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Produktion von Ritter Sport Schokolade: Das Umsatzwachstum bis 2025 soll vor allem aus dem Ausland kommen.

Produktion von Ritter Sport Schokolade: Das Umsatzwachstum bis 2025 soll vor allem aus dem Ausland kommen.

Auf der Suche nach Wachstumspotenzial setzen viele mittelständische Unternehmen auf eine Internationalisierung ihrer Marken. Gerade wenn der heimische Markt gesättigt ist, locken schier unerschöpfliche Expansionsmöglichkeiten. Doch zieht das Label German Family Business im Ausland?

Messeauftritte sind eine sichere Bank, wenn man von einem großen Fachpublikum wahrgenommen werden möchte. Das dachten sich zumindest die Verantwortlichen eines renommierten Unternehmens, die ja schließlich auf jahrelange Erfahrungswerte verweisen konnten. „Das ist ein Unternehmen, das in Deutschland und Europa ganz bekannt ist und das bei Messen immer regen Zulauf hat“ – so skizziert Berater Oliver Errichiello den Fall des nicht näher benannten Unternehmens. Doch dann präsentiert sich die Firma bei einer Messe in Südamerika, auf bislang unbekanntem Terrain. „Das gleiche Unternehmen mit den gleichen Leistungen, mit der gleichen Geschichte, mit den gleichen Spezifika geht nun dorthin, wo die Menschen noch keine Erfahrungen mit dem Unternehmen gesammelt haben. Und es kommt niemand zum Stand – weil eben noch keinerlei soziale Energie entstanden ist.“ Die Verantwortlichen sind frustriert. Für Errichiello ist das ein Paradebeispiel dafür, was bekannten deutschen Marken im Ausland passieren kann.

Autoverleiher Sixt: Das deutsche Familienunternehmen konnte sich in den USA etablieren. © Sixt GmbH & Co. Autovermietung KG

Konsumentenmarken auf Expansionskurs

Das Auslandsgeschäft gilt bei vielen deutschen Traditionsmarken mittlerweile als der entscheidende strategische Fokus. Einige haben sich bereits im Ausland etabliert, beispielsweise Lamy in China oder Sixt in den USA. Andere wie Haribo oder Ritter Sport wollen das auch schaffen. Der deutsche Markt gilt in vielen Branchen als gesättigt, darunter leiden Umsätze und Gewinne. Doch wie bei jedem Trend ist auch hier das Risiko groß, einer Pauschallösung hinterherzulaufen, die nicht zum eigenen Unternehmen passt. Welche Kriterien sind also ausschlaggebend dafür, dass man als deutsche Marke auch in einer anderen Kultur Erfolg hat?

Flucht vor Innovationen?

Der Unternehmensberater Guido Quelle rät jedenfalls dringend dazu, erst mal grundsätzliche Fragen zu klären: „Warum wollen wir überhaupt internationalisieren? Die Antwort ist meistens: Weil wir wachsen wollen und weil der lokale Markt vermeintlich gesättigt ist.“ Doch das bedeute im Umkehrschluss, dass in der Marke kein großes Potenzial für heimische Innovationen gesehen wird. Quelle folgert daraus: „Nicht selten wird das Heil in der Internationalisierung auch aus einem Fluchtmotiv heraus gesucht.“ Dem stellt der Berater eine andere Einstellung gegenüber: „Eine Auslandsexpansion muss immer aus einer Position der Stärke heraus begonnen werden, niemals aus einer Position der Schwäche.“

Das ist auch Thomas Seeger bewusst. Der Jurist ist seit 18 Jahren Justiziar bei der Schokoladenmarke Ritter Sport. Seit damals ist er auch Unternehmenssprecher – eine Aufgabe, die er zunächst nebenher wahrnahm. In den vielen Jahren hat Ritter Sport seine Markenpräsenz in Deutschland gestärkt. Seeger erinnert sich noch gut an die Zeit um die Jahrtausendwende zurück. „Wir wurden von den Verbrauchern als Submarke von internationalen Großkonzernen wahrgenommen. Es wusste damals kaum jemand, dass wir ein mittelständisches Familienunternehmen sind.“ Heute ist Ritter Sport eine der populärsten Marken in Deutschland: „Die Bekanntheit im Inland können Sie im Prinzip nicht mehr steigern“, konstatiert Seeger.

