Deutsch für Ausländer

Auf der Suche nach Wachstumspotenzial setzen viele mittelständische Unternehmen auf eine Internationalisierung ihrer Marken. Gerade wenn der heimische Markt gesättigt ist, locken schier unerschöpfliche Expansionsmöglichkeiten. Doch zieht das Label German Family Business im Ausland?

Bei der Internationalisierung hat Ritter Sport bereits einige Erfahrungen gemacht. Zunächst expandierte die Marke einfach über Distributoren im europäischen Ausland. Ende der 90er-Jahre fiel bereits eine Grundsatzentscheidung, dass man sich international breiter aufstellen müsse, um nicht zu stark von schwankenden Rohstoffpreisen und der Großhandelskonzentration abhängig zu sein. Um die Jahrtausendwende herum wurden jedoch auch Fehler gemacht worden, gibt Seeger zu. Unter einer Fremdgeschäftsführung hat der Mittelständler versucht, exzessiv auf vielen weiteren Märkten zu wachsen. Die Hauruck-Strategie ging schief, die Familie Ritter zog personelle Konsequenzen.

Das ist in umgekehrter Richtung nun wieder der Fall: Marketingchef Jürgen Hermann sowie Olaf Wilcke, der für den internationalen Vertrieb verantwortlich war, wurden im Oktober geschasst. „Das war ein schmerzlicher Einschnitt, aber die Struktur hat angesichts der fortschreitenden Internationalisierung nicht mehr gepasst“, begründet Unternehmenssprecher Seeger die Entscheidung von Gesellschafter Alfred Ritter. Weitere Veränderungen auf Führungsebene werden erwartet. Ritter Sport will bis 2025 beim Umsatz um 50 Prozent zulegen und dafür in den jeweiligen Auslandsmärkten agiler aufgestellt sein.

Stärke statt Bekanntheit

Doch neben der organisatorischen Struktur entscheiden bei einer Konsumentenmarke wie der quadratischen Schokoladentafel noch andere Faktoren über den Erfolg: „Die Gefahr ist, dass man ohne großes Budget nicht mehr wahrgenommen wird“, gibt Unternehmenssprecher Seeger zu bedenken. Daher setze man nicht auf gigantische PR-Schlachten, sondern eher auf zielgerichtete Kampagnen, etwa Straßenbahnwerbung oder Bahnhofskampagnen, kreative Verteilaktionen und Verbraucheranbindung in Social Media-Kanälen.

Diese Vorgehensweise findet Experte Oliver Errichiello sinnvoll. Denn mit einem großen Werbebudget lasse sich zwar relativ schnell eine Markenbekanntheit auf einem bestimmten Markt erzielen, „aber meistens sind gerade mittelständische Familienunternehmen nicht in der Lage, die ganze Bandbreite der Kommunikation auszurollen“. Zudem sei diese Werbung nicht nachhaltig und kein Garant dafür, gekauft zu werden. „Die Kundschaft in einem Land, das mich bisher nicht kannte, muss Erfahrung mit mir sammeln. Realen Erlebnissen mit einer Marke vertrauen wir am meisten.“ So koste es viel Zeit, bis aus Markenbekanntheit Markenstärke werden könne.

Für Unternehmensberater Quelle ist es auffällig, dass viele Unternehmen vor der Internationalisierung nicht ausreichend Zeit auf strategische Überlegungen verwenden. „Zunächst einmal muss geschaut werden: Passt die Internationalisierung denn zu unserer Strategie? Wenn nein, müssen wir unsere Strategie entsprechend ändern.“ Abläufe, Verfahrenswege, Produktkategorien müssten angepasst werden. „Wenn das nicht passt, exportieren wir das Chaos.“ Gerade die Geschäftsführung ist also verpflichtet, die Expansion stetig voranzutreiben. Es gelte, Unterschiede zwischen den Kundenbedürfnissen auf dem heimischen und dem angepeilten Markt herauszufinden. Diese würden übrigens häufig überschätzt: „Man muss die Spezifika herausfinden: Was sind wirklich kaufentscheidende Unterschiede und was sind Unterschiede, die irrelevant sind?“

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