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Einer besitzt, einer bestimmt

Michael Hetzer hat vor einem Jahr seine Anteile am Sensorhersteller Elobau auf eine Doppelstiftung übertragen. Damit fördert er Integration, Bildung und Umweltschutz. Das Unternehmen bleibt dadurch eigenständig, aber nicht familiengebunden.

Es waren die Worte seines jüngeren Sohnes, die Michael Hetzer vor ungefähr acht Jahren zum Nachdenken brachten. Während einer Autofahrt habe der damals Achtjährige ihn gefragt, ob er das Familienunternehmen denn einmal vom Vater übernehmen muss, falls der drei Jahre ältere Bruder nicht möchte. Die Betonung lag auf „muss“: „Es klang für mich nicht gut, dass meine Kinder das Gefühl haben, sie müssen einmal die Nachfolge antreten“, erinnert sich Hetzer. „Ich wollte, dass sie später einmal die Wahl haben, das zu tun, was sie am meisten interessiert.“

Michael Hetzer: „Man sollte sich nicht über Besitz, sondern über seine Aufgabe definieren.”

Besitz ist auch Bürde

Sieben Jahre und viele Beratungsgespräche später wechselte Elobau den Besitzer. Im November 2016 trennte sich Michael Hetzer von seinen Anteilen an dem Unternehmen, das sein Vater 1972 in Leutkirch im Allgäu gegründet hatte und bei dem er selbst von 2003 bis 2014 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter war. Der mittelständische Hersteller von Sensortechnik und Bedienelementen, der den Maschinenbau und die Nutzfahrzeugbranche unter anderem mit Sicherheitssensoren, Füllstandsmessern und Joysticks beliefert, wechselte damit den Besitzer – und gehört heute zur Elobau Stiftung. „Man sollte sich nicht über Besitz, sondern über seine Aufgabe definieren“, sagt Hetzer, der das Unternehmen heute mit zwei Co-Geschäftsführern leitet. „Ins Büro komme ich heute immer noch genauso gern.“

Wenn sich Unternehmer von ihren Firmenanteilen und damit von einem großen Teil ihres Vermögens trennen und es in eine Stiftung überführen, hat das für Familienunternehmen weitreichende Folgen. Die aktuelle Generation nimmt ihren Kindern die Bürde der Nachfolge und sichert gleichzeitig den Erhalt des Unternehmens. Wer stiftet, kann zudem einen oder mehrere Stiftungszwecke festlegen und verpflichtet sich, dauerhaft Geld für das Gemeinwohl einzusetzen.

Bei der Elobau Stiftung ist festgelegt, dass zehn Prozent des Unternehmensgewinns in Projekte fließen, die einem der drei Stiftungszwecke zugeordnet werden können. Der Stifter hat entschieden, dass die Bereiche Bildung, Umweltschutz und Hilfe für Geflüchtete gefördert werden sollen. Gesellschaftlich engagieren kann sich ein Unternehmen zwar auch, ohne eine eigene Stiftung zu haben. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein solches Engagement in Deutschland oft misstrauisch beäugt und gerne ein Hintergedanke vermutet wird“, argumentiert Hetzer. Den Vorwurf, nur Imagepflege betreiben zu wollen, könne man aushalten – oder gleich eine Stiftung gründen.

 

Michael Hetzer hat vor einem Jahr seine Anteile am Sensorhersteller Elobau auf eine Doppelstiftung übertragen. Damit fördert er Integration, Bildung und Umweltschutz. Das Unternehmen bleibt dadurch eigenständig, aber nicht familiengebunden.

Ein Prozent hält 99 Prozent der Stimmanteile

Der Unternehmer hat sich für eine Doppelstiftung entschieden – ein Modell, das sich so umreißen lässt: Einer besitzt, einer bestimmt. Denn das Konstrukt besteht zum einen aus der Elobau Stiftung, einer gemeinnützigen Beteiligungsträgerstiftung, die steuerlich privilegiert ist. Als Stiftungskapital gehören ihr 99 Prozent der Anteile an der Elobau GmbH & Co. KG. Das restliche Prozent am Sensorhersteller hält die Hetzer Familienstiftung. Diese wiederum verfügt über 99 Prozent der Stimmanteile und gibt somit die Strategie des Unternehmens vor. Weil beide Stiftungen einem Verkauf zustimmen müssten, ist es dem Stifter zufolge höchst unwahrscheinlich, dass Elobau irgendwann einmal kein eigenständiges Unternehmen mehr sein wird.

