsrate bei 47 Prozent per annum.. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung hat sich in Deutschland das investierbare Vermögen von 2012 bis Ende 2015 von 24 Mio. auf 70 Mio. Euro erhöht.

Familien gründen soziale Fonds

Wer investieren will, fragt zwar zuerst nach Risiko und Ertrag. „Dann wollen die Leute aber, dass ihr Geld in sozialen, umweltfreundlichen und nachhaltigen Projekten angelegt wird“, sagt Markus Sobau, Geschäftsführer von Confina, einem Finanzplaner, der seit 20 Jahren den Markt beobachtet. So gründeten bereits Anfang der 2000er-Jahre deutsche Unternehmer und deren Familien Social-Venture-Fonds. Darunter die beiden bekanntesten, BonVenture und Ananda, eine Alternative, die ebenfalls ihren Sitz in München hat.

Geld verdienen und Gutes tun: Immer mehr Investoren zielen auf Nachhaltigkeit ab. Impact Investing verbindet Menschlichkeit mit Unternehmertum. Bildung, soziale Projekte oder Öko-Wirtschaften gewinnen an Bedeutung.

„Ich beschäftige mich seit dem Studium mit Impact Investing“, erinnert sich Bernard Wendeln, Mitgründer von BonVenture. „Ich wollte als Unternehmer anderen Firmen auf die Beine helfen und der Gesellschaft etwas zurückgeben“, erklärt Wendeln. Er gründete ein Family Office sowie 2003 BonVenture. Mitmacher der ersten Stunde sind unter anderem die wohlhabenden Familien Brost, Haindl und Strascheg, die heute noch als Investoren und Beiräte fungieren und über entsprechende Expertise verfügen. „Eine meiner Lieblingsfirmen ist AfB social & green IT“, sagt Wendeln. AfB steht für „Arbeit für Menschen mit Behinderung“ und erfüllt alle Kriterien von BonVenture. Das Unternehmen kauft gebrauchte IT-Hardware, löscht die Daten, päppelt die Geräte mit neuen Grafikkarten oder Festplatten auf und vertreibt diese in eigenen Läden und Online-Shops. Übrige und irreparable Komponenten werden zerlegt und als Rohmaterial verkauft. So ist ein Doppeleffekt zu verzeichnen: Zum einen führen die Arbeiten Menschen mit Behinderungen aus, zum anderen wird die Umwelt durch das Upcycling geschont. Das Konzept kommt an. AfB beschäftigt heute mehr als 200 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von zehn Mio. Euro. „Uns ist es wichtig, Menschlichkeit und Unternehmertum miteinander zu kombinieren“, erklärt seine Partnerin Angela Lawaldt die Ziele der Impact Fonds.

Gewinn ist Pflicht

Auch Johannes Weber, Gründer von Ananda, will als Unternehmer Rendite mit Karma verbinden. „Wir investieren in Technologiefirmen mit einer sozialen oder umweltfreundlichen Wirkung“, sagt Weber. So gelte die Logikkette: Unterstützte Projekte müssen einen Umsatz vorweisen, mit dem sie eine soziale Wirkung erzielen – und das mit Gewinn. „Dass ein Innovationsfaktor vorhanden ist, Erfolge skalierbar sind und der Break-even Point überschritten wurde, ist für eine Investition essenziell“, ergänzt Lawaldt.

Quelle: Bertelsmann Stiftung

Wer sich für ein nachhaltiges Anlageprodukt entscheiden will, findet nur feine Unterschiede. BonVenture ist ausschließlich im deutschsprachigen Raum tätig, Ananda hingegen europaweit mit dem Fokus auf Technologieunternehmen. So greift der Fonds etwa Leso Digital Health, einem Online-Psychologenprogramm, unter die Arme. Das Unternehmen aus England therapiert Patienten mit Ängsten und Depressionen via Online-Schriftverkehr und verzeichnet speziell bei Männern einen positiven Effekt, da sie face to face oft mehr Zeit benötigen, sich zu öffnen. „Konkurrenten sind wir keine. Wir sehen uns als Mitbewerber mit gleichen Zielen und haben in der Vergangenheit zusammen zwei Projekte unterstützt“, stellt Ananda-Chef Weber klar. Geholfen wird nicht nur mit Geld, sondern auch mit Kreativität und unternehmerischer Expertise. Etwa, wenn es in den geförderten Firmen darum geht, Prozesse zu optimieren oder im Vertrieb Kontakte zu vermitteln.

