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ESUG stärkt Antragsteller

Die Zahl der Antragsteller auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung ist auch zwei Jahre nach Einführung des ESUG immer noch relativ gering. Dabei ist sie in bestimmten Fällen eine gute Alternative zum klassischen Regelinsolvenzverfahren. Vor allem die Entscheidungskriterien der Gerichte für oder gegen die Anordnung der Eigenverwaltung stärken die Position der Antragsteller.

Verschiedene Untersuchungen ergaben lediglich etwa 500 Eigenverwaltungsverfahren seit Inkrafttreten des Sanierungsgesetzes. Entsprechend der Wirtschaftsstruktur in Deutschland durchlaufen eine Insolvenz in Eigenverwaltung in der Regel kleinere bis mittlere Unternehmen, die weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigen und einen Umsatz im niedrigen zweistelligen Millionenbereich erwirtschaften. Bei diesen Verfahren kann die Eigenverwaltung ihre Vorteile voll ausspielen, insbesondere die Berechenbarkeit und die Verkürzung der Verfahrensdauer. Die Gesellschafter und Organe behalten Einfluss auf das Schicksal ihres Unternehmens und müssen das Ruder nicht vollends aus der Hand geben. Mit Hilfe des insolvenzrechtlichen Werkzeugkastens kann das Unternehmen finanz- und leistungswirtschaftlich reorganisiert werden. Gleichzeitig bekommen die Gläubiger einen größeren und frühzeitigen Einfluss, etwa bei der Auswahl des Sachwalters. Dass sich das Eigenverwaltungsverfahren aber auch für Großunternehmen eignet, zeigen Beispiele wie Pfleiderer und IVG. Nur sind der Aufwand und die Komplexität des Verfahrens hier ungleich größer.

Kriterien für eine Anordnung der Eigenverwaltung

Doch welche Kriterien legen die Insolvenzgerichte an, wenn es um die Entscheidung geht, ob einer Insolvenz in Eigenverwaltung zugestimmt wird? Vor allem ist maßgeblich, dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Umgekehrt gilt aber auch: Nur wenn sich nachteilige Umstände auch wirklich prognostizieren lassen, kann das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung nicht anordnen. Bloße Zweifel reichen anders als früher nicht mehr aus. Dies ist eine Stärkung der Position des antragstellenden Unternehmens und entspricht dem klaren Willen des Gesetzgebers, der die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung bewusst gelockert hat.Bock nicht zum Gärtner machen

Nachteilig ist die Anordnung der Eigenverwaltung, wenn sie im Vergleich zu einem herkömmlichen Insolvenzverfahren zu schlechteren Ergebnissen führt. Wann man hiervon ausgehen muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Bejahen wird man dies sicherlich bei früheren Bankrottstraftaten der Geschäftsleitung, einer offensichtlichen Insolvenzverschleppung, unzureichenden Buchhaltungsunterlagen oder rückständigen Jahresabschlüssen. Auch der offensichtliche Versuch der Geschäftsleitung oder der Gesellschafter, sich Anfechtungs- oder Haftungsansprüchen zu entziehen, Uneinigkeit zwischen zwei alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführern oder deutlicher Widerstand wichtiger Beteiligter gegen die Anordnung der Eigenverwaltung sind Gründe für das Insolvenzgericht, die Eigenverwaltung abzulehnen. Schließlich soll hier der „Bock nicht zum Gärtner gemacht“ werden.

Wille der Gläubiger entscheidet

Zweifelhaft ist hingegen, ob die Eigenverwaltung schon deshalb abgelehnt werden darf, weil ein entsprechender Antrag nicht „wohl vorbereitet“ ist und die Geschäftsleitung nicht deutlich machen kann, den speziellen Anforderungen an eine Eigenverwaltung gewachsen zu sein. Gleiches gilt, wenn gefordert wird, eine Eigenverwaltung könne nur bei Betriebsfortführungen mit konkreter Sanierungsaussicht angeordnet werden. Das Unternehmen kann zu jedem Zeitpunkt rechtliche und betriebswirtschaftliche Hilfe in Anspruch nehmen, um einen ordnungsgemäßen Verfahrensgang zu gewährleisten. Entscheidend ist letztlich der Wille der Gläubiger. Um deren Geld geht es.

Fazit

Das ESUG ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die neu geschaffenen bzw. erheblich verbesserten Sanierungsinstrumente der Eigenverwaltung und des Planverfahrens sind in der Restrukturierungspraxis angekommen. Weiter verbessern wird sich dies, wenn die Insolvenzanträge künftig noch professioneller vorbereitet, mit den Insolvenzgerichten abgestimmt und vor allem früher gestellt werden. Die Verantwortlichen müssen hierzu erkennen, dass die Sanierungsaussichten umso besser sind, je eher fachkundige Hilfe in Anspruch genommen wird. Dann werden auch die letzten Zweifler von der Eigenverwaltung überzeugt.


Zur Person

Dr. Biner Bähr ist Partner der Kanzlei White & Case. Er ist spezialisiert auf komplexe Insolvenzverfahren, u.a. als Insolvenzverwalter von Hertie, TelDaFax und Hein Gericke. Als Sachwalter sanierte er die Ratinger Heimtextil-Fachmarktkette Frick im neuen Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO und den Duschschlauch-Hersteller Oldoplast in Marl. www.whitecase.com

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