Kern statt Konzern

Was Dax-Konzerne vormachen, wird auch bei großen Familienunternehmen zunehmend ein Trend. Immer häufiger sehen sie die Chance, sich durch den Verkauf von Geschäftsbereichen agiler aufzustellen. Warum Fokussierung auf das Kerngeschäft die Diversifizierung immer mehr ablöst.

Proaktive Umstrukturierung statt aktivistische Investoren. So könnte man die Nachrichten der vergangenen Wochen zusammenfassen. Denn zunehmend ergreifen Konzernlenker selbst die Initiative und setzen auf Ausgründungen: um wendiger zu werden, aber auch, um Kapital zu mobilisieren. So hat es Bayer mit seinem Kunststoffgeschäft Covestro gemacht und Siemens mit dem Medizintechnikableger Healthineers. Und der Autozulieferer Continental etabliert unter dem Dach einer Holding jetzt die drei Sparten Reifen, Antriebstechnik und autonomes Fahren als selbständige Einheiten – Börsengänge nicht ausgeschlossen.

Weniger Rand, mehr Kern

Weniger Konzern, dafür mehr Power für das zentrale Geschäft. Dieser Maxime folgt zunehmend auch der gehobene Mittelstand. „Derzeit nutzen Unternehmen vor allem den Verkauf von Randaktivitäten, um die Erlöse daraus in ihr Kerngeschäft zu investieren oder mit der so gewonnen Liquidität ihre Finanzierungsstruktur zu verbessern“, sagt Rechtsanwalt Dr. Patrick Nordhues, Experte für Corporate/M&A bei PwC. Häufig ist auch die Nachfolgeregelung ein Anlass. „Wenn mehrere Familienstämme eigenständig unternehmerisch tätig werden wollen, können die getrennten Geschäftsbereiche je nach Wünschen und Ausrichtung der Gesellschafter zugeordnet werden“, so Nordhues.

Oetker-Gruppe: Fokus auf Konsumgüter

Naturgemäß sind es vor allem krisenanfällige Sparten, die der strategischen Neuausrichtung zum Opfer fallen. Die Bielefelder Dr. August Oetker KG hat eine solche Entscheidung getroffen. Bis vor Kurzem erwirtschaftete die eher für ihre Nahrungsmittelprodukte bekannte Firmengruppe nahezu die Hälfte ihres Umsatzes – 11,6 Mrd. Euro in 2017 – in der Schifffahrt. Doch ihre Reederei Hamburg Süd bewegte sich seit Jahren in einer Branche mit steigenden Überkapazitäten und hohem Verlustrisiko. Jetzt hat Oetker einen Schlussstrich gezogen und die Tochter im vergangenen Dezember für 3,7 Mrd. Euro an die dänische Reederei Maersk Line A/S verkauft. Eine weitere Teilnahme an der Marktkonsolidierung, so die Einsicht der Familiengesellschafter, hätte erheblichen Kapitalbedarf nach sich gezogen und den Risikoausgleich innerhalb der Gruppe empfindlich gestört.
Die neue Liquidität will das Traditionsunternehmen nun vor allem für das Wachstum seiner Konsumsparten nutzen. Mit Pizza und Backzutaten von, mit Torten von Coppenrath & Wiese, Henkell Sekt, Wodka Gorbatschow und Radeberger Bier firmieren schon jetzt klangvolle Markennamen unter dem Dach der Firmengruppe. Dank der neuen finanziellen Freiräume, so Oetker-Chef Dr. Albert Christmann, stehen dabei auch Übernahmen auf der Agenda. Genug Geld dafür ist jedenfalls da.

Beste Zeit zum Verkauf unbedeutender Segmente

Die regelrechte Halbierung des Geschäfts wie bei Dr. Oetker ist eher die Ausnahme. Aber schlecht laufende Sparten immer weiter mitzuschleppen, wie es kleinere Firmen aus Loyalität zur Firmenhistorie oft tun, kann auch keine Dauerlösung sein. Der gehobene Mittelstand – meist geprägt von mehreren Eigentümern und einer fest verankerten Corporate Governance – ist eher bereit zur Trennung. „An der Spitze dieser Firmen steht oft ein modernes Management, das in die Wettbewerbsfähigkeit gut laufender Sparten investieren will“, sagt Dr. Burkhard Weber, Partner bei Imap M&A Consultants. Er vertritt zurzeit eine Düsseldorfer Firmengruppe beim Verkauf einer Sparte und hat auch schon Familienunternehmen wie Koenig & Bauer oder die Diehl-Stiftung bei der Veräußerung von Geschäftseinheiten beraten. Unbedeutende Segmente gelten da eher als Hindernis. „Viele Firmen verkaufen solche Sparten lieber jetzt, ehe die aktuell hohen Unternehmenspreise wieder nach unten gehen“, beobachtet Weber.

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