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Family Offices als Finanzierungspartner

Angesichts der Marktturbulenzen der letzten Jahre und der hieraus resultierenden verschärften Kontrollauflagen (Stichwort Basel II + III) sind die meisten Bankinstitute damit beschäftigt, ihre Bilanzen zu bereinigen, und haben in Folge die Kreditvergabe zunehmend eingeschränkt. Der Mittelstand muss sich daher seit geraumer Zeit nach alternativen Finanzierungspartnern umsehen, um die notwendigen Mittel für sein Wachstum aufnehmen zu können. Wenn die Unternehmensgröße für die Emission von eigenen Anleihen nicht ausreicht, besteht die Lösung meist in der Einwerbung von Eigenkapital, das auch wieder mehr Spielraum für Bankfinanzierungen öffnet.

Vermögende Familien als Geldgeber für den Mittelstand

Als solche Eigenkapitalpartner standen bisher vor allem Private-Equity-Fonds zur Verfügung, die allerdings im Mittelstand seit der (im Grunde zu Unrecht geführten) „Heuschreckendebatte“ nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Hinzu kommt, dass der Einstieg eines klassischen Private-Equity-Investors zugleich bedeutet, dass dieser in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren das Unternehmen weiterverkaufen möchte. Eher leise etabliert sich nun eine neue Form von Beteiligungskapital im Markt, das sogenannte Family Equity – also Kapital, das von vermögenden Familien für Beteiligungszwecke zur Verfügung gestellt wird. Dieser Weg kann für manche Unternehmen eine sinnvolle neue Alternative der Finanzierung darstellen.

Herkunft und Motivation

Zunächst ist es hilfreich, die Herkunft und Motivation von Family Equity zu verstehen. Dieses Kapital stammt nämlich meist selbst aus der Veräußerung eines Unternehmens. Früher wurde die dabei geschaffene freie Liquidität in die klassischen Anlageformen Aktien, Rentenpapiere und Immobilien reinvestiert. Durch die Finanzkrisen der letzten Jahre und die insgesamt unsichere, stark schwankende Entwicklung der Aktienmärkte werden nun verstärkt alternative Anlageformen gesucht, deren Entwicklung man besser nachvollziehen kann. Deshalb gewinnt im Rahmen der Vermögensanlage die nicht-öffentliche direkte Beteiligung an mittelständischen Unternehmen zunehmend an Bedeutung.

Unterschiede zwischen klassischem Private Equity und Family Equity

Der zentrale Unterschied zwischen Private Equity und einer Direktbeteiligung durch eine vermögende Familie besteht somit darin, dass durch ein Family Office eigenes Geld investiert wird und der Investor meist selbst Unternehmer war. Daher existiert normalerweise auch ein besseres Verständnis und persönliches Netzwerk für das kapitalsuchende Unternehmen, als dies im Zweifelsfall die angestellten Manager eines Private-Equity-Fonds besitzen. Ein weiterer entscheidender Unterschied liegt in der Investmentphilosophie: Private-Equity-Fonds sind meist geschlossene Fonds mit einer Laufzeit von ca. zehn Jahren, innerhalb derer die Beteiligung möglichst günstig eingekauft und zu einem höheren Preis wieder weiterverkauft werden soll. Dieses Geschäft wird dabei mit strikten Vorgaben, weitestgehend emotionslos und im Sinne eines „business as usual“ abgehandelt.

Andere Motivation

Bei einem Family Office ist die Motivation dagegen meist anders gelagert: Ein Investor, der selbst mit Herzblut ein Unternehmen geleitet und verkauft hat, investiert meist auch wesentlich flexibler. So ist es unserer Erfahrung nach häufig möglich, dass die Laufzeit eines Investments verlängert werden kann, wenn die aktuellen Marktbedingungen eine Rückführung des Kapitals nicht sinnvoll erscheinen lassen. Ebenso ist auch eine Aufstockung der bereits getätigten Investition möglich, wenn hierdurch zusätzliche Chancen ergriffen oder drohende Krisen abgewendet werden können. Neben der Wertsteigerung des Investments, die ein Family Office natürlich auch stets zum Ziel hat, kann häufig auch die Beteiligungsmotivation in einer attraktiven laufenden Rendite liegen (im Sinne von regelmäßig ausgeschütteten Gewinnen oder sogar Vorzugsdividenden). Gerade für Unternehmen, welche interessante EBITDA-Margen erwirtschaften und Kapital für eine Wachstumsstrategie benötigen, kann daher eine Family-Equity-Finanzierung ideal sein. Daneben steht Family Equity auch bei kleineren Investments zur Verfügung. Private-Equity-Fonds suchen dagegen typischerweise Unternehmen, die ein nachhaltiges und stabiles EBITDA von mindestens 4 bis 5 Mio. EUR vorweisen können, während Family Offices auf kleinere (Minderheits-)Beteiligungen und häufig auch Sondersituationen eingehen oder diese zusammen mit befreundeten Privatinvestoren als „Club Deal“ darstellen. Hinzu kommt, dass die Wahrung der Vertraulichkeit, die bei kapitalsuchenden Unternehmen oft eine große Rolle spielt, im Family-Office-Bereich stärker ausgeprägt ist. Denn die privaten Vermögensinhaber sind typischerweise öffentlichkeitsscheu und halten daher ihre Investments gerne sehr verdeckt.Angesichts der Marktturbulenzen der letzten Jahre und der hieraus resultierenden verschärften Kontrollauflagen (Stichwort Basel II + III) sind die meisten Bankinstitute damit beschäftigt, ihre Bilanzen zu bereinigen, und haben in Folge die Kreditvergabe zunehmend eingeschränkt. Der Mittelstand muss sich daher seit geraumer Zeit nach alternativen Finanzierungspartnern umsehen, um die notwendigen Mittel für sein Wachstum aufnehmen zu können. Wenn die Unternehmensgröße für die Emission von eigenen Anleihen nicht ausreicht, besteht die Lösung meist in der Einwerbung von Eigenkapital, das auch wieder mehr Spielraum für Bankfinanzierungen öffnet.

