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Familienunternehmer atmen auf

Erleichterung bei den Familienunternehmen: Die BaFin ändert ihre Definition des Einlagengeschäfts. Gesellschafterdarlehen sind nicht als Bankeinlagengeschäft zu behandeln.

Dass im Wein die Wahrheit liegt, ist eine alte lateinische Weisheit. Dass aber bereits die Beschäftigung mit den Finanzierungsstrukturen des Weinbaus ungewollte Wahrheiten aufdecken kann, ist neu. Die deutsche Wirtschaft bekam dies vor einem Jahr vorgeführt, als der Rechtsstreit zwischen einem Winzer und seinen Keltern vor dem Bundesgerichtshof endete. Das Urteil machte den Familienunternehmen in aller Dramatik deutlich, welche Risiken die Regulierung des Finanzmarkts auch für sie bereithält.

Ein traditionsreiches Pfälzer Weingut im Familienbesitz war in dem in Karlsruhe entschiedenen Fall (Aktenzeichen: VI ZR 56/12) in die Insolvenz geschlittert. Die Pleite traf die Winzer, von denen das Weingut Trauben bezogen hatte, hart, weil sie es gewöhnt waren, einen Teil des Entgelts für die Anlieferung der Trauben als jederzeit abrufbare „Einlage“ gegen Verzinsung beim Weingut stehen zu lassen. Noch im Jahr 2007 hatten 50 Erzeuger sogenannte Winzergelder im Umfang von insgesamt 2,5 Mio. EUR dort stehen. Dies sei alles ohne eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz geschehen, wie der mit dem Fall befasste Bundesgerichtshof in seinem Urteil feststellte. Er sprach deswegen wie auch schon die vorherigen Instanzen einem geschädigten Winzer Schadensersatz gegen die beiden geschäftsführenden Gesellschafter des Weinguts zu.

Klare Worte der Richter

Das Urteil der Richter war eindeutig: Die geschäftsführenden Gesellschafter des Weinguts hatten mit dieser Art der Finanzierung illegale Bankgeschäfte betrieben. Das Gericht bezog sich auf die ständige Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und stützte sich auch auf ein Merkblatt der Behörde zum Tatbestand des Einlagengeschäfts. Das Kreditwesengesetz definiert Einlagengeschäft als die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder die Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums. Solche Einlagengeschäfte erfordern eine Bankerlaubnis, wenn sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang betrieben werden, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert – was laut BaFin bereits der Fall sein soll, wenn bei mehr als fünf Einzeleinlagen die Gesamtsumme von 12.500 EUR überschritten ist beziehungsweise unabhängig von einer Gesamtsumme mehr als 25 Einzeleinlagen vorliegen.

Die obersten deutschen Zivilrichter hatten es im Winzerfall zwar nicht mit Gesellschafterdarlehen zu tun. Brisant wurde das Urteil für Familienunternehmen aber, weil die Urteilsbegründung Sympathie für das bis dato weite Verständnis der BaFin vom Tatbestand des Einlagengeschäfts erkennen lässt. Die BaFin hatte in ihrem Merkblatt zum Tatbestand des Einlagengeschäfts nämlich festgehalten, dass es keinen Unterschied zwischen Gesellschafterdarlehen und Darlehen Dritter gebe. Auch bei Gesellschafterdarlehen handle es sich um „fremde Gelder“ bzw. „Gelder des Publikums“.

Der Katastrophe entgangen

Damit wäre eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente von Familienunternehmen betroffen gewesen. Familienunternehmen setzen neben Bankkrediten und der Zuführung neuer Mittel in Form von Gesellschafterdarlehen in erster Linie auf einbehaltene Gewinne aus eigenem Cashflow, wie eine Untersuchung der Stiftung Familienunternehmen während der Wirtschaftskrise 2009 ergab. Einbehaltene Gewinne werden bei Personengesellschaften vielfach auf Privat- oder Darlehenskonten gebucht, und bei solchen Guthaben handelt es sich rechtlich auch um Gesellschafterdarlehen.

Es wäre aber eine realitätsferne Vorstellung gewesen, dass große Familienunternehmen eine Banklizenz erwerben und in der Folge die Bundesanstalt wie bei den Banken auch bei Tausenden Familienunternehmen darüber mitbestimmt, wer für die Geschäftsleitung geeignet ist. Mit Erleichterung nehmen die Unternehmen deswegen zur Kenntnis, dass die BaFin vor Kurzem die Definition des Einlagengeschäfts in ihrem Merkblatt geändert hat und Gesellschafterdarlehen grundsätzlich nicht mehr als Einlagengeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes ansieht.

Die großen Familienunternehmen in Deutschland sind damit einer Katastrophe noch einmal entgangen. Viele von ihnen wären ansonsten vor der in jeder Hinsicht schwierigen Alternative gestanden, komplizierte rechtliche Konstruktionen für die Gesellschafterdarlehen einzugehen oder eine Banklizenz zu erwerben, um hohe Bußgelder zu vermeiden. Auch die Behörde hätte sich mit einer solchen Verwässerung des Begriffs des Einlagengeschäfts und dem daraus folgenden Kontrollanspruch überfordert.

Einige Probleme bleiben

Der Streit um die Einordnung der Gesellschafterdarlehen beweist einmal mehr, dass Familienunternehmen nicht von vornherein damit rechnen können, dass Behörden Verständnis für ihre wirtschaftliche Realität aufbringen.

Dabei liegt die Begründung für die jetzt einschränkende Auslegung des Begriffs Einlagengeschäft durch die BaFin nicht fern, wenn man die Eigenschaften von Gesellschafterdarlehen genau analysiert. Gesellschafter unterliegen einer allgemeinen Treuepflicht gegenüber ihrer Gesellschaft. Aus dieser Treuepflicht folgt, dass die Gesellschafter keine Darlehensrückzahlung fordern dürfen, soweit die Rückzahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt. Dies gilt gleichermaßen für Kapital- und Personengesellschaften, wobei etwaige Besonderheiten bei sogenannten Publikumsgesellschaften für Familienunternehmen unerheblich sind. Spiegelbildlich dazu ist es Geschäftsführern gesetzlich ausdrücklich verboten, Zahlungen an die Gesellschafter zu leisten, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Die BaFin hat nunmehr anerkannt, dass Gesellschafterdarlehen wegen dieses Liquiditätsvorbehalts weder „fremde“ noch „unbedingt rückzahlbare“ Gelder sind. Damit entfällt ihre Qualität als Einlagengeschäft. Für die Darlehensgewährung durch persönlich haftende Gesellschafter geht die BaFin sogar noch einen Schritt weiter und verneint bereits von vornherein das Vorliegen von Geldern „des Publikums“.

Nach der Korrektur der BaFin-Auffassung kann für Familienunternehmen jedenfalls weitestgehend Entwarnung gegeben werden. Einige Problemstellungen im Einzelfall bleiben jedoch. Die dabei in der Praxis relevanteste Fallgruppe sind Darlehen von indirekt Beteiligten wie zum Beispiel Unterbeteiligten und Nießbrauchern. Soweit Darlehen hiernach unter den Tatbestand des Einlagengeschäfts fallen, ist dies wie schon bislang unschädlich, wenn die Gesellschaft bei einer Gesamtsumme von mehr als 12.500 EUR insgesamt nicht mehr als fünf Einzeleinlagen hat beziehungsweise unabhängig von einer Gesamtsumme nicht mehr als 25 Einzeleinlagen aufweist.


Zur Person

Prof. Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Er ist Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart, Honorarprofessor an der privaten Universität Witten-Herdecke und ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung. www.familienunternehmen.de

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