 

 

Ohne Risiko geht’s nicht

Dass die Zeit reif für ein Umdenken beim Investieren ist, zeigt die Bewegung des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND). Der Verein fordert mehr politisches Engagement für Sozialunternehmen. „Obwohl alle Parteien Social Entrepreneurship gut finden, gibt es bislang noch zu wenig politische Unterstützung“, resümiert Markus Sauerhammer, Vereinsvorsitzender. „Die Zielrichtung ist klasse“, betont auch Finanzplaner Sobau. Wichtig sei, dass sich Investoren klarmachen, dass sie in Nachhaltigkeit und Umwelt investieren und das Kapital für zehn Jahre gebunden ist. Im optimalen Fall kommen gute Renditen zustande, allerdings sei das Risiko eines Totalverlustes ebenso wie bei herkömmlichen Unternehmensbeteiligungen gegeben, betont der Mannheimer Finanzexperte.

Geld verdienen und Gutes tun: Immer mehr Investoren zielen auf Nachhaltigkeit ab. Impact Investing verbindet Menschlichkeit mit Unternehmertum. Bildung, soziale Projekte oder Öko-Wirtschaften gewinnen an Bedeutung.

Dennoch ist Impact Investing eine Alternative zu konventionellen Fonds. „Vor allem weil die Zinsen auch in den kommenden Jahren, bedingt durch politischen Willen, auf niedrigem Niveau verharren werden“, prophezeit Confina-Chef Sobau. „Noch vor zehn Jahren warfen die Investitionen kaum Rendite ab, es zählte allein der Gedanke, mit dem Geld etwas Gutes zu tun“, verdeutlicht Angela Lawaldt. Das hat sich mittlerweile geändert, und die Fonds werden immer größer. Der erste BonVenture-Fonds hatte lediglich ein Volumen von 5,12 Mio. Euro, bestückt von Investoren aus vier Familien. Von 2003 bis heute wuchs die Zahl von vier auf 25 Investoren, und das Volumen vervierfachte sich auf mehr als 23 Mio. Euro.

Kollegen bei Auticon: Das Unternehmen beschäftigt autistische Mitarbeiter. (© auticon GmbH)

Auch bei Ananda ist das Interesse der Investoren gestiegen. „Angefangen haben wir mit sieben Mio. im Topf, heute sind es 44 Mio. Euro und 35 Investoren“, berichtet Johannes Weber. Verantwortlich für das wachsende Interesse seien erfolgreiche Sozialunternehmen, die durch Impact Investing deutlich zugelegt haben. Auticon ist so ein Projekt, das heute für 40 Prozent der DAX-Konzerne arbeitet. Die Gründer sehen Potenzial in dem einen Prozent der Menschen in Deutschland, die autistisch sind. Dabei handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, die immer noch als Schwäche gesehen wird. Jedoch haben diese Menschen eine Gabe: Sie können Muster schnell erkennen. Gerade für Big-Data-Anwendungen ist diese Fähigkeit gefragt, etwa um Fehler in Algorithmen auszulesen. Auticon bietet IT-Beratungen an und ermöglicht Autisten, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.

Geht gar nicht: Green Washing

So steigen Renditen und parallel dazu die Bewerbungen. Im vergangenen Jahr wollten 650 Firmen Geld von Ananda. Zwischen fünf und 15 Prozent Rendite sind für Investoren drin. „Herkömmliche Fonds mögen mehr abwerfen, allerdings steht bei uns Mensch und Umwelt im Fokus“, erklärt Wendeln. Daher sei es wichtig, die Investoren genau unter die Lupe zu nehmen. „Unternehmen mit Ausbeutermentalität und dem Vorhaben, Green Washing zu betreiben, lehnen wir ab“, betont der Fonds-Gründer.

Interessant ist Impact Investing für Mittelständler oder Privatiers, die mindestens 200.000 Euro anlegen wollen. „Wir achten darauf, dass Investoren der ersten Stunde ihr Mitbestimmungsrecht behalten“, so Weber. Selbst wenn Geldgeber mit einer hohen Summe einsteigen. Zudem sei es sinnvoll, sich vor einem Impact Investment auf Plattformen zu informieren, welche Varianten und Formen es gibt, betont Finanzexperte Sobau. Denn hier klaffen Ansprüche teils weit auseinander. Dem einen reiche es, wenn das Kreditinstitut einen Teil des Geldes in nachhaltige Projekte wie Windparks oder Wasserkraftwerke investiere. Andere wollen zusätzlich ethische oder soziale Projekte unterstützen. Online-Plattformen wie die European Venture Philanthropy Association (EVPA) oder Global Impact Investing Vienna Exchange (GIIVX) können Hilfe zur Entscheidung geben oder sogar das passende Sozialunternehmen vermitteln, damit das Karma stimmt und im besten Fall eine Rendite erwirtschaftet wird.

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