Aufsichtsrat 2.0

Von den neuen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder

Foto: © TCW Transfer-Centrum für Produktions-Logistik und Technologie-Management GmbH & Co. KG

Unternehmenstransformation 2.0: Resilienz und Innovation durch Data Science – so lautete das Thema des diesjährigen Münchner Management Kolloquiums (MMK) am 8. und 9. März 2022. Dr. Klaus Weigel referierte am zweiten Tag zum Thema „Die neue Rolle des Aufsichtsrats – Professionalität, Unabhängigkeit, Diversität“.

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„Beim Thema „Aufsichtsräte und Beiräte“ hat sich in letzter Zeit viel getan“, sagte Dr. Klaus Weigel, geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH. „Es ist heute sehr schwierig, Personen zu finden, die bereit sind, den Aufsichtsratsvorsitz in großen deutschen Unternehmen zu übernehmen“, betonte der Experte für die Vermittlung von Aufsichtsräten und Beiräten. Betrachte man jüngste Medienberichte, werde noch einmal mehr deutlich, dass die Aufsichtsratsbesetzung zunehmend kritisch gesehen werde. So habe der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutz AG erst kürzlich wegen eines Streits um die Frauenquote den Gremienvorsitz abgeben müssen. Bei der Aareal Bank AG seien Aufsichtsräte abberufen und deren Nachbesetzungskandidaten durch aktivistische Aktionäre blockiert worden. Und Siemens-Chefaufseher Jim Hagemann Snabe habe sich im Februar wegen „Overboardings“ aus dem Allianz-Aufsichtsrat zurückziehen müssen.

Gewachsene Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder

In den vergangenen Jahren hätten sich die Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder wesentlich verändert, betonte Dr. Weigel. Diese seien deutlich professioneller und zu einem strategischen Sparringspartner geworden. Zudem würden die Kriterien für die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern intensiver diskutiert. Die zunehmende zeitliche Inanspruchnahme der Aufsichtsratsmitglieder habe eine Diskussion über sogenanntes Overboarding zur Folge. Auch würde die Haftung von Aufsichtsräten vermehrt thematisiert. Unter dem Strich entspräche deren Vergütung nicht mehr dem zeitlichen Aufwand, der Verantwortung, der Haftung und dem Reputationsrisiko.

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Die Besetzung von Aufsichtsräten stelle auch besondere Anforderungen an den Prozessverlauf, so Dr. Weigel, die aber in weiten Teilen noch nicht erfüllt würden. So seien ein Nominierungsausschuss und eine Kompetenzmatrix noch immer nicht die Regel. Die externe Beratung nehme zwar zu, sei aber noch nicht selbstverständlich. „Am Anfang muss ein Suchprofil stehen“, forderte Dr. Weigel. Gremienmitglieder müssten eine materielle, emotionale und persönliche Unabhängigkeit für ihre Tätigkeit mitbringen. Idealerweise müsse der Vorsitzende über eine langjährige Führungskompetenz, Mandatserfahrung und über ein hinreichendes Zeitbudget verfügen. Gegenseitiges Vertrauen sei eine wichtige Voraussetzung. „Eine gute und offene, durch den Aufsichtsratsvorsitzenden geförderte Diskussionskultur erhöht die Effizienz der Arbeit von Aufsichtsräten“, sagte Dr. Weigel.

Thema Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung

Bedingt durch das ökonomische, aber auch politische Umfeld, gebe es für Unternehmen derzeit mehrere gravierende strategische Herausforderungen zu bewältigen, darunter die Digitalisierung von Geschäftsmodellen, die Sicherstellung von Lieferketten, Nachhaltigkeit und ESG, der zunehmende Einfluss von Eigen- und Fremdkapitalgebern, Diversität auf operativen und nichtoperativen Leitungsebenen sowie Probleme bei der Mitarbeitergewinnung. Diese Herausforderungen müssten sich auch in der Besetzung von Aufsichtsräten widerspiegeln, so Dr. Weigel.

Insbesondere das Thema Nachhaltigkeit/ESG habe für alle Aufsichtsräte aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Diskussionen stark an Bedeutung gewonnen, wie Dr. Weigel in seinem Vortrag herausstellte. So gilt seit dem Geschäftsjahr 2017 für alle großen kapitalmarktorientierten Unternehmen in Deutschland (mehr als 500 Mitarbeiter) die EU-CSR-Richtlinie. Seit dem 1. Januar 2022 verpflichtet darüber hinaus die EU-Taxonomie als Teil des European Green Deal die Unternehmen zur Angabe des Umfangs ihrer ökologisch nachhaltigen Tätigkeiten. Ab voraussichtlich 1. Januar 2024 kommt dann noch die EU-CSR-Directive (CSRD) mit starker Ausweitung des Anwendungsbereichs auf etwa 15.000 Unternehmen in Deutschland hinzu, für kleinere und mittlere Unternehmen ab 1. Januar 2026. Auch der geänderte Deutsche Corporate Governance Kodex nehme das Thema Nachhaltigkeit jetzt explizit auf. Institutionelle Investoren forderten die Unternehmen bereits jetzt zu einem ESG-konformen Handeln auf.

Besondere Merkmale von Familienunternehmen

Dr. Weigel betonte, dass es große Unterschiede zwischen Familien- und Kapitalmarktunternehmen gäbe. Zum einen nehme hier eine Familie als Gesellschafter Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens. Konflikte zwischen Familienmitgliedern beziehungsweise Gesellschaftern könnten dabei das Unternehmen gefährden. Außerdem werde eher in Generationen statt in Quartalen gedacht, und in der Regel werde in Familienunternehmen die finanzielle Eigenständigkeit angestrebt. Familienunternehmen seien zudem eher beratungsresistent. All diese Besonderheiten müssten sich auch in der Zusammensetzung des Aufsichtsrates ausdrücken und von dessen Mitgliedern berücksichtigt werden, mahnte der Experte.

Fazit

Wer Aufsichtsrat werden wolle, müsse sich vorab Fragen stellen wie „Warum, wo und wann will ich Aufsichtsrat werden und was habe ich dafür Besonderes zu bieten? Wer kann mich bei meinem Anliegen unterstützen und welche Maßnahmen und Aktivitäten kann ich selbst ergreifen?“ Neben den formalen Anforderungen müsse vor allem auch genügend zeitliches Engagement aufgebracht werden können. Grundsätzlich gelte, dass das erste Mandat das schwierigste sei. „Unterschätzen Sie den Zeitaufwand nicht und vor allem: Haben Sie Geduld“, riet Dr. Weigel abschließend.


29. Münchner Management Kolloquium

Das jährlich stattfindende Münchner Management Kolloquium (MMK) ist Deutschlands größter Wirtschaftskongress. Das Thema des diesjährigen MMK lautete „Unternehmenstransformation 2.0: Resilienz und Innovation durch Data Science“. Über 80 renommierte Führungskräfte aus DAX-Unternehmen und europäischen Konzernen, Eigentümer und Geschäftsführer erfolgreicher Mittelständler sowie Start-ups aus unterschiedlichen Branchen referierten zum Thema „Unternehmenstransformation 2.0“ und stellten ihre Lösungskonzepte vor. Die Teilnehmenden profitierten von Best-Practice-Lösungen, neuen Managementansätzen und von der Möglichkeit zur Entwicklung wertstiftender Kooperationen.

Save-the-date: Das 30. MMK findet am 7. und 8. März 2023 statt.


ZUR PERSON

Dr. Klaus Weigel ist seit 2007 geschäftsführender Gesellschafter der Board Xperts GmbH, Frankfurt am Main. Die Board Xperts GmbH ist seit 2020 im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit Xellento Executive Search verbunden und spezialisiert auf die Vermittlung qualifizierter Aufsichtsräte und Beiräte. Dr. Weigel war 25 Jahre im Corporate-Finance- und Private-Equity-Geschäft in leitender Funktion und als Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten tätig. Er ist zugleich Mitgründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD).

E-Mail: klaus.weigel@board-experts.de

Zum Vortrag auf dem letztjährigen Münchner Management Kolloquium geht es hier.

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