Zunehmende Professionalisierung

Sicherlich war die bisherige Gegenüberstellung von Family und Private Equity bewusst sehr kontrastierend gewählt, um die jeweiligen Tendenzen klarer herausarbeiten zu können. Obwohl das Phänomen Family Equity in Deutschland erst seit ein paar Jahren verstärkt zutage tritt, hat es sich inzwischen zunehmend professionalisiert und wird klassischen Private-Equity-Fonds immer ähnlicher. Gerade bei sehr großen Vermögen werden inzwischen eigene fondsähnliche Vehikel aufgesetzt, die auch dritten Investoren offen stehen können, so dass der Unterschied zu einem klassischen Private Equity auf den ersten Blick kaum mehr feststellbar ist. Trotzdem glauben wir, dass aufgrund der Tatsache, dass die wohlhabenden Familien ihr Vermögen meist selbst durch einen Unternehmensverkauf aufbauen konnten, sich hierdurch eine andere Art von Partnerschaft zwischen dem kapitalsuchenden Unternehmen und dem Financier ergibt, wie sie sich typischerweise bei professionellen Private-Equity-Fonds einstellt.


Fazit
Wer als kapitalsuchendes Unternehmen Family Equity als Finanzierungsquelle in Erwägung zieht, sollte sich von einem in diesem speziellen Beteiligungsbereich erfahrenen Berater unterstützen lassen. Denn im Gegensatz zur Private-Equity-Welt, die sich vergleichsweise transparent darstellt, arbeitet die Family-Office-Szene deutlich „unsichtbarer“, wodurch es auch deutlich schwieriger ist, die bei jeder Beteiligungssuche wichtige Wettbewerbssituation aufzubauen. Dies gelingt im Family-Office-Bereich nur, wenn man Kenntnis über den sehr spezifischen Beteiligungsfokus der jeweiligen vermögenden Familie hat und dort auch über sehr persönliche Kontakte die notwendige Anfangsaufmerksamkeit besitzt.


Zur Person: Dr. Karsten Zippel
Dr. Karsten Zippel ist Mitglied des Vorstands der Aquin & Cie. AG, ein auf Unternehmensfinanzierung und -übernahmen spezialisiertes M&A-Beratungshaus. Neben dem eigentümergeführten Mittelstand berät Aquin schwerpunktmäßig Family Offices beim Aufbau und der Entwicklung ihres Direktbeteiligungsgeschäfts. www.aquin-cie.com

Charakteristika von Family Equity

 

Chancen Risiken
  • Tendenziell langfristiger Anlagehorizont

  • Flexible Ausgestaltung (z.B. Möglichkeit des Anteilsrückkaufs, fallweise Erhöhung der Beteiligung, „Querinvestments“ z.B. bei Betriebsimmobilien etc.)

  • Im Vergleich zu Private Equity auch für kleinere Losgrößen/Unternehmen verfügbar

  • Pragmatische, unternehmerische Sichtweise

  • Persönliches Netzwerk/Reputation des Privatinvestors

  • Erweiterter Zugang zu Krediten bzw. zusätzliche Übernahme der FK-Finanzierungsfunktion
  • Intransparenter Markt, kein offener Zugang

  • Persönlichkeitsgetrieben, dadurch emotionaler mit allen Vor- und Nachteilen

  • Sehr heterogene Investitionsphilosophien (generationsübergreifend vs. Opportunity-driven, Wertsteigerung vs. Dividendenorientierung etc.)

  • Tendenziell „One shot game“ (Family Offices tauschen sich i.d.R. untereinander regelmäßig aus)

  • Unterschiedliche Professionalitäts- bzw. Erfahrungsniveaus

 

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