Auf der Suche nach Wachstumspotenzial setzen viele mittelständische Unternehmen auf eine Internationalisierung ihrer Marken. Gerade wenn der heimische Markt gesättigt ist, locken schier unerschöpfliche Expansionsmöglichkeiten. Doch zieht das Label German Family Business im Ausland?

Bei der Internationalisierung hat Ritter Sport bereits einige Erfahrungen gemacht. Zunächst expandierte die Marke einfach über Distributoren im europäischen Ausland. Ende der 90er-Jahre fiel bereits eine Grundsatzentscheidung, dass man sich international breiter aufstellen müsse, um nicht zu stark von schwankenden Rohstoffpreisen und der Großhandelskonzentration abhängig zu sein. Um die Jahrtausendwende herum wurden jedoch auch Fehler gemacht worden, gibt Seeger zu. Unter einer Fremdgeschäftsführung hat der Mittelständler versucht, exzessiv auf vielen weiteren Märkten zu wachsen. Die Hauruck-Strategie ging schief, die Familie Ritter zog personelle Konsequenzen.

Das ist in umgekehrter Richtung nun wieder der Fall: Marketingchef Jürgen Hermann sowie Olaf Wilcke, der für den internationalen Vertrieb verantwortlich war, wurden im Oktober geschasst. „Das war ein schmerzlicher Einschnitt, aber die Struktur hat angesichts der fortschreitenden Internationalisierung nicht mehr gepasst“, begründet Unternehmenssprecher Seeger die Entscheidung von Gesellschafter Alfred Ritter. Weitere Veränderungen auf Führungsebene werden erwartet. Ritter Sport will bis 2025 beim Umsatz um 50 Prozent zulegen und dafür in den jeweiligen Auslandsmärkten agiler aufgestellt sein.

Stärke statt Bekanntheit

Doch neben der organisatorischen Struktur entscheiden bei einer Konsumentenmarke wie der quadratischen Schokoladentafel noch andere Faktoren über den Erfolg: „Die Gefahr ist, dass man ohne großes Budget nicht mehr wahrgenommen wird“, gibt Unternehmenssprecher Seeger zu bedenken. Daher setze man nicht auf gigantische PR-Schlachten, sondern eher auf zielgerichtete Kampagnen, etwa Straßenbahnwerbung oder Bahnhofskampagnen, kreative Verteilaktionen und Verbraucheranbindung in Social Media-Kanälen.

Diese Vorgehensweise findet Experte Oliver Errichiello sinnvoll. Denn mit einem großen Werbebudget lasse sich zwar relativ schnell eine Markenbekanntheit auf einem bestimmten Markt erzielen, „aber meistens sind gerade mittelständische Familienunternehmen nicht in der Lage, die ganze Bandbreite der Kommunikation auszurollen“. Zudem sei diese Werbung nicht nachhaltig und kein Garant dafür, gekauft zu werden. „Die Kundschaft in einem Land, das mich bisher nicht kannte, muss Erfahrung mit mir sammeln. Realen Erlebnissen mit einer Marke vertrauen wir am meisten.“ So koste es viel Zeit, bis aus Markenbekanntheit Markenstärke werden könne.

Für Unternehmensberater Quelle ist es auffällig, dass viele Unternehmen vor der Internationalisierung nicht ausreichend Zeit auf strategische Überlegungen verwenden. „Zunächst einmal muss geschaut werden: Passt die Internationalisierung denn zu unserer Strategie? Wenn nein, müssen wir unsere Strategie entsprechend ändern.“ Abläufe, Verfahrenswege, Produktkategorien müssten angepasst werden. „Wenn das nicht passt, exportieren wir das Chaos.“ Gerade die Geschäftsführung ist also verpflichtet, die Expansion stetig voranzutreiben. Es gelte, Unterschiede zwischen den Kundenbedürfnissen auf dem heimischen und dem angepeilten Markt herauszufinden. Diese würden übrigens häufig überschätzt: „Man muss die Spezifika herausfinden: Was sind wirklich kaufentscheidende Unterschiede und was sind Unterschiede, die irrelevant sind?“

Auf der Suche nach Wachstumspotenzial setzen viele mittelständische Unternehmen auf eine Internationalisierung ihrer Marken. Gerade wenn der heimische Markt gesättigt ist, locken schier unerschöpfliche Expansionsmöglichkeiten. Doch zieht das Label German Family Business im Ausland?