Nicht jeder Berater und Weggefährte, mit dem Hetzer in den vergangenen acht Jahren über seine Pläne gesprochen hat, hielt das Stiftungsmodell für eine gute Idee. Am häufigsten habe er das Gegenargument gehört, dass einem Unternehmen die nötige Leitfigur fehle, wenn es nicht mehr der Familie, sondern einer Stiftung gehört. „Aber wer sagt, dass die Kinder und Enkel des Gründers Leitfiguren sind und sein wollen?“, findet Hetzer. Er bezweifelt, dass es in einer modernen Organisation überhaupt noch einen Patriarchen braucht. Schließlich habe man es sich bei Elobau zum Ziel gesetzt, den Mitarbeitern „noch mehr Verantwortung zu übertragen“, betont Hetzer.

Das Stiftungsmodell beruhigt die Mitarbeiter

Für die gut 800 Beschäftigten bei Elobau habe sich durch die neue Besitzstruktur nichts geändert, sagt der Geschäftsführer und Stifter. Bei einer Beteiligungsträgerstiftung wie der Elobau Stiftung tritt das Unternehmen weiter unter seiner gesellschaftsrechtlichen Rechtsform auf – im Fall von Elobau als GmbH & Co. KG. In einem Punkt seien die Mitarbeiter heute noch ein bisschen beruhigter als vorher: Das Unternehmen kann nicht mehr an Investoren verkauft werden.

Und die beiden Söhne, heute 16 und 19? Wenn es nach ihrem Vater geht, können sie später einmal gerne im Unternehmen arbeiten, „in welcher Funktion auch immer“. Aber sie müssen eben nicht – sondern sollen sich über ihre Aufgabe statt über Besitz definieren. „Wenn ich das hinkriege, schaffen die Kinder das auch.“

Michael Hetzer hat vor einem Jahr seine Anteile am Sensorhersteller Elobau auf eine Doppelstiftung übertragen. Damit fördert er Integration, Bildung und Umweltschutz. Das Unternehmen bleibt dadurch eigenständig, aber nicht familiengebunden.

“Wir achten darauf, Projekte nicht nach dem Gießkannenprinzip zu fördern”

Interview mit Peter Aulmann, Vorsitzender der Elobau Stiftung

Unternehmeredition: Herr Aulmann, Sie führen die Geschäfte bei der Elobau Stiftung und entscheiden mit den anderen Mitgliedern des Vorstands, was gefördert wird. Nach welchen Kriterien gehen Sie dabei vor?

Aulmann: Wir wollen im Idealfall neben dem finanziellen auch einen inhaltlichen Beitrag innerhalb der Projekte leisten und nicht nur Mittel bereitstellen. Deshalb haben wir die meisten unserer bisherigen Projekte auch selbst initiiert. Der Stifterwille ist es, Vorhaben zu ermöglichen, die es ohne die Förderung durch die Stiftung nicht geben würde. Einen festen Verteilungsschlüssel zwischen unseren drei Stiftungszwecken verfolgen wir dabei nicht. Es kann also sein, dass in einem Jahr mehr Geld in den Bereich Bildung fließt und im nächsten Jahr mehr Mittel in Projekte, welche die Integration oder die Umwelt fördern.

Wie schärft eine Stiftung mit mehreren Stiftungszwecken ihr Profil?

Wir achten darauf, Projekte nicht nach dem Gießkannenprinzip zu fördern. Vielmehr versuchen wir, innerhalb der drei Kernbereiche Schwerpunkte zu setzen: Bei der Integration ist das die Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Bildung die individuelle Potenzialentfaltung von Schülern und im Bereich Umwelt etwa die Grünlandaufwertung und Artenvielfalt. Das lässt sich nicht immer trennscharf einhalten, ist als Grundidee aber wichtig, um Antragstellern Leitlinien zu geben.

Welcher Anteil des Stiftungskapitals kommt tatsächlich dem guten Zweck zu und wie viel fließt in den laufenden Betrieb?

In diesem ersten Stiftungsjahr werden sich unsere Verwaltungskosten aufgrund der Aufwendungen für die Stiftungserrichtung und für infrastrukturelle Ausstattung auf etwa 20 Prozent belaufen. Unser Zielwert für die Zukunft liegt bei einer Zahl knapp unter zehn Prozent. Das ist realistisch, nicht nur, weil im zweiten Jahr nicht mehr so viele einmalige Kosten anfallen, sondern auch, weil wir im laufenden Betrieb möglichst geringe Kosten verursachen wollen.


Kurzprofil elobau GmbH & Co. KG

Gründungsjahr 1972
Branche Sensortechnik
Unternehmenssitz Leutkirch im Allgäu
Umsatz 2016
84,3 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl ca. 800

www.elobau.com

 

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