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Neuer asiatischer Footprint

Lose Watte von Ziegler: Kann in verschiedenen Branchen genutzt werden.

Lose Watte von Ziegler: Kann in verschiedenen Branchen genutzt werden.

Asiatischer Großkonzern übernimmt badischen Mittelständler: Wie der Trend zur Elektromobilität die J.H. Ziegler GmbH in eine neue Größenordnung katapultieren soll.

J.H. Ziegler ist ein Prototyp des deutschen Mittelstands: 1864 zur Herstellung von Watte gegründet, hatte sich das Familienunternehmen über mehrere Generationen zu einem Hersteller technischer Textilien entwickelt, dessen Produkte und Lösungen in zahlreichen Branchen wie der Möbelindustrie, der Medizintechnik und der Wärmedämmung von Warmwasserspeichern genutzt werden. Das Haupteinsatzgebiet liegt mittlerweile in der Automobilindustrie: Vliese für Sitzkaschierungen sowie zur Schalldämmung haben Ziegler stark wachsen lassen. Für das laufende Geschäftsjahr wird für das 400 Mitarbeiter starke Unternehmen ein Umsatz in Höhe von etwa 80 Mio. Euro erwartet.

Als die Deutsche Private Equity (DPE) vor vier Jahren 95 Prozent der Anteile von der Familie übernahm, lag der Umsatz noch bei circa 40 Mio. Euro. „Es gab eine Reihe von Produktideen, aber keine klar erkennbare Wachstumsstrategie“, erinnert sich Dr. Frank Müller, Partner bei DPE. Über ein Beratungsunternehmen waren die Wachstumsspezialisten von DPE angesprochen worden. „Wir hatten uns zuvor bereits mit technischen Textilien als Investmentthese intensiv beschäftigt und klare Vorstellungen von der Branche.“ DPE erkannte das Potenzial des Traditionsbetriebs, die bisherigen Eigner wiederum überzeugte das Potenzial des Investors. In den Folgejahren führten die Münchner mit Investitionen und einer definierten Produktpalette Ziegler auf den Wachstumspfad. Die Gründerfamilie blieb noch einige Zeit mit fünf Prozent beteiligt, zog sich operativ aber zurück.

Internationalisierung als Schlüssel zum Wachstum

Binnen weniger Jahre verdoppelte Ziegler nicht nur den Umsatz, sondern verdreifachte auch das Ergebnis. Und obwohl aktuell eine neue Produktionsanlage in Achern in Betrieb gegangen ist, konstatiert Müller: „Mit einer Internationalisierung des Geschäfts sind noch viel größere Umsatzsteigerungen möglich.“. Es gehört zur DPE-Strategie, die Beteiligungen in diese Prozesse einzubinden. Sehr schnell war man sich einig, dass ein strategischer Partner aus der Branche eine gute Wahl für den nächsten Umsatzsprung sein würde. Teijin Frontier kristallisierte sich als kompetenter Interessent heraus. Das japanische Unternehmen zählt mit einem Jahresumsatz von rund 8 Mrd. US-Dollar zu den weltweit führenden Herstellern von sogenannten Stapelfasern, aus denen Ziegler die Vliese für die jeweilige Anwendung fertigt.

Asiatischer Großkonzern übernimmt badischen Mittelständler: Wie der Trend zur Elektromobilität die J.H. Ziegler GmbH in eine neue Größenordnung katapultieren soll.

Teijin bevorzugt seit geraumer Zeit die DACH-Region als Akquisitionsgebiet. Deshalb war Ziegler auf dem Radar und als Kunde auch bekannt. Die Gründe für die Akquisition liegen für Teijin auf der Hand: Mit C.H. Ziegler verstärke Teijin seine Produktion von Materialien für den Fahrzeuginnenraum, verbessere gleichzeitig seine Präsenz im Automotive-Markt und könne die Vertriebskanäle von Ziegler in Europa nutzen. Für Diedrich von Behr, CEO der J.H. Ziegler GmbH, stellt Teijin einen geeigneten Partner dar. Man habe natürlich stets versucht, auch mit den japanischen OEMs ins Geschäft zu kommen, doch das sei für einen Mittelständler nicht so einfach. Über eine Handelsvertretung sind erste Geschäftsbeziehungen im Produktsegment Sitz angebahnt, doch bislang ist man bei diesem Kundenkreis noch nicht so wie gewünscht durchgedrungen. Mit japanischer Vertriebspower seien die Vertriebschancen dort nun ungleich größer (siehe Interview).

Internationalisierung – das bedeutet vor allem auch einen asiatischen Produktions-Footprint, befindet Müller. Diesen Schritt ist man nun durch die Zusammenarbeit mit Teijin gegangen. Besondere Wachstumschancen sehen die Japaner vor allem im Bereich der Elektromobilität. Kunden würden immer höherwertige Materialien für den Innenraum nachfragen und auf ein komfortables, ruhiges Fahrerlebnis setzen. In der Zusammenarbeit mit Ziegler würden nun unter anderem neuartige, schallabsorbierende Materialien für die Fahrzeuginnenräume der Zukunft entwickelt.

Belegschaft ist von Wachstumschancen überzeugt

Kaschiertes Vlies: Es wird vor allem bei Sitzmöbeln verwendet. © J.H. Ziegler GmbH

Und wie reagiert die Belegschaft, wie arbeitet es sich als Teil eines fernöstlichen Konzerns mit fernöstlicher Firmenkultur? Nach von Behrs Beobachtung sehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wohl die strategischen Potenziale, weswegen sie „ausgesprochen zufrieden mit der Lösung sind“. Und auf der Managementebene sei bislang kaum ein Unterschied etwa zu den US-Unternehmen auszumachen, für die von Behr zuvor gearbeitet hatte: Klare Kommunikation und schnelle Entscheidungen würden die Zusammenarbeit bislang kennzeichnen. Auch wenn die „Honeymoon-Phase“ endet, erwartet von Behr keine Änderung: „Wir haben sehr attraktive Wachstumschancen, daran arbeiten wir gemeinsam.“ Den positiven Gesamtausblick teilt auch DPE-Mann Müller: „Die Partner passen sehr gut zueinander. Ich denke, es wird deutlich einfacher als bislang, den Umsatz nochmals zu verdoppeln.“

Asiatischer Großkonzern übernimmt badischen Mittelständler: Wie der Trend zur Elektromobilität die J.H. Ziegler GmbH in eine neue Größenordnung katapultieren soll.

„Zugang zu neuen Kunden und Märkten“

Interview mit Diedrich von Behr, Geschäftsführer der J.H. Ziegler GmbH

Unternehmeredition: Welche Chancen sehen Sie für J.H. Ziegler durch den Verkauf an Teijin?

Von Behr: Einen Zugang finden zu Kunden, die wir bislang nicht erreicht haben, ist eine der ganz großen Chancen. Die japanische Vertriebsorganisation wird uns unterstützen, unsere Produkte im Sitz- und Akustikbereich den japanischen Herstellern für deren Fabriken in Europa unmittelbar anzubieten. Über die Kontakte in Japan wird unsere Übernahme bei den japanischen OEMs vor Ort operativ unterstützt. In einem zweiten Schritt wäre es dann sogar denkbar, Produkte für den japanischen Markt auf bestehenden Teijin-Maschinen zu produzieren.

Erleichtert ein asiatischer Partner auch den Schritt nach China?

Um dort wachsen zu können, benötigen wir Produktionskapazitäten. Für China haben wir bereits eine übereinstimmende Sicht mit Teijin und stehen am Anfang eines Prozesses der Investitionsplanung für einen neuen Standort in China. Es gibt die grundsätzliche Übereinkunft, dass wir in China investieren, und wir besitzen auch schon eine Standortoption.

Gibt es Vorteile durch Teijins Forschungsnetzwerk?

Der wichtigste Effekt, der sich in der Zusammenarbeit ergibt, ist Teijins Prozess- und Werkstoffkompetenz bei Polyester- und Polypropylenstapelfasern. Wir kaufen etwa 13.000 Tonnen Stapelfasern pro Jahr ein. Hier gibt es jetzt Ansätze, spezielle Produkte für Ziegler zu fertigen, die uns in die Lage versetzen würden, über Produkteigenschaften Alleinstellungsmerkmale zu erlangen. Hochinteressant ist die Kompetenz von Teijin im Bereich der Nanofasern. Die werden bereits produziert und im Bereich der Filtration eingesetzt. Es ist denkbar, diese Nanofasern mit unserem Prozesswissen etwa im Bereich saubere Innenluft zu verwenden. Neben dem Zugang zu neuen Kunden eröffnet uns die Zusammenarbeit mit Teijin so auch neue Märkte.


Kurprofil J. H. Ziegler GmbH

Gründungsjahr 1864
Branche technische Vliese
Unternehmenssitz Achern / Baden
Umsatz 2017
ca. 80 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl 400

www.ziegler.eu

 

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