Bahlsen-Geschäftsführer Michael Hähnel: Er verantwortet die Internationalisierung bei Bahlsen. © Bahlsen GmbH & Co. KG

Etikett deutsches Familienunternehmen

Genau diese Fragen hat sich auch Bahlsen gestellt. Ähnlich wie Ritter Sport verfolgt das Familienunternehmen bis 2025 eine Strategieplanung mit dem Ziel, im Ausland profitabel zu wachsen. Seit ein paar Jahren forciert Bahlsen die Expansion in mehreren Regionen und weiß, welche Produkte wo gut ankommen: „Vor allem in Ländern wie Vietnam oder Malaysia können wir schon ein schönes Wachstum verzeichnen. Besonders erfolgreich sind wir dort mit unseren klassischen und zeitlosen Keksen“, berichtet Geschäftsführer Michael Hähnel. Bahlsen setzt dabei bewusst auf das Label Made in Germany im Allgemeinen und Family Business im Speziellen. Seit Kurzem firmiert die Firmengruppe unter dem Namen The Bahlsen Family. In den nächsten Wochen ist geplant, das auch auf den Verpackungen zu platzieren.

Doch wie sehr zieht das Etikett German Family Business? „Es gab eine Zeit, da hieß es: Es spielt überhaupt keine Rolle, woher die Produkte kommen“, erklärt Markenberater Errichiello. Doch das sei heute nicht mehr der Fall: „Gerade in Zeiten der Globalisierung, wo wir den Eindruck haben, es ist alles unüberschaubar, ist die Herkunft wieder relevant.“ Made in Germany sei bis heute immer noch ein Garant für gewisse Produkteigenschaften: einen hohen Präzisionsgrad, Zuverlässigkeit und Genauigkeit.

Besonders profitiert hat davon der Schreibwarenhersteller Lamy. Unter seinem Geschäftsführer Bernhard Rösner, der im Juni überraschend entlassen wurde, konnte das Familienunternehmen seinen Umsatz mehr als verdoppeln. Rösner verfolgte eine gradlinige Internationalisierung und fand vor allem in China, wo Lamy seit 2008 präsent ist, viele neue Kunden. Dort punktet die Marke bis heute mit ihrem Bauhausprinzip, das als typisch deutsch wahrgenommen wird. Entsprechend lautet der Claim von Lamy heute: Design. Made in Germany.

Traditionsfüller Lamy 2000: Mit dem typischen Bauhaus-Design konnte die Marke in den vergangenen zehn Jahren vor allem in China punkten. © Josef Lamy GmbH

Andere Potentiale bei der Marge

Das Beispiel Lamy zeigt, dass ein nachhaltiger Erfolg von mehreren Faktoren abhängt. Dabei geht es nicht nur um die typisch deutschen Werte, um beim Kunden zu punkten. Gleichzeitig muss man die Menschen in ihrer Kultur ansprechen.  Frank-Christian Raffel berät seit Jahren deutsche Marken bei ihrer Marketingstrategie und kennt den Mix aus deutschem Image und ausländischer Adaption: „Sie müssen die Marke anders positionieren, ohne dabei ihre deutschen Tugenden zu ignorieren.“ In China gilt es beispielsweise, Qualität und Tradition zu transportieren, gleichzeitig aber auch mit Pathos und – nach unserem Verständnis – Kitsch zu spielen.

Wer das schafft und sich etabliert, kann nicht nur den Umsatz auf eine andere Stufe heben, sondern auch seine Erträge deutlich steigern: „In China können viele deutsche Produkte für das 2,5-fache vom inländischen Konkurrenzprodukt verkauft werden“, konstatiert Berater Raffel.  Deutsche Marken können also voll auf das Premium-Segment beziehungsweise die wachsende Mittelschicht in den Wachstumsmärkten dieser Welt setzen. Gerade diese verlockende Aussicht ist der Grund, warum so viele Konsumentenmarken hier den Markt der Zukunft sehen. Die Herausforderung, sich nachhaltig durchzusetzen, bleibt für Ritter Sport, Bahlsen und Co. indes weiter bestehen.

 

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