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„Es wird erschreckend wenig vorausschauend gestaltet“

Das Center for Family Business der Universität St. Gallen (CFB-HSG) bietet ein breites Spektrum von Weiterbildungsprogrammen zur Vorbereitung auf den Generationenwechsel an. Projektleiterin und Dozentin Dr. Nadine Kammerlander erläutert, welche Nachfolgemodelle im Vordergrund stehen und wo es Defizite gibt.

Frau Dr. Kammerlander, wenn Mittelständler ihre Nachfolge planen, steht dann die interne oder die externe Nachfolge im Vordergrund?

Eine von uns im vergangenen Jahr durchgeführte Studie für die Schweiz zeigt, dass etwa 40 Prozent der Unternehmen familienintern und ebenso viele unternehmensextern über einen Management-Buy-In (MBI) übergeben werden. Mit einem Anteil von 20 Prozent wird – weit weniger häufig als geplant – die unternehmensinterne Übergabe an Nicht-Familienmitglieder, also der Management-Buy-out (MBO) realisiert. Auch hier zeigt sich, dass jeweils andere Probleme vorrangig sind. Beim MBI geht es aus Sicht der externen Manager zu allererst darum, wie sie ein für ihre Ambitionen geeignetes Unternehmen finden. Ebenso hat aus Sicht der Übergebenden zunächst einmal die Suche nach der passenden Person Priorität. Gleichzeitig will man Verunsicherung bei Mitarbeitern und Zulieferern vermeiden. Wir machen deshalb deutlich, dass Mittler, Banken und persönliche Kontakte wesentliche Teile des komplexen Suchprozesses sind.

Worin sehen Sie die Gründe für den relativ niedrigen Anteil des MBO?

Wir erklären uns das mit den besonderen damit verbundenen Problemen. Traut sich ein langjähriger Mitarbeiter den Schritt in das Unternehmertum zu? Werden ihn die Mitarbeiter als Chef akzeptieren? Spielt die Bank mit und ist genug eigenes Kapital vorhanden? Andererseits kennt ein interner Mitarbeiter das Unternehmen und wird vor allem dann erfolgreich sein, wenn Kontinuität gefragt ist. Sind dagegen Veränderungen wichtiger, ist der MBI mit dem frischen Blick des von außen kommenden Nachfolgers aussichtsreicher.Wo liegen nach Ihrer Erfahrung die größten Defizite bei der Gestaltung der Nachfolge?

Die von mir zitierte Studie hat vor allem gezeigt, dass häufig erschreckend wenig vorausschauend gestaltet wird. In nur der Hälfte der Fälle etwa gab es ein Anforderungsprofil für den Nachfolger. Ganz stark vernachlässigt wird zudem ein Plan, wie im Falle eines MBO übernehmende Mitarbeiter für ihre Aufgabe trainiert werden sollen. Ein Fünftel der Übernehmenden wiederum hat das Unternehmen nicht mit einer Due Diligence auf Herz und Nieren geprüft und weitere 18 Prozent haben sich mit einer mündlichen Prüfung begnügt. Bei familieninternen Lösungen wird nicht zuletzt viel zu spät über die Nachfolge nachgedacht. Generell gilt: Wenn man den gesamten Prozess nicht vorausschauend gestaltet, treten die Probleme sehr häufig hinterher auf. Das wollen wir in unseren Seminaren deutlich machen.

Wie viel Zeit müssen die Teilnehmer mitbringen und welche Inhalte stehen im Mittelpunkt?

Die Seminare dauern jeweils zwei bis vier Tage, wobei die Teilnehmer diese Angebote individuell nutzen. Manche buchen nur ein Seminar zu einem speziellen Problem, andere nehmen an mehreren Terminen teil. Die Nachfolge ist vom ersten Gedanken daran bis hin zur tatsächlichen Übergabe in der Regel ein Prozess von fünf Jahren und wir können dabei begleitend Denkanstöße geben. Im Mittelpunkt stehen grundsätzlich zwei übergeordnete Ziele. Zum einen geht es um das Kennen und Verstehen des Nachfolgeprozesses an sich sowie um die typischen Hürden, die es dabei zu überwinden gilt. Zum anderen wollen wir Kontakte schaffen und den Gedankenaustausch unter den Teilnehmern fördern. Beide Ziele, also das Verständnis für den Prozess und den Community-Aspekt, wollen wir miteinander verbinden.

Wer profitiert besonders von dieser Form der Weiterbildung?

Das lässt sich nicht pauschalisieren, weil die Zielgruppen vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Kleinere Unternehmen in ländlichen Gebieten etwa haben viel stärker mit dem Problem zu tun, überhaupt einen Nachfolger zu finden. Bei größeren Firmen geht es oft eher um die richtige Finanzierung und qualifizierte Berater dafür. Ebenso kommt es auf die Perspektive an. Die übergebende Generation will sicherstellen, dass der Nachfolger der Richtige ist und das gut macht. Die übernehmende wiederum sucht die Balance zwischen Weiterführen und eigenem Profil, zwischen Akzeptanz bei den Mitarbeitern und dem Bestreben, sich nicht beeinflussen zu lassen.Begriffe wie Emotion, Verantwortung und langfristiges Denken stehen für den Erfolg von Familienunternehmen. Lässt sich so etwas überhaupt lernen?

Für den Fall der internen Nachfolge kann man das sicher fördern. Vieles ist in der Kindheit angelegt, vieles lässt sich bis zum Erwachsenenalter lernen. Mit Blick auf einen MBO andererseits kann der Unternehmer langfristige Orientierung und Social Responsibility vorleben. Erstaunlich vielen Übergebenden ist aber auch die emotionale Bindung wichtig. Sie sind zum Teil zu Konzessionen beim Verkaufspreis bereit, wenn der Nachfolger das Unternehmen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in ihrem Sinn fortführt und sich damit identifiziert. Ebenso wichtig ist es vielen, dass mit Blick auf die Finanzierungsstruktur die Unabhängigkeit und langfristige Ausrichtung gewahrt bleibt.

Und das Privatvermögen soll auch gut abgesichert sein.

Unbedingt. Es gibt für den Unternehmer nichts Schlimmeres, als das ganze Leben lang gearbeitet zu haben und am Ende ohne Mittel dazustehen. Möglicherweise ist es deshalb für den Erhalt des angestrebten Lebensstandards wichtig, einen guten Verkaufspreis zu erzielen. Problematisch wird es, wenn diese Überlegungen in den Verkaufsprozess zu spät eingehen und erst quasi in letzter Minute der Preis nach oben gedrückt werden soll. Dann kann die gesamte Lösung noch kippen.


Zur Person
Dr. Nadine Kammerlander ist Projektleiterin und Dozentin an der Universität St. Gallen. Ihr Schwerpunkt im Bereich Forschung und Lehre liegt auf den Themen Familienunternehmen, Nachfolge und Innovationen. Nach ihrem Abschluss als Diplom-Physikerin an der TU München arbeitete sie zunächst einige Jahre als Unternehmensberaterin in München. Sie promovierte an der Otto-Friedrich Universität zum Thema „Familienunternehmen und Anpassung an radikalen technologischen Wandel“. Heute lebt sie mit ihrer Familie im schweizerischen St. Gallen. www.cfb.unisg.